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Landwirtschaft und Klima: kontroverse Lösungsansätze für anhaltende Probleme.

Unser Ernährungssystem hat fatale Auswirkungen auf das Klima. Doch wie kann dieser Problematik am besten begegnet werden? Die Antworten darauf sind teilweise recht widersprüchlich, wie an den Beispielen „Climate Smart Agriculture“ und Agrarökologie deutlich wird.

Im Zuge der wöchentlichen Ringvorlesung „Klimapolitik in der Sackgasse? Kontroverse Perspektiven und zivilgesellschaftliche Ansätze“ werden am 10. November die Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft und Klima sowie mögliche Lösungsansätze diskutiert. Die Referenten dieses Abends sind François Delvaux von der Internationalen Kooperation für Entwicklung und Solidarität (), Brüssel und Ludwig Rumetshofer von der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer*innen Vereinigung ().

Wie sich unser Ernährungssystem auf das Klima auswirkt.
Delvaux geht in seinem Vortrag zunächst auf Klimafolgen von Landwirtschaft und Ernährung ein. So sind Abholzung zur Gewinnung landwirtschaftlicher Flächen und Landwirtschaft an sich für jeweils rund 15% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Werden auch Emissionen berücksichtigt, die durch Transport, Verarbeitung, Verpackung, Einzelhandel und Lebensmittelabfälle anfallen, sind 44 – 57% aller Treibhausgasemissionen auf unser Ernährungssystem zurückzuführen. Einer der Gründe dafür sei die extreme Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. So benötige die Produktion einer Nahrungskalorie bis zu zehn Kalorien an Energie. Dieses Ernährungssystem sei nicht nur hoch klimaschädlich, sondern auch nicht in der Lage Ernährungssicherheit für alle zu gewährleisten.

Klimawandel verschärft Hunger.
Der Klimawandel hat wiederum Rückwirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion: Die Zunahme extremer Wetterereignisse dürfte zu einem Anstieg an Dürren sowie einem Rückgang landwirtschaftlicher Produktivität führen. Der daraus resultierende Produktionsrückgang könnte mit einem massiven Anstieg von weltweitem Hunger einhergehen. Delvaux betont, dass die bisherige Klimapolitik diese Problematik verschärft. So hätten politische Maßnahmen zur Förderung von Agrotreibstoffen deutlich zu den drastischen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln im Jahr 2007/08 beigetragen.

„Climate Smart Agriculture“ als Ausweg?
Das Konzept Climate Smart Agriculture wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ins Leben gerufen, um die mit Ernährungssicherheit und Klimawandel verbundenen Probleme zu bewältigen. Delvaux übt jedoch heftige Kritik an diesem Ansatz. Die Definition dieses Konzepts sei sehr vage und würde keine klaren Kriterien vorschreiben, wodurch eine Climate Smart Agriculture-„freak show“ zu beobachten sei: Unter dem Schlagwort nachhaltiger Intensivierung werden sämtliche Mittel gerechtfertigt, die zu einer Erhöhung der Produktivität führen, zum Beispiel chemische Düngemittel, Pestizide und Herbizide. Argumentiert werde dies damit, dass die landwirtschaftliche Produktivität pro Flächeneinheit erhöht werden muss, um weitere Waldrodungen zu vermeiden. Tatsächlich würden sich auch globale Konzerne wie Monsanto oder McDonalds dieses Konzept auf ihre Fahnen schreiben. Delvaux kritisiert, dass Lösungsansätze wie Climate Smart Agriculture lediglich eine „green-washing“-Strategie für Unternehmen darstellen und nicht bei strukturellen Problemursachen ansetzen. Daher würden sie zu einer Aufrechterhaltung eines ineffizienten und ungerechten Ernährungssystems beitragen und gleichzeitig die weitere Kommodifizierung und Finanzialisierung der Natur vorantreiben. Delvaux spricht sich daher für ein Ernährungssystem aus, das kleinbäuerliche Strukturen bevorzugt und ungleiche Machtverhältnisse überwindet.

Agrarökologie als Alternative.
Im Anschluss daran stellt Ludwig Rumetshofer von ÖBV das Konzept Agrarökologie als alternativen Lösungsansatz zur Klimaproblematik in der Landwirtschaft vor. Dieser Ansatz entwickelte sich im Kontext der internationalen Bewegung , welche die Interessen von Kleinbauern und –bäuerinnen, Landarbeiter*innen, indigenen Bevölkerungsschichten und Landlosen vertritt. Agrarökologie gehe über die Analyse landwirtschaftlicher Produktionsprozesse hinaus und müsse als umfassende Lebensform verstanden werden. Neben einer umweltfreundlichen Lebensmittelproduktion stehen Selbstbestimmung, Autonomie und der Zugang zu Gemeingütern im Zentrum. Gemäß dem Prinzip der Ernährungssouveränität werden kleinbäuerliche Produktionsprozesse angestrebt, welche die Versorgung der lokalen Bevölkerung gewährleisten sollen und auf die Veränderung von Besitz- und Machtverhältnissen abzielen. Da das industrielle Nahrungsmittelsystem als wesentliche Triebkraft der derzeitigen Vielfachkrise betrachtet wird, sei eine Dezentralisierung der Nahrungsproduktion und -verteilung wesentlich.

Produktivitätssteigerungen zur Beseitigung von Hunger?
In der anschließenden Diskussion herrscht eine rege Beteiligung der Studierenden. Unter anderem stellt sich dabei die Frage, welche Rolle Produktivitätssteigerungen zur Beseitigung von Hunger haben. Oft werde das Argument vorgebracht, landwirtschaftliche Produktivität müsse weiter erhöht werden, um den Hunger weltweit zu beseitigen, was wiederum jegliche Maßnahmen zur Produktivitätssteigerungen rechtfertige. Rumetshofer hält dem entgegen, dass es sich hierbei um ein Verteilungsproblem handle. Unser derzeitiges Ernährungssystem sei nicht darauf ausgerichtet, ausreichend Nahrung für alle bereitzustellen, sondern Profite für wenige Konzerne zu maximieren. Delvaux schließt sich dieser Meinung an und fügt hinzu, dass weltweit genug Nahrungskalorien produziert werden, diese jedoch oft im Müll landen oder an Kühe verfüttert werden. Delvaux verweist in diesem Zusammenhang auch auf die hohe Energie- und Emissionsintensität von tierischen Lebensmitteln, insbesondere Fleisch.

Die Autorin, Stefanie Gerold, hat in Wien Socio-Ecological Economics and Policy studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.