Auf der Suche nach Wegen aus dem Hamsterrad Arbeit.
Im Zentrum der Tagung „Wozu Arbeit? Solidarische Ökonomien und Commons - neue Formen des Tuns für ein Gutes Leben“ stand die Kritik der Arbeit und die Suche nach Alternativen.
Dass das Unbehagen mit der Arbeit und die Suche nach anderen Formen des Tuns keine Nischenthemen sind, zeigte sich an den vielen Interessierten. Beim Eröffnungspodium musste zusammengerückt werden, damit alle einen Platz finden konnten.
Arbeit ist keine naturgegebene Notwendigkeit.
Über Arbeit zu sprechen, ist sowohl leicht als auch schwer. Das Thema betrifft alle, gleichzeitig erscheint Arbeit aber auch als so naturgegeben und alternativlos, dass sie sich der Diskussion und Kritik entzieht. „Den Unterschied zwischen Tätigkeiten und Arbeit klar auszudrücken, fällt schwer“, so Friederike Habermann in der Begrüßung.
Am Anfang der Tagung stand demnach der Versuch, Arbeit zu definieren und als gesellschaftliches Verhältnis zu entschlüsseln. Tomasz Konicz, freier Journalist und Gesellschaftstheoretiker, machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Perspektive der Arbeitskritik die Kritik der konkreten historisch bedingten Lohnarbeit im Kapitalismus ist. „Das Arbeitsverhältnis ist kein freiwillig gewähltes, vielmehr sind die Menschen zur Lohnarbeit gezwungen, um zu überleben“, so Konicz.
Die Einführung der Lohnarbeit und der Arbeitsdisziplin war ein langer und auch gewaltvoller Weg. Die Grundlage dafür bildete die weitgehende Zerstörung der Subsistenzmöglichkeiten der Menschen. Dies fand vor allem durch die Privatisierung von Allmenden - gemeinsam genutztem und verwaltetem Land - statt. In England nahm dieser Prozess im 13. Jahrhundert seinen Anfang und fand seine Höhepunkte im 15./16. und 18./19. Jahrhundert. Die einzige Möglichkeit zu überleben war damit, seine Arbeitskraft auf dem Markt zu verkaufen.
Krise der Arbeitsgesellschaft.
Um das Kapital zu maximieren, wird im Kapitalismus durch Rationalisierungen versucht, den Arbeitskräftebedarf soweit wie möglich zu minimieren. Der Arbeitsgesellschaft geht damit tendenziell die Arbeit aus und gleichzeitig verschärft sich der Druck auf die Arbeitenden. Konicz begründet diese Absurdität durch den irrationalen Selbstzweckcharakter der Lohnarbeit. „Denn im Kapitalismus geht es nicht darum, durch die Arbeit sinnvolle Güter für die Gesellschaft zu produzieren, sondern allein darum, aus Geld mehr Geld zu machen.“
Die Folge davon ist, dass wir „statt Erfüllung Rückenprobleme, Atembeschwerden und psychische Erkrankungen“ finden, wie der Naturphilosoph Klaus Meyer-Abich im Programmheft zitiert wird.
Betont wurden in den folgenden Beiträgen nicht nur die individuellen Folgen dieses Zwangs zur Beschleunigung, sondern vor allem auch die ökologischen Folgen. Immer mehr Waren müssen unabhängig von ihrem wirklichen Nutzen produziert und gekauft werden. Ausgehend von dieser Logik landen sie so schnell wie möglich im Müll. „Wir arbeiten also vor allem für die Müllhalde“, nimmt Friederike Habermann die Kritik von Marianne Gronemeyer auf und stellt die Absurdität so eindrücklich dar.
Krise der Reproduktion.
Daniela Gottschlich verwies in ihrem Vortrag darauf, dass es nicht nur eine Krise der Arbeit gibt, sondern auch eine Krise der Reproduktion. Sorge- und Subsistenzarbeit würden unsichtbar gemacht, meist nur von Frauen geleistet und ihre Aufrechterhaltung immer schwieriger.
Im Angesicht der großen Bedeutung der Arbeit für unser Leben – soziale Anerkennung, Status und damit menschliche Beziehungen werden maßgeblich durch sie vermittelt – fordert sie mit Brigitte Kratzwald, vom Ganzen der Arbeit zum „Ganzen des Lebens“ zu kommen.
Anstatt Lohnarbeit als „heiligen Gral“ anzusehen, will sie die Frage ins Zentrum rücken, „welche Tätigkeiten braucht unsere Gesellschaft?“ Damit würde ein Raum für Perspektiven geöffnet, die eine sorgende Gesellschaft realisierbar machen, indem sie produktive und reproduktive Tätigkeiten als gleichwertig ansieht.
Wege der Transformation.
Der zweite Tag der Tagung begab sich auf die Suche nach gemeinsamen Wegen aus dem Hamsterrad.
Von den Podiumsteilnehmer*innen wurden Transformationsperspektiven vorgeschlagen, die von Ansätzen der Schenkökonomie bis zu Globalen Sozialen Rechten und einem Bedingungslosen Grundeinkommen reichten.
Gemeinsam war ihnen die Ablehnung kapitalistischer Logiken und die Einsicht, dass nur über eine andere Form des Tuns, jenseits der (Lohn-)Arbeit, eine breite gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden kann.
Dies etwa in Form von Commons, kollektiv und solidarisch organisierte Gemeingüter, in denen sich Menschen frei zusammenschließen, Ressourcen verwalten und Güter produzieren, die gesellschaftlich benötigt werden.
Raum und Zeit für Veränderungen.
Wie im Hier und Jetzt schon mit dieser Veränderung begonnen werden kann, wurde in Arbeitsgruppen vertieft. Ein Ergebnis war, dass Prozesse des Wandels ihre eigene Zeit brauchen: Zeit für Auseinandersetzungen, Experimente und Vertrauensbildung. Außerdem Orte, an denen spürbar ist, wie ein anderer sozialer Zusammenhang aussehen könnte.
Ein solcher Zeit-Raum war die Tagung. Wenn auch nur zwei Tage, so wurden Perspektiven geöffnet, jenseits von (Lohn-)Arbeit zu denken. Auch dies war anstrengend, aber dafür erfüllend.
Raphael Kiczka ist Sozial- und Politikwissenschaftler und sucht als prekärer Wissensarbeiter schon ganz aus Eigennutz nach Alternativen zum Arbeitsregime.