Brazilian Identities: Theaterlabor für Frauen.

Elisabeth Bernroitner
Am 23. Oktober lud der Verein für grenzüberschreitende Kulturarbeit und Forschung „globalista“ zum Thementag „Brazilian Identities“ in das WUK.
Neben einem vielfältigen Kulturprogramm – Capoeira für Kinder, Filmscreenings, eine Lesung und Livekonzerte – boten unterschiedliche Initiativen und Vereine an Infotischen Beratung an. Unter anderem berieten die Schwarze Frauen Community, Women Against Violence Europe (WAVE), die Beratungsstelle für Migrantinnen (LEFÖ), der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, die AIDS Hilfe Wien, die ARGE Dicke Weiber und viele mehr.
Brasilianische Gastronomie, Kunsthandwerk und selbstgebastelter Schmuck rundeten das Programm ab. Zentraler Teil der Veranstaltung war das von Birgit Fritz geleitete Theaterlaboratorium für Frauen: „Laboratorió Madalena“.
Theater der Unterdrückten.
Basierend auf dem methodischen Instrumentarium des „Theaters der Unterdrückten“ (TdU), entwickelten brasilianische Frauen das „Laboratorió Madalena“, um sich in ihrer Theaterarbeit ausschließlich mit Frauen, deren Körpern und Geschichten auseinanderzusetzen.
Die theatrale Arbeit richtet sich vor allem gegen Gewalt an Frauen und versucht, patriarchale Strukturen zu analysieren und diesen entgegenzuwirken. Wie auch beim TdU, das der brasilianische Regisseur und Theatertheoretiker Augusto Boal entwickelte, soll der Mensch die Gestaltung der Welt in seine eigenen Hände nehmen und durch das Überwinden von strukturell erlernter Angepasstheit die Veränderung von Unterdrückungsstrukturen ermöglicht werden.
Wie schon bei Brecht soll Realität nicht nur dargestellt, sondern als veränderbar wahrgenommen werden. Theater hat demnach das Erkennen sozialer Probleme und das Entwickeln von Lösungsstrategien zum Ziel.

Elisabeth Bernroitner
Theaterlaboratorium Madalena.
Als Ausgangsbasis für ihren Madalena-Theaterworkshop auf deutsch und portugiesisch schafft Birgit Fritz im Projektraum des WUK ein Bühnenbild, das den Teilnehmerinnen aus Mexiko, Kolumbien, Venezuela, Großbritannien, Deutschland und Österreich als Ort der Begegnung und des Spiels dienen soll. An den Wänden inspirieren stereotype Frauenbilder und Gegenstände, von Barbiepuppen und Unterwäsche bis hin zum Dirndl, zur kollektiven Kreativarbeit.
„Theater ist ein Forschungsinstrument, ein Vergrößerungsglas der Gesellschaft“, sagt Fritz. „Du musst erst wissen, was du tust, erst dann kannst du es verändern. Nur wenn man weiß, wie man selbst Gewaltstrukturen unterstützt, kann man neue solidarische Strukturen schaffen.“
In diesem Sinne ist der Ablauf des Workshops in drei Schritte gegliedert.
In Schritt 1 geht es vor allem darum, den eigenen Körper zu spüren, ihn sich wieder zu eigen und damit nutzbar zu machen. Theater wird hier benutzt, um zu erfahren, wie es einem selbst geht – erst dann könne man Solidarität zeigen.
Schritt 2 dient dazu, die Ausdrucksfähigkeit mit dem Körper zu stärken und diesen zu aktivieren. „Es fließt zu viel Energie in angelernte Sprachen, wie das Höflich- und Nett-Sein“, sagt Fritz. Dies soll durch einen Prozess der Bewusstmachung verändert werden. Mit Wahrnehmungsübungen wie der sogenannten „kolumbianischen Hypnose“, bei der eine Person mit der Nase der Hand des Gegenübers folgt, als wäre die Hand ein Magnet, sollen die Teilnehmerinnen zu ungewöhnlichen, neuen Bewegungsformen inspiriert werden. Diese erfordern kooperatives Verhalten und respektvollen Umgang aller miteinander.

Elisabeth Bernroitner
Quem sou eu? Wer bin ich?
Aufbauend darauf ist es das Ziel, sich in Schritt 3 im Rahmen kleiner Theaterinterventionen in einen Dialog mit der Gemeinschaft zu begeben.
Zu diesem Zweck konstruieren die Teilnehmerinnen eine weibliche Person. Jede Teilnehmerin kann aus ihrer eigenen Erfahrung oder Fantasie einen Baustein zur Biografie hinzufügen.
„Damit stärkt man das Kollektiv“, erklärt Fritz.
Basierend auf den gemeinsam entwickelten biographischen Eckdaten werden von den Teilnehmerinnen nun in Gruppen Bilder aus der Vergangenheit, Bilder gegenwärtiger Reaktionen der Gesellschaft sowie Zukunftsträume und Sehnsüchte der erdachten Frau als lebendige Gemälde, sogenannte „Tableaux Vivants“ inszeniert. Da Sprache dafür nicht vonnöten ist, haben alle Frauen im gleichen Maße die Möglichkeit sich auszudrücken. „Da es sich um eine Theatertradition handelt, die gereist ist, ist sie in sich niederschwellig und transkulturell“, betont die Workshopleiterin.
Zum Abschluss lädt Birgit Fritz alle Teilnehmerinnen ein, den Workshop als Auftakt- beziehungsweise Impulsveranstaltung für eine gemeinsame weitere Theaterarbeit und eine mögliche Präsentation des Erarbeiteten beim Frauentheaterfestival in Argentinien 2015 zu sehen.
Die Autorin Elisabeth Bernroitner ist Kulturarbeiterin im KunstSozialRaum Brunnenpassage und Doktorandin der Kultur- und Sozialanthropologie.
Buchtipp.
Fritz, Birgit. InExActArt - Das autopoietische Theater Augusto Boals. Ein Handbuch zur Praxis des Theaters der Unterdrückten.
Links.
Birgit Fritz
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Schwarze Frauencommunity
WAVE - Women Against Violence Europe