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CO2lonialismo – der Preis der Emissionen.

Camila Moreno spricht im Zuge der aktuellen Veranstaltungsreihe „Klimapolitik in der Sackgasse?“ vom Kolonialismus des Klimadiskurses.

„Wie kommen wir aus der klimapolitischen Sackgasse?“ Zu dieser Frage lud die Plattform System Change not Climate Change am 26. November 2015 Camila Moreno von der Universidade Federal Rural de Rio de Janeiro. Moderator Ulrich Brand beschreibt Moreno als sehr aktive, anti-hegemoniale Intellektuelle, die selbst publiziert, lehrt und Vorträge hält. Wenn wir die Welt kritisieren wollen, dann brauchen wir diese anti-hegemonialen Intellektuellen, stellt Brand fest. Moreno ist auch Mitglied der brasilianischen Delegation der UN-Klimakonferenz in Paris.

Die dunkle Seite der Klimapolitik.
„Heute möchte ich mit euch die dunkle Seite der Klimapolitiken teilen“, beginnt Moreno ihren Vortrag. Sie verweist auf einen französischen Film mit dem Titel: „Carbon – Public Enemy Number 1“. Moreno stellt eine undifferenzierte Sicht der Thematik fest. Kohle als solche ist ein Element und hat in dieser Form nichts mit der globalen Erderwärmung zu tun. Der Diskurs gehe um Kohlendioxid (CO2).
Kohlendioxid, Wasserdampf, Methan, Stickstoffoxid, Fluorchlorkohlenwasserstoff und Ozon sind Gase, die anerkannt zum Treibhauseffekt beitragen. Sie unterscheiden sich allerdings in ihrer Erderwärmungsintensität.
Methan könne beispielsweise 25-mal schädlicher sein als CO2, aber es bleibe nur für verhältnismäßig kurze Zeit in der Atmosphäre, erklärt Moreno. Es sei also interessant zu fragen, wie dieser Narrativ des CO2 entstanden ist? Denn im Diskurs um globale Erderwärmung ist Kohlendioxid der Maßstab.

Die Entstehung eines Marktes.
Diese Erkenntnis sei ein Meilenstein im Hinblick auf die Klimadebatte, so Moreno. Warum? „Weil wir einen globalen Markt für Kohlenstoffdioxid erzeugt haben“, so die Aktivistin. Man redet von Märkten, von Steuern auf Kohlendioxid, von Preisen und Budgetierung. In der Komplexität dieses Diskurses wird ein Teil segmentiert und an ein kapitalistisches System angepasst. Der Kohlendioxidmarkt sei einer der am schnellsten wachsenden Märkte in der Geschichte des Kapitalismus. Moreno nennt dies eine bedeutende ökonomische Entwicklung. „Die UNDP, sämtliche US-Agenturen, die großen Beratungsfirmen, Kapitalgesellschaften, alle wollen einen Preis auf CO2 erheben“.

Die Geschichte des metrischen Systems.
Moreno unternimmt einen Exkurs in die Geschichte des metrischen Systems. Dieses wurde von den Franzosen in Zeiten des Kolonialismus erfunden, mit dem Ziel den Handel zu vereinheitlichen. 1875 wurde bei der Pariser Meterkonvention das metrische System offiziell eingeführt. Von da an verbreitete es sich rasant. Heute nutzen es alle Länder mit Ausnahme der USA, Myanmar und des Libanon. „In vielen Ländern, wie auch in Brasilien, wollten die einfachen Leute dieses System nicht, da sie die Abstraktion nicht verstanden haben, die Dinge in Relation zueinander setzt“, erklärt Moreno. „Die Einführung eines Standardmaßes und -gewichts war ein starkes imperiales Werkzeug.“

Die Erfindung eines neuen metrischen Systems.
Um den Diskurs zu verstehen, hält die Aktivistin für wichtig zu sehen, dass gerade ein neues metrisches System geformt wird. Es gab in der Geschichte immer verschiedene Gesellschaften, die verschiedene Methoden zum Messen und Wiegen nutzten. Alle Navigationssysteme, die vor dem Zeitalter des Kolonialismus erfunden wurden, seien ohne das metrische System entwickelt worden, erklärt Moreno. Heutzutage jedoch sei das metrische System gesellschaftlich so inhärent, dass Menschen sich darüber definieren. Die internationale Gemeinschaft erlaube die Erfindung eines Systems, welches die Art, wie Menschen denken und Dinge bewerten, transformiere.
Globale Politiken, vor allem im Süden, werden mehr und mehr unter CO2-Maßeinheiten subsummiert. „Regierungen sagen, dass sie nicht nach ideologischen Grundsätzen, sondern nach wissenschaftlichen handeln wollen, sie wollen das CO2-Budget wissen, um objektiv urteilen zu können“, stellt Moreno fest. „Wenn du in Brasilien beispielsweise ein Haus aus Lehm bauen willst, dann wirst du keine Genehmigung dafür bekommen. Es gibt jetzt verschiedene Standards für niedrigen CO2-Ausstoß, die angewendet werden.“

Der grüne Fußabdruck.
Moreno führt als Beispiel auch den grünen Fußabdruck an, der kalkuliert, wie grün man ist. Eine nachhaltige Lebensweise ist natürlich ein Teil der Lösung. Aber man müsse das auch kritisch sehen. Die Hipster-Debatte sei aus soziologischen Gründen interessant. „Es handelt sich um eine Generation, die wahrscheinlich keinen materiellen Besitz hat, stattdessen sammelt sie symbolisches Kapital an.“ Dieser „Erfahrungskapitalismus“, wie die Aktivistin es nennt, führt dazu, dass nur nachhaltige Produkte konsumiert werden, was in vielen Fällen jedoch nur für eine exklusive Gruppe möglich ist, da sich andere Menschen diese Produkte nicht leisten können.
Ferner gehe man davon aus, dass es ein bestimmtes Budget an CO2 gibt, welches jetzt unter den Ländern aufgeteilt werden soll. Dieses Konzept sei eigentlich nicht fair. Als Beispiel nennt Moreno China: „Die Welt-Industrie ist in den letzten dreißig Jahren in Form von großen Firmen nach China übergesiedelt.“ China ist also eigentlich für einen großen Teil seiner Emissionen gar nicht selbst verantwortlich, was in dem Konzept jedoch ausgeblendet wird.
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Mentalität, die zum Zeitgeist passt.
Mit dem Zeitgeist des Klimawandels führt die Metrik des CO2 dazu, dass die Welt in einer komplett mechanischen Weise gesehen wird. Andere Probleme, wie der Verlust der Biodiversität, die Verseuchung durch magnetische Strahlung oder der Verlust des Mutterbodens werden ignoriert. Dies sei das erste Mal in der Geschichte, dass die internationale Gemeinschaft die Weltwirtschaft neu erfinde.

Die Autorin Sarah Nägele hat Kommunikationswissenschaften und Internationale Entwicklung an der Universität Wien studiert und ist Mitglied der GBW-Redaktion.