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Parolen Paroli bieten?

Ein „Parolentraining zu grüner Verkehrsplanung“ mit Sabine Sölkner.

Am Abend des 20. November 2015 lud die GBW Wien zum Training: Auf sogenannte „Stammtischparolen“ (K.-P. Hufer) sollen Antworten sachlich informiert, rhetorisch geformt und emotional bewusst sein. Das Training leitete die Soziologin und Trainerin in politischer Bildung Sabine Sölkner. Sie legte das von Klaus-Peter Hufer für antirassistische Arbeiten entwickelte Konzept des „Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen“ auf den verkehrspolitischen Diskurs um. Die elf gut gelaunten Teilnehmenden kamen ausschließlich aus grünen Bezirksorganisationen und brachten damit viel Erfahrung von politischen Diskussionen auf den Straßen mit.

Für Klaus-Peter Hufer sind „Stammtischparolen […] selbstgerechte Mitteilungen von Menschen, die meinen, ihre Meinung wäre schon allgemeingültig“. In Wahlkampfzeiten sehen sich unter anderem Parteien-Vertreter*innen mit dem Problem konfrontiert, wie mit solchen Mitteilungen bei politischen Debatten auf der Straße umzugehen ist. So wurde etwa die „Begegnungszone Mariahilfer Straße“ kontrovers diskutiert und nicht selten wurden in den Gesprächen Fakten verdreht oder verfälscht, berichten verschiedene Workshop-Teilnehmer*innen. Doch wie kann man mit solchen Parolen umgehen? Wie ihnen Paroli bieten?

Argumente, Emotionen, Vorurteile.
Sabine Sölkner machte im Workshop klar, dass in einer Diskussion nicht nur das richtige Argument zählt, sondern dieses müssen die Gesprächsteilnehmer*innen als solches zuallererst zulassen. Die Anerkennung eines Arguments fußt nicht nur auf rationalen Überlegungen, sondern wird auch von emotionalen Faktoren und Vorurteilen mitbestimmt, die man selbst meist nicht kontrollieren kann. Um diesen Faktor bewusst zu machen, forderte Sölkner die Teilnehmer*innen zu einem experimentellen Kennenlernen auf: Es sollte sich jede und jeder nicht selbst vorstellen, sondern von einander unbekannten Teilnehmer*innen vorgestellt werden. Dadurch artikulierten sie Vorurteile und Vorannahmen, die auf Äußerem beruhen, und machten sich diese bewusst. Erwartungsgemäß lagen die Einschätzungen der jeweils anderen nicht selten vollkommen falsch.

Dann sammelte und bündelte die Gruppe verkehrspolitische Parolen von „Radfahrer sind rücksichtslos“ über „das Auto ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“ bis hin zu „mit dem Auto ist es bequemer“ in vier Gruppen: (1) Argumente, die das Auto als Opfer darstellen (z.B. „die Autofahrer werden abgezockt“), (2) Argumente, welche die Umwelt ins Zentrum rücken (z.B. „Tempo 30 ist umweltschädlich“), (3) wirtschaftliche Argumente (z.B. „ohne Parkplätze kommen keine Kunden“) und (4) persönliche Argumente (z.B. „das Auto ist schneller“). Schnell merkte die Gruppe, dass die Gesprächspartner*innen „Verkehr“ häufig mit dem Auto gleichsetzten.

Wer fragt, führt.
Auf Grundlage dieser Argumente gab es anschließend eine kleine Probe-Diskussion. In einer gespielten Wirtshaus-Szenerie diskutierten zwei Personen gegen und zwei Personen für den Autoverkehr. Die übrigen Teilnehmer*innen analysierten das Gespräch in Hinblick auf inhaltliche, emotionale und rhetorische Aspekte. Dabei fiel auf, dass es besonders schwierig ist, Argumente der anderen zu entkräften, wenn diese schnell von einem Themenkomplex zum nächsten springen. Dagegen helfe es, aktives Zuhören zu praktizieren: Nicht auf jedes Argument ein Gegenargument finden, sondern Rückfragen stellen. „Kannst du mir vielleicht ein konkretes Beispiel nennen?“ oder ähnliche Fragen, die auf den anderen persönlich eingehen, helfen dabei, die Richtung des Gesprächs vorzugeben. Denn nach einer bekannten Regel führt jene Person, die fragt.

Schließlich komme es in Diskussionsgruppen weniger darauf an, den einzelnen „Gegner“ bzw. die einzelne „Gegnerin“, sondern vielmehr die stillen Zuhörer*innen in der Runde zu überzeugen. „Vielleicht bekommt der andere die Erkenntnis erst viel später“, vermittelt Sölkner Hoffnung, dass argumentative Arbeit doch Früchte tragen kann – wenn auch nicht sofort.

Weiterführendes.
Hufer, Klaus-Peter: „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen“, Schwalbach/Ts., 8. Aufl. 2008.
Hufer, Klaus-Peter und Gwennaelle Mulliez: „“ (Interview), Netzwerk politische Bildung Bayern
„“ bei FES-Online-Akademie, Bonn 2006

Andreas Dittrich ist Redaktionsmitglied der GBW Wien