Bio-Lebensmittel - Ausweg aus der industriellen Landwirtschaft oder Marketing-Schmäh?
Bis in die 1980er-Jahre hatte ein großer Teil der städtischen Bevölkerung noch Verwandte am Land, viele halfen sogar noch am Wochenende oder in den Ferien am Bauernhof mit. Für jene, die diesen direkten Draht nicht hatten, gab es eine Fülle an lokalen Angeboten des kleinen Lebensmittelgewerbes der Greißler, Bäcker und Fleischer vor Ort.
Heute dominiert der Supermarkt, wo Nahrung neben Kunststoffwaren und chemischen Produkten verkauft wird. Dabei ist das Verständnis für natürliche Vorgänge vielfach verloren gegangen – Verunsicherung durch Lebensmittelskandale, fehlendes Wissen oder mangelnde Erfahrung macht sich breit. In dieser Situation spielt der Biolandbau eine zunehmend wichtige Rolle, weil er den Menschen wieder die Natürlichkeit ihrer Nahrung verspricht. gleichzeitig mit der Erfolgsgeschichte der Biovermarktung gibt es aber auch verstärkt kritische Stimmen, die vor einem Ausverkauf der Bio-Idee und einer Reduzierung auf bloßes Marketing warnen.
Kritik an Bio von allen Seiten?
Die konventionelle Kritik an BIO greift immer einzelne Aspekte heraus und versucht zu zeigen, dass die besonderen Anstrengungen und Auflagen der Biolandwirtschaft überflüssig sind – z.B. die Produkte nicht gesünder sind, oder dass Schadstoffe ohnehin durch die Luft verfrachtet werden. Doch gehen solche Argumente ins Leere: Biolandbau ist ein ganzheitliches Bewirtschaftungsmodell mit vielfältigen Wirkungen. Der Biolandbau erhält und schafft gesunden Boden als Voraussetzung für gesunde Pflanzen, Tiere und Menschen.
Kritik an der heutigen Umsetzung von BIO kommt auch von jenen, denen die Dominanz der Supermärkte im Bio-Geschehen — sie machen etwas mehr als 90 Prozent des österreichischen Bio-Umsatzes aus — zu weit geht. Sie übersehen jedoch die enorme Dynamik, die dadurch in Österreich entstanden ist. Klar bleibt es wünschenswert, dass viele KonsumentInnen möglichst direkt von den Biobäuerinnen und Biobauern versorgt werden. Als verantwortungsvoller Politiker ist es mir aber besonders wichtig, dass die Bäuerinnen und Bauern, egal in welcher Vermarktungsweise, einen kostendeckenden Preis für ihre Produkte erhalten und gleichzeitig Bio-Lebensmittel für die KonsumentInnen erschwinglich bleiben!
Bio! Europaweit
Der Biologische Landbau ist in Europa bereits einheitlich gesetzlich anerkannt. Dies ist ein wichtiger Schutz gegen TrittbrettfahrerInnen und Pseudo-Bio-SchwindlerInnen, denn die Herstellung, Kennzeichnung und Kontrolle von Produkten aus biologischer Landwirtschaft sind ebenso geregelt wie die Haltungsbedingungen und die Fütterung von Biotieren.
Die heute europaweit gültige Definition von biologischer Landwirtschaft ist sicher kein Endpunkt, aber sie ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Einige Biobauern-Organisationen haben, ebenso wie manche Bio-Handelsmarken, schon heute darüber hinausgehende zusätzliche Standards. Auch bei der Saat- und Tierzucht ist im Bio-Bereich noch viel zu tun. KonsumentInnen, die heute Bio kaufen, beschleunigen die Weiterentwicklung des Biosegments und sie tun sich und ihrer Umwelt ganz konkret etwas Gutes!
Ökologische Leistungen – Vorteile von Bio
Biologischer Landbau hat viele positive Auswirkungen für eine Gemeinschaft, sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht: Schutz des Grundwassers, denn die biologische Bewirtschaftung ist die sicherste Sanierungsmaßnahme für Trinkwasserschutzgebiete; Artenschutz durch höhere Artenvielfalt sowohl bei Kulturpflanzen als auch bei den Beikräutern; Bodenschutz durch Verminderung der Erosion durch Bodenaufbau; Vermehrung der organischen Substanz im Boden durch eine bodengebundene Tierhaltung und Tierschutz durch eine artgerechte Tierhaltung, die es den Tieren weitgehend erlaubt, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.
Deutlich geringere Pesitzidbelastung
Selbst die GegnerInnen des Biolandbaus (bzw. Metastudien über wissenschaftlich schwer zu erfassende Gesundheitliche Effekte von Bio-Lebensmitteln) bestätigen seit Jahren: Bio-Produkte enthalten keine oder deutlich geringere Mengen an Pestiziden.
Zusätzlich gelten in Österreich Bio-Grenzwerte gemäß österreichischem lebensmittelcodex A8, die um den Faktor 1000 niedriger sind als für konventionelle Lebensmittel. Bei Überprüfungen zeigt sich, dass diese Vorgaben auch eingehalten werden.
Weitere Qualitätsparameter sind ebenso relativ gut abgesichert: z.B. ein höherer Phosphorgehalt der Bio-Lebensmittel, bei Bio-Milch höhere Omega 3 Fettsäuregehalte, weniger Mykotoxine und auch weniger Pestizide im Urin von Kindern, die sich biologisch ernähren. Auch weniger antibiotikaresistente Bakterien in Bio-Hühnern und Bio-Schweinen sind sicherlich zum Vorteil der KonsumentInnen.
Ökologischer Fußabdruck von Bio-Produkten in Österreich
Der Biolandbau gilt ganz besonders im Hinblick auf den Klimaschutz als Leitbild für eine ökologisch orientierte, nachhaltige Landwirtschaft. Die Fixierung von fossilem CO2 aus der Atmosphäre durch die höheren Humusgehalte im Boden, die deutlich geringeren Treibhausgas-Emissionen und der effiziente Einsatz von fossiler Energie sind wichtige Beiträge zum Klimaschutz, die der Biolandbau schon jetzt leistet. Eine flächendeckende Umstellung auf biologischen Ackerbau könnte den Beitrag zum Klimaschutz um ein Vielfaches erhöhen. Daher forderte ich bereits 2008 in einem Antrag, den Biologischen Landbau als zukunftsweisendes agrarpolitisches Leitbild im Landwirtschaftsgesetz festzuschreiben. Leider wurde unsere Initiative 2011 von den Regierungsparteien abgelehnt.
Der große Unterschied zwischen einem durchschnittlichen Biobetrieb und einem vergleichbaren konventionellen ergibt sich vor allem bei den chemisch-synthetischen Düngemitteln und Pestiziden, die mit hohem Energieeinsatz hergestellt und im konventionellen Anbau eingesetzt werden. Sie sind im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass der ökologische Fußabdruck zum Beispiel von konventionell produzierten Äpfeln mehr als fünf Mal höher ist als der von biologisch hergestellten.
Eu-Bio-Logo – einheitliche Kennzeichnung, 100% gentechnikfrei
Für die KonsumentInnen maßgeblich sind vor allem die Bestimmungen zur Kennzeichnung von Biolebensmitteln. Bioprodukte müssen seit 1.7.2012 verpflichtend mit dem EU-Bio-Logo etikettiert werden. Zusätzliche Logos – z.B. von Bio-Austria oder das Ama-Biozeichen sind selbstverständlich zulässig. Als weiteren ganz wesentlichen Punkt regelt die EU-Bioverordnung außerdem die absolute gentechnikfreiheit für den Biobereich. Die einzige Ausnahme davon gilt für Tierarzneimittel. Daher können Biobäuerinnen und Biobauern ihre Produkte zusätzlich als gentechnikfrei ausloben.
Bio jetzt – Ja, es geht!
Der Biolandbau ist eine Landbewirtschaftungsmethode mit einer großen Vielfalt an verschiedenen Betriebsformen, Produktionszweigen und Vertriebswegen. Zu einer gesellschaftlichen Alternative zum agrarindustriellen Weg benötigt die biologische Landwirtschaft die aufmerksame Anteilnahme der KonsumentInnen, Innovation und Kritikfähigkeit auf Seiten der Biobäuerinnen und Biobauern, sowie eine praxisnahe biologische Forschung. Wir treten daher für eine Agrarwende in Europa ein und fordern eine Bio-Offensive für die österreichische Landwirtschaft!
Wolfgang Pirklhuber (Landwirtschaftssprecher der Grünen im Nationalrat)