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Angst vor dem Fremden ? Strategien rechtspopulistischer Rhetorik.

Rechtspopulistische Parteien erzielen Wahlerfolge in ganz Europa. In den Medien machen sie immer wieder mit Skandalen auf sich aufmerksam. Sie setzen auf eine Politik der Angst und Hetze. Doch welcher rhetorischen Mittel bedienen sie sich?

Die Grüne Bildungswerkstatt lud am 15. März zum Vortrag „Politik der/mit Angst – Rechtspopulistische Rhetorik“ der Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak. Unter einem ähnlichen Titel erschien Anfang März die deutsche Übersetzung ihres Buches „Politics of Fear. What Rightwing Populist Discourses Mean“. Bis 2016 lehrte Wodak an der Universität von Lancaster, Großbritannien. Neben einer Vielzahl von Preisen erhielt sie 1996 den Wittgenstein Preis für Elite-Wissenschaftler*innen.

Heute Nachbarn, morgen Fremde?
Wodak hebt zu Beginn ihres Vortrages hervor, dass es entscheidend sei Inhalt und Form rechtspopulistischer Parteien zusammen zu betrachten. Im Zentrum rechtspopulistischer Rhetorik stehe Angst. Egal ob es sich um fantasierte Bedrohungen oder reale Probleme handelt, entscheidend sei die Konstruktion eines „Anderen“ gegen ein imaginiertes „Wir“. Die inszenierte Bedrohung wird als nicht zu bewältigen gezeichnet, verdeutlicht durch häufig verwendete Naturkatastrophenmetaphern im Zusammenhang mit Migration, wie Strom, Welle oder Flut. Rechtspopulist*innen schüren so Ängste, um Stimmen zu sammeln und ihre restriktive Politik zu legitimieren. Dabei werde genutzt was immer sich anbietet, ob Islam, Flüchtlinge oder Migrant*innen: Kategorien werden völlig willkürlich geschaffen, wieder aufgehoben und neu gebildet. Der Wir-gegen-die-Anderen-Diskurs diene letztlich dazu, Identitäten zu schaffen und zu definieren, um Aus- und Abgrenzung stets neu zu manipulieren. Bezog sich die Ausgrenzung früher meist auf interne Gruppen – so wie der Soziologe Georg Simmel die jüdische Bevölkerung als interne Fremde beschreibt – beziehe sie sich heute hauptsächlich auf eine Bedrohung von außen.

Robin Hood – Retter vor dem Sündenbock.
Rechtspopulistische Parteien ersetzen komplexe Argumente durch einfache und verallgemeinernde Behauptungen. Dazu bedienen sie sich der argumentativen Strategie des Sündenbocks, deren einfache Antwort lautet: Die Anderen sind schuld. Das zeige sich schon in der rhetorischen Figur der Flüchtlingskrise. Wodak betont, dass die Krise nicht durch Flüchtlinge verursacht wird, sondern es sich vielmehr um eine politische Krise, wie Europa mit der Situation umgeht, handle. Gleichzeitig inszenieren sich die Parteien dabei als Robin Hoods, als Retter, die das Problem erkennen und das imaginäre „Wir“, das Volk oder die Nation, vor dem Unheil schützen.

Der Volkskörper im Haus der Nation.
Bei der Konstruktion des „Wir“ als Gegenpol zu den „Anderen“ stehen die homogen wahrgenommene Nation oder das Volk im Zentrum. Die Nation wird als Körper oder Haus verstanden, in das Feinde eindringen. Die rhetorische Figur des Körpers ist nicht neu, sie wurde bereits im Nationalsozialismus verwendet. Die Nation ebenso wie das Volk werde nicht durch politische Kriterien wie Staatsbürger*innenschaft oder Staatsform definiert, sondern über Kultur. Kultur werde jedoch nicht als wandelbar und divers verstanden, sondern als statisch und homogen. Historische, politische und ökonomische Differenzen und Entwicklungen werden ausgeblendet. Von dieser rhetorischen Figur, so Wodak, sei es nur ein Katzensprung zu Zäunen und Mauern.

Vom Tabu zur Normalität.
Erschreckend sei, dass wir uns an rechtspopulistische Rhetorik gewöhnt haben. Wir stumpfen ab. Dadurch wird Übertreten von Tabus normalisiert. Damit es einen gesellschaftlichen und medialen Aufschrei gibt, muss viel mehr passieren als noch vor 20 Jahren, erklärt Wodak. So waren 1993 noch 300.000 Menschen beim Lichtermeer auf der Straße und Österreich wurde von der EU sanktioniert, weil eine rechtspopulistische Partei in der Regierung saß. Heute sind rechtspopulistische Parteien bereits in fast ganz Europa auf Landes- oder Bundesebene beteiligt, ohne dass es einen Aufschrei seitens EU Institutionen oder Zivilbevölkerung gibt. Die Mainstreamparteien setzen dem jedoch nichts entgegen, sondern passen sich weiter nach rechts an. Dies führe keinesfalls dazu, dass die rechtspopulistischen Parteien Stimmen verlieren. Im Gegenteil, ehemalige Tabus werden salonfähig. Das klassische „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ nimmt immer extremere Formen an. Politische Unterscheidungen zwischen links und rechts stellen keine entscheidende Zuordnung mehr dar; an deren Stelle ist eine Diskussion über Werte gerückt. Es wird statt über (ökonomische) Ungleichheiten darüber debattiert, was Werte sind und wer die besseren Werte habe.

Provokation links liegen lassen.
Im Publikum gab es anschließend viele Fragen. Besonderer Bedarf bestand darin zu diskutieren, wie mit rechter Rhetorik sinnvoll umgegangen werden kann. Für Wodak ist ausschlaggebend, auf welcher Ebene man ihr begegne. Um von den Medien trotz einer Normalisierung ehemaliger Tabus aufgegriffen zu werden, provozieren rechtspopulistische Parteien mit immer extremeren Aussagen. Das sei insbesondere bei Wahlen ein typisches Szenario. Andere Akteur*innen reagieren nur, „sie hecheln nach“, so Wodak. Eine bessere Reaktion wäre, sich nicht provozieren zu lassen und eigene Themen vorzubringen. Wodak kritisierte ebenso die Medien. Sie geben den Parolen der Rechtspopulist*innen zu viel Raum. Die Provokation kann berichtet werden, aber es reiche auch, werde sie anstatt als Schlagzeile erst auf Seite zehn gedruckt. Bei einem strafrechtlichen Fall hingegen sollen die rechtsstaatlichen Mittel genutzt werden. In Konfrontation mit rechtspopulistischer Rhetorik in einer direkten Diskussion ist eine zielführende Strategie, auf die Metaebene zu gehen und nicht auf Provokationen einzusteigen, meint Wodak. Das gelinge mit Hinweisen wie „Sie reden nicht zum Thema“ oder „Sie rechnen auf, Sie wiederholen sich“. Besonders gut gelinge das natürlich mit ausreichender Distanz und einer guten Portion Witz und Ironie.

Am Ende blieben trotz angeregter Diskussion noch einige Fragen offen. Wer daher noch mehr erfahren möchte, hat das Glück in Wodaks Buch nun auch auf Deutsch zu schmökern.

Die Autorin, Linnéa Richter, hat Internationale Entwicklung studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.