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Indigener Widerstand in Mexiko gegen rücksichtslose Windkraftpläne.

Im Namen der Green Economy sollen Großprojekte wie Windparks oder Staudämme errichtet werden. Auswirkungen für die lokale Bevölkerung bleiben meist ausgeklammert. Dass dies nicht kommentarlos hingenommen wird, zeigt der Widerstand indigener Gemeinden gegen Windparks in der mexikanischen Region Tehuantepec, Oaxaca.

Die Frauensolidarität und die Grüne Bildungswerkstatt Wien luden am 13. Oktober 2015 gemeinsam zur Veranstaltung „Green Grabbing – wenn der globale Kapitalismus grünt“ ins Centrum für internationale Entwicklung. Auf Einladung von René Kuppe, Professor am Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien, berichteten die Anthropolog*innen Sara Méndez Morales von der mexikanischen Menschenrechtsorganisation Codigo DH und Philipp Gerber von der deutschen Hilfsorganisation medico international über Probleme von Windparkprojekten in Oaxaca, Mexiko. Sie illustrierten anschaulich und lebhaft den Widerstand lokaler indigener Gemeinden. Durch den Abend führte Ursula Dullnig von der Frauensolidarität mit der Unterstützung von Simone Peter als Übersetzerin.

Mexikanische Regierung treibt Industrialisierung im Energiesektor voran.
Den Auftakt machte Philipp Gerber mit einer kurzen Einführung zur Situation Mexikos: Dort setzt die neoliberale Regierung auf die Industrialisierung des Energiebereichs. Politiker*innen brüsten sich mit nachhaltiger Energie. Gleichzeitig gibt es eine Renaissance fossiler Brennstoffe, insbesondere Erdöls. Die Hauptakteure im Energiebereich sind transnationale Konzerne (TNCs). So auch in der Region Tehuantepec, Oaxaca, wo 2000 die ersten Windparks gebaut wurden. Mittlerweile gibt es in der Region 21 Windparks mit über 1300 Windrädern.

Schöne grüne Welt?
Erneuerbare Energien zu fördern, klingt zunächst nach einer sauberen Sache. Doch auch hier kämpft die lokale Bevölkerung sowohl gegen die negativen ökologischen, als auch soziokulturellen Auswirkungen. Méndez Morales räumte ein, dass einige Bewohner*innen vom Landverkauf für die Windparks profitieren. Diejenigen, die Land pachten, verlieren jedoch zunehmend ihre Existenzgrundlage. Das verschärft die soziale Ungleichheit in den Gemeinden. Hinzukommt, dass auf den jetzigen Windparkflächen zuvor häufig Medizinpflanzen wuchsen. Davon sind besonders arme Bevölkerungsschichten betroffen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben und auf alternative Behandlungsmethoden angewiesen sind. Gleichzeitig wird so lokales und kulturelles Wissen vernichtet. Das ist vor allem für Frauen gravierend, die häufig von diesem Wissen leben.

Lokale Bevölkerung bleibt außen vor.
Beide Vortragende hoben hervor, dass sich der Widerstand der Bevölkerung nicht gegen die Windenergie per se richtet, sondern gegen die Art wie die Projekte umgesetzt werden. Die Gemeinden hatten lange weder Mitspracherecht, noch waren sie in den Planungsprozess miteinbezogen. Dies widerspreche der Idee der nachhaltigen Entwicklung, für welche die Projekte stehen wollen. Von der Energie aus den Projekten sehen die Gemeinden, in denen Windparks stehen, nichts. Sie wird direkt an große Supermärkte, Brauereien und Konzerne wie Siemens, Coca Cola, Nissan oder VW geliefert.

Erste Schritte in Richtung Partizipation.
Dank einer Gesetzesänderung ist die Befragung der Bevölkerung vor dem Bau von Windparks verpflichtend geworden. Von November 2014 bis Juni 2015 fand eine solche Befragung für ein neues Projekt statt. Codigo DH überwachte diesen Prozess. Sara Méndez Morales bezeichnet ihn jedoch als „consulta simulada“ – simulierte Befragung: Informationen zu beteiligten Unternehmen und Konsequenzen des Projekts fehlten. Eine wirkliche Partizipation gab es nicht.

Kriminalisierung von Widerstand.
Dass Großprojekte in Konflikt mit den Menschenrechten lokaler Bevölkerung stehen können, ist durch Projekte wie den Staudamm Belo Monte in Brasilien bekannt geworden. Auch im Zuge von Windparks kommt es zu Menschenrechtsverletzungen, so Gerber. Menschen, die Widerstand leisten, sind Kriminalisierung, Haft und sogar Folter ausgesetzt. Diese Situation wird durch die hohe Militärpräsenz verschärft. Mexiko steckt in einer „Menschenrechtskrise“: Menschenrechtsverletzungen bleiben straflos. TNCs und Politiker halten sich dabei gegenseitig den Rücken frei.

Erfolge des Widerstands.
Trotz der gefährlichen Situation konnte der unverminderte Widerstand bereits einen Windpark stoppen. Das Publikum war besonders an den Gründen für den Erfolg des Widerstands interessiert. Gerber sieht verschiedene Aspekte dafür verantwortlich: Ein korrupter Gemeindevorsteher wurde vertrieben, es gab viel Öffentlichkeitsarbeit und ebenso Widerstand sowie den richterlichen Beschluss, dass es zunächst eine Befragung der Bevölkerung geben müsse.

Ungewisse Zukunft.
Im Raum blieb die Frage stehen: Wie geht’s weiter? In das derzeit gekippte Projekt haben verschiedene Konzerne bereits viel Geld investiert, nicht zuletzt, um den korrupten Gemeindevorsteher zu bestechen. Sie werden nicht so schnell aufgeben. Auch welche Konsequenzen aus der ersten Befragung im Zuge des neuen Windparkprojekts gezogen werden, ist noch offen. Eines steht jedoch für die Diskutant*innen fest: Die mexikanische Regierung darf die Gemeinden nicht weiter ignorieren. Ihre Interessen sind zu berücksichtigen. Ihre Forderungen nach Partizipation, Ungleichheit in den Gemeinden zu verringern, sowie Energiepreise zu senken, müssen gehört werden und Menschenrechtsverletzungen endlich Konsequenzen haben.




Die Autorin, Linnéa Richter, hat Internationale Entwicklung studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.