„Bank für Gemeinwohl“: Anteile zeichnen, Genossenschafter*in werden und mitgründen.
Susanne Nückel vom Vorstand der GBW Wien begrüßt rund 15 Interessierte und stellt Referentin Elke Schlitz als Koordinatorin des Referent*innen-Pools und Leiterin der Bank für Gemeinwohl-Akademie vor.
Aufbauarbeit.
„Ich bin seit November 2013 im Projekt“, sagt Schlitz, ausgebildete Politikwissenschafterin mit vielfältiger Berufserfahrung im Nonprofit-Bereich. Bis Juni 2015 habe sie sich ehrenamtlich engagiert, dann wurde sie angestellt. Insgesamt verfüge das Projekt zurzeit über 13 bezahlte und rund 100 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, darunter auch viele Fachleute: „Aktuell bringen 30 BankexpertInnen ihr Wissen ein.“ Der Aufbau einer Bank-Genossenschaft sei eine große, aber spannende Herausforderung, „technisch wie organisatorisch etwas ganz Neues“.
Gründungsanstoß und Meilensteine.
Nach der Finanzkrise war der Unmut über die gegenwärtige Bankensituation groß. Die EU sozialisierte die Verluste der Banken. Vielen Menschen stieß das sauer auf. Die Sehnsucht nach einer ethischen Alternativbank wuchs. 2010 entstand im Umfeld von Attac die Idee zur Gründung einer solchen Bank. „In Österreich gibt es als einzigem Land der „alten“ EU-Staaten noch keine Ethikbank“, informiert Schlitz. „Gleich zu Projektbeginn gab es mit 600 Vereinsmitgliedern einen riesigen Zulauf.“
2011 entwickelten die Vereinsmitglieder eine Strategie für die Bank, 2012 entschieden sie sich für eine soziokratische Organisationsstruktur. „Bei der Umsetzung unterstützt uns das Soziokratiezentrum Österreich“, so Schlitz. 2013 sei der ursprüngliche Projektname „Demokratische Bank“ für nicht mehr passend empfunden und durch „Bank für Gemeinwohl“ ersetzt worden. Schließlich gelang 2014 der hürdenreiche Eintrag ins Firmenbuch, bevor 2015 die Bank-Akademie mit Infoveranstaltungen zum Geld-, Banken und Finanzsystem ihren Bildungsauftrag wahrzunehmen begann. Der Kapitalmarktprospekt wurde geprüft, fertiggestellt und von der Finanzmarktaufsicht (FMA) genehmigt, schildert Schlitz die Projektfortschritte. Im Juli 2015 wurde das online-Zeichnungstool fertig, die erste Million Euro Genossenschaftskapital geknackt, und im Oktober konnten vier neue Aufsichtsräte dazu geholt werden, die von der FMA für „fit & proper“ befunden wurden.
Ziele, Aufgaben, Produkte.
Hauptfokus des Projekts sei natürlich die Gründung der Bank, sagt Schlitz. Im Vordergrund stünden ethisches Handeln und strategische Mitbestimmung durch die Genossenschafter*innen (Privatpersonen und juristische Personen). Nach dem Leitmotiv „zurück zur Realwirtschaft“ werde die Bank realwirtschaftliche Projekte fördern, die dem Gemeinwohl dienen. „Es wird keine Finanz-Spekulation geben“, betont Schlitz. Geld solle vom Zweck wieder zum Mittel werden. „Die Bank wird sich auf ursprüngliche Kernaufgaben wie Zahlungsverkehr, Einlagengeschäft und Kreditvergabe konzentrieren.“ Bei der Kreditvergabe werde neben der Bonitätsprüfung auch eine Gemeinwohlprüfung stattfinden. Je mehr ein Projekt zum Gemeinwohl beitrage, umso günstigere Kredite würden angeboten. Solche besonders geförderten Projekte seien zum Beispiel gemeinschaftliche Wohnprojekte, Biolandwirtschaft, CSA (community supported agriculture), erneuerbare Energieträger, nachhaltige Projekte.
Mitbestimmung und Transparenz.
„Die Genossenschafter*innen können durch ihr Stimmrecht die Bank strategisch mitentwickeln und aktiv mitbestimmen“, streicht Schlitz hervor. Teilnahme an Generalsversammlungen und Ausübung des Stimmrechts würden sowohl durch physische Präsenz als auch durch online Mitbestimmung ermöglicht. Die Bank werde Transparenz bei der Mittelverwendung und laufenden Kosten (z.B. Personal, Infrastruktur) leben. „Transparenz wird es auch bei den Gehältern geben“, sagt Schlitz. „Die maximale Gehaltsspreizung wird 1:5 betragen“.
Infrastruktur.
Das Tagesgeschäft werde vor allem online laufen, aber: „Eine Niederlassung wird es in Wien geben und dazu regionale, mobile Kreditberatung.“ Call Center und regionale Info-Büros seien ebenfalls vorgesehen. Auf ein kostenaufwändiges Filialnetz hingegen wolle die Bank verzichten. Stattdessen sei ein punktuelles Einmieten bei Gemeinwohl-Unternehmen geplant. Konten bekämen vorerst nur die Genossenschafter*innen. Derzeit halte das Projekt bei rund 3.200 Genossenschaftsmitgliedern, informiert die Referentin. Bis zu 40.000 seien das Endziel.
Ab 200 Euro ist man als Genossenschafter*in dabei.
Die Gründe, Genossenschafter*in zu werden, sind vielfältig. „Als Genossenschafter*in leistet man einen Beitrag, damit es diese Ethikbank überhaupt geben kann“, sagt Schlitz. Unabhängig von der Höhe des Zeichnungsbetrags (mindestens 200 Euro = 2 Geschäftsanteile müssen gezeichnet werden, maximal 100.000 Euro = 1.000 Anteile) habe man ein Stimmrecht und könne so aktiv die Strategie der Bank mitgestalten. Darüber hinaus möchte die Bank, die sich auch als gesellschaftliche Akteurin versteht, als Vorbild wirken: nämlich als zivilgesellschaftliche, zukunftsweisende Alternative für Unternehmensführung auf Basis demokratischer Prozesse. „Wichtig ist uns außerdem, einen fairen Umgang mit Kund*innen und Mitarbeiter*innen vorzuleben“, betont Schlitz.
„Im Worst Case einer Rückabwicklung bei Scheitern des Projekts käme es für Genossenschafter*innen zum Verlust ihrer Einlage plus der Nachschusspflicht“, erklärt Schlitz. Weil es sich bei der Bank juristisch gesehen um eine „Freie Genossenschaft“ handle, müsste im Worst Case noch einmal die Höhe der Einlage nachgeschossen werden. Das Projekt wirtschaftet aber sehr sparsam, die Rückzahlquote betrüge derzeit rund 75%.
2 Millionen Euro-Grenze geknackt.
„Momentan halten wir bei zwei Millionen Euro Genossenschaftskapital.“ Für einen Konzessionsantrag würden normalerweise fünf Millionen reichen, aber weil das Projekt so neu und speziell sei, verlange die FMA hier sechs Millionen. „Im Jahr 2017 wollen wir mit der Geschäftstätigkeit beginnen und bis dahin 15 Millionen Euro Kapital eingesammelt haben.“ Damit sei ein Sicherheitspuffer eingepreist.
Links.
Projekt Bank für Gemeinwohl
online zeichnen
Die Autorin, Karina Böhm, hat Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Wien und São Paulo studiert. Sie ist Chefin vom Dienst und Mitglied des GBW-Redaktionsteams.