Auflösung des Kapitalismus
Bestehendes Modell durchdenken.
In der ersten Phase sollten sich die Teilnehmer*innen die eigene Vorstellung vom bestehenden System verbildlichen. Elemente innerhalb wie außerhalb des Systems oder eine eindeutige Systemgrenze seien nicht einfach zu benennen. Strukturen samt endgültigen Definitionen sind kaum möglich, da man sich bewusst werden müsse, dass ein Mensch tagtäglich mehrere Rollen im System einnimmt, so Maier. Überlebensnotwendige Basiselemente wie Familie, unbezahlte Arbeit im sozialen Umfeld, oder Kreativität würden im heute bestehenden Kapitalismus nicht entsprechend gewürdigt werden.
Die Definition des Menschen als Verbraucher*in und als Produzent*in treibe Kapitalismus an. Psychischer und materieller Müll als Output des Systems wären Merkmale, an denen er Kritik verdiene, meint Maier. Es sei für das System symptomatisch, dass dem Element Politik beziehungsweise Staat wenig Mitgestaltungskompetenz zugesprochen wird. Angeregte Diskussionen entwickelten sich um die Bedeutung von Geld, Arbeit, Staat, Produktivität und Banken; nicht alle Widersprüche konnten hier von den Teilnehmer*innen aufgelöst werden.
Widersprüche und Ambivalenzen.
„Spiegelt der Staat die Bedürfnisse der Menschen wider, oder identifizieren sich diese mit ihm?“, lautet die rhetorische Frage eines Diskussionsteilnehmers. Er sieht die finanzkapitalistische Organisation des Staates als Widerspruch zu den natürlichen Bedürfnissen des Menschen. Jede*n drücke das System irgendwo, denn dieses lebe vom Mehrwert des Kapitals über das Menschsein hinaus.
Maier meint, es würden nicht nur Produkte für Bedürfnisse hergestellt, sondern auch Bedürfnisse für Produkte. Klaudia Paiha von den Alternativen und Grünen Gewerkschafter*innen ergänzt: „Ein Bedürfnis ist das, was ich als Grundbedürfnis brauche. Ein Unternehmen kann keine Bedürfnisse wecken, aber Wünsche sehr wohl.“ Jemand anderer sieht künstlich geschaffene Absatzmärkte als Problem und Teil des Kapitalismus. Krieg oder Krankheit seien beispielsweise ein wunderbarer Absatzmarkt. Weiters meint jemand, man verhalte sich so, als wäre das n + 1 aus der Mathematik in der Realität unendlich anwendbar. Frage man eine*n Kapitalisten*in, was der höchste Gewinn sei, wäre das mit der Frage an den/die Mathematiker*in vergleichbar, was denn die höchste Zahl sei. Das Geld sei verhandelbar, sagt eine Teilnehmerin, Ressourcen nicht. Man kapitalisiere die Umwelt.
Maier verweist auf die Grenze des Systems, das sich unendlich ausdehnen möchte. „Wir verbinden uns mit der Umwelt und beeinflussen sie über Produkte“, sieht ein Teilnehmer den Grenzübergang. Ohne Rücksicht auf Verluste der eigenen Spezies würden Ressourcen geraubt und umweltschädigende Produkte und Produktionsmittel erzeugt werden. Das System sei totalitär und das Entkommen schwer gemacht, ärgert sich eine Teilnehmerin. Lange Arbeitszeiten mit Überstunden stünden an der Tagesordnung. Dadurch gäbe es keinen Platz für Alternativen. „Hätte man den Neoliberalismus nicht, wäre man über den Kapitalismus froh“, sagt sie.
Das System sei mehrfach abgesichert, so Maier. Eine offene und ironische persönliche Haltung sei notwendig; Handlungsstrategie sollten in systemkritischen Gruppen betrachtet werden. Denn im Streit nach dem „one best way“ würden sich alternative Bewegungen in Widersprüche verwickeln und ohne äußeres Zutun entkräften.
Alternative Modelle und Handlungsstrategien.
Die Teilnehmer*innen haben Handlungsstrategien und Ansatzpunkte erarbeitet. Mit einer Bildungsreform, die Menschen Kooperation statt Ignoranz und Konkurrenz beibringt, könne die Aufmerksamkeit auf wirkliche Bedürfnisse gerichtet werden. Eine bessere Verteilung des Kapitals und die Koordination der Arbeitskraft würde gerechte Steuerverteilung bringen und entlaste Privatpersonen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte der Finanzdiktatur entgegenwirken und Armut als Druckmittel reduzieren. Gläserne Staaten, Konzerne und Produkte, statt gläserner Bürger*innen, würden Korruption vorbeugen und Transparenz erleichtern. Finanzmärkte sollten gedrosselt, viele Lebensbereiche und supranationale Institutionen demokratisiert werden. „Steuern müssten immer höher werden, bis das Geld uninteressant wird“, sagte ein Teilnehmer. Der Mensch sei ein Gesellschaftswesen und suche Anerkennung, auch ohne Geld. Kooperative Unternehmen und Strukturen müssten gesucht werden. Paiha nennt die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln bei Abgang des Kapitals in billigere Standorte und nennt das Motto: „Ihr könnt gehen, die Produktion bleibt da.“
(1) Systems mapping ist ein Werkzeug, mit dem Verständnis, Strategien und Lösungen entwickelt und Wissen generiert werden können. Es ist eine Systemlandkarte aus Wörtern und Blasen mit Pfeilen zu Einflussdiagrammen erweiterbar.
Der Autor, Adam Kaminski, interessiert sich für Sozial- und Geisteswissenschaften.