Bedingungsloses Grundeinkommen auf dem Prüfstand.

Karoline Bloderer
Zwischen 14. und 20. September 2015 fand die achte Internationale Woche des Grundeinkommens statt. Dazu gab es auch in Wien einige Veranstaltungen, darunter eine Podiumsdiskussion am 19. September im Burgkino. Unter der Moderationsleitung von Gabriele Kienesberger, Mitarbeiterin der Katholischen Sozialakademie Österreich, diskutierten die Podiumsgäste und etwa 25 Besucher*innen über Chancen und Probleme des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).
Zunächst stellt Klaus Sambor vom „Runden Tisch Grundeinkommen“ die Eckpunkte eines BGE vor. Jeder Mensch würde von Geburt bis zum Lebensende monatlich vom Staat eine Zahlung erhalten, die bedingungslos, allgemein, personenbezogen sowie existenz- und teilhabesichernd sein sollte. Das BGE müsste so hoch sein, dass neben der Existenzsicherung auch die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben ermöglicht wird.
Bedingungsloses Grundeinkommen zur Armutsbekämpfung?
Nach dieser kurzen Einführung berichtet Krastyo Petkov, Präsident der Union der Ökonom*innen in Bulgarien, über die Entwicklung des BGE in Bulgarien. Obwohl Bulgarien als ärmstes Land der EU gilt, spiele die Diskussion um das BGE eine vernachlässigte Rolle. Den Grund dafür verortet Petkov in der vorherrschenden neoliberalen Doktrin in Wissenschaft und Politik. Zudem sei die Zivilgesellschaft in Bulgarien nur wenig entwickelt und es mangle oft am Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge. Wertvolle Forschungsergebnisse verspricht sich Petkov von einem Pilotprojekt, das in einem kleinen Dorf mit multiethnischer Bevölkerung durchgeführt werden soll. Die Einwohner*innen, von denen ein Großteil unter der Armutsgrenze lebt, erhalten im Rahmen des Projekts für einen begrenzten Zeitraum ein BGE.
Tatsächlich gibt es bereits Erfahrungen, was den Einsatz eines Grundeinkommens zur Armutsbekämpfung betrifft. In der anschließenden Diskussion wird als Beispiel Namibia genannt, wo im Jahr 2008 in zwei Dörfern ein BGE eingeführt wurde. Das Projekt war ursprünglich auf zwei Jahre angelegt und wurde im Anschluss daran durch Spendengelder fortgeführt. Da die Mittel jedoch nicht ausreichend waren, wurden die monatlichen Beträge zunächst gesenkt, bevor die Auszahlungen im April 2015 vollständig gestoppt wurden. Durch dieses Pilotprojekt konnten durchwegs positive Veränderungen erzielt werden: Mehr Kinder gingen regelmäßig zur Schule und die Leistungen von Gesundheitsstationen wurden häufiger in Anspruch genommen (beides nicht kostenfrei). Zudem sank die Zahl unterernährter Kinder, und die Eröffnung einiger kleiner Geschäfte trieb das Wirtschaftswachstum an.
Das bedingungslose Grundeinkommen aus gewerkschaftlicher Sicht.
Ein weiterer Schwerpunkt der Podiumsdiskussion ist die gewerkschaftliche Position zum BGE. In der Schweiz wird 2016 eine Volksabstimmung zur Einführung des BGE durchgeführt werden. Die Volksinitiative wird aktiv von SYNA, der zweitgrößten Gewerkschaft in der Schweiz, unterstützt. Zentralsekretär Kurt Regotz meint dazu, dass Gewerkschaften ihr Ziel der Vollbeschäftigung möglicherweise neu definieren müssten. Vielleicht hieße Vollbeschäftigung in Zukunft nicht, dass alle einer Erwerbsarbeit nachgehen, sondern dass jedeR in dieser Welt gemäß den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen leben könne. Als Zusammenschluss christlicher Gewerkschaften sei die SYNA der christlich-sozialen Ethik verbunden und unterstütze daher das BGE aus der Überzeugung heraus, dass die Wirtschaft für den Menschen da sein sollte und nicht umgekehrt.

Karoline Bloderer
Eine etwas andere Position vertritt hingegen David Mum, Leiter der Grundlagenabteilung der österreichischen Gewerkschaft GPA-djp. Im Fokus der gewerkschaftlichen Arbeit stehe Verteilungsgerechtigkeit sowie die Neubewertung und -verteilung von Arbeit – sowohl bezahlter als auch unbezahlter Arbeit. Diese Ziele würden sich zwar mit jenen der BGE-Aktivist*innen decken; jedoch sind für Mum Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzung zielführender. Mum sieht das BGE kritisch, da es zwar die unbezahlte, meist von Frauen geleistete Arbeit aufwerten würde, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung jedoch verfestigen würde. Auch was die gesellschaftliche Durchsetzbarkeit und die Finanzierbarkeit des BGE betrifft, äußert sich Mum kritisch. Die Einführung eines BGE könnte zudem zur Folge haben, dass eine gesellschaftliche Spaltung zwischen jenen entsteht, die mit dem BGE auskommen und jenen, die zusätzliche Erwerbsarbeit leisten und mit ihren Steuerleistungen das System finanzieren.
Werner Rätz von ATTAC Deutschland begegnet diesen Einwänden, indem er Überschneidungspunkte zwischen Gewerkschaften und BGE-Vertreter*innen aufzeigt. So schlägt Rätz eine Energie-Grundversorgung sowie gesellschaftliche Infrastrukturen vor, die als Teil eines BGE gesehen werden könnten. Der langjährige Verfechter des BGE räumt jedoch ein, dass ein BGE die Rolle von Gewerkschaften durchaus einschränken könnte. Die emanzipatorische Wirkung des BGE würde die individuelle Verhandlungsmacht von Arbeitnehmer*innen stärken, während kollektivvertragliche Lohnverhandlungen möglicherweise an Bedeutung verlieren könnten.
Die Autorin, Stefanie Gerold, hat in Wien Socio-Ecological Economics and Policy studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.