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Cannabis. Ein unverzichtbares Medikament – Freigabe wofür und für wen?

Dies war der Titel des gleichnamigen Podiumsgesprächs am 11. Juni zwischen Diana Witzani, Sprecherin der Jungen Grünen, und Franz Mayrhofer, Grüne ÄrztInnen. Eine Veranstaltung im Rahmen der Bildungsreihe 2015 der Grünen SeniorInnen Wien und der Grünen Bildungswerkstatt Wien.

Cannabis als Medikament.
Mayrhofer grenzt anfangs die Verwendung von Cannabis in der Medizin von der generellen Legalisierungsfrage ab. Diese Unterscheidung sei wichtig, weil die Diskussion darüber auf unterschiedlichen Ebenen stattfinde. In der Medizin steht die Verabreichung des Medikaments als Schmerzmittel im Vordergrund. „Es ist bemerkenswert, dass andere Schmerzmittel wie Morphium, die sehr viele Nebenwirkungen haben, kaum infrage gestellt werden und nicht dieselbe Diskussion hervorrufen wie Cannabis”, so Mayrhofer.

Der Arzt weist auf die Rechtslage in Österreich hin, die auch im medizinischen Bereich derzeit nur synthetisch hergestellte THC-Präparate toleriert. Tetrahydrocannabinol (THC) bezeichnet hier den hauptsächlich rauschbewirkenden Bestandteil der Hanfpflanze. Diese Produkte kommen bei einer großen Palette von Beschwerden zum Einsatz. So hilft Cannabis aufgrund der appetitfördernden, schmerzlindernden, entkrampfenden und stimmungsfördernden Wirkung bei chronischen Schmerzen, bei Krebspatienten begleitend zur Chemotherapie, bei Spasmen, Appetitlosigkeit, oder Muskelverspannungen. Außerhalb der anerkannten Gebiete könne sich eine Verabreichung aber schwierig gestalten, da Ärzt*innen durch die verstärkte Kontrolle in dem Bereich ein nicht unerhebliches Risiko eingehen, meint Mayrhofer. Zudem wird die Medikamentation in dem Fall nicht von der Krankenkasse getragen, und synthetische Cannabinoide sind sehr teuer. Viele Patient*innen können sich das nicht leisten. Im Vergleich dazu kann natürliches Cannabis sehr günstig hergestellt werden.

Mit seiner Bemerkung, dass die Medizin der stimmungsaufhellenden Wirkung von Cannabis jedoch ablehnend gegenüber steht: „Eine Medizin, die Spaß macht, das wollen wir ja nicht!“ erntet Mayrhofer Schmunzeln aus dem Publikum.

Reine Kopfsache.
Die zentrale Frage, ob Cannabismedikamente süchtig machen können, verneint Mayrhofer. Auch abseits medizinischer Anwendung kann Cannabis körperlich nicht abhängig machen, sind sich Witzani und Mayrhofer einig, das sei „reine Kopfsache“. Nebenwirkungen seien insofern vorhanden, als dass Patienten nach der Einnahme nicht fahrtüchtig sind. Außerdem können Konzentrationsschwierigkeiten und „Stimmungssituationen“, wie Mayrhofer sagt, auftreten.

Dennoch gibt es Krankheitsbilder, wie beispielsweise Schizophrenie oder Herzkrankheiten, bei denen kein THC-Produkt verabreicht werden soll. Cannabis könne zwar nachweislich keine Psychose auslösen, wohl aber psychotische Schübe fördern, warnt Mayrhofer.

Ein offener Umgang ist wünschenswert!
Witzani und Mayrhofer stimmen überein, dass eine liberalere, weniger „verklemmte“ Debatte bezüglich der Legalisierung wünschenswert wäre. Es gibt jedoch laut Mayrhofer „Schritte in die richtige Richtung“ und Gesetzesentwürfe, welche die Verwendung von natürlichem Cannabis im medizinischen Bereich vorbereiten.

Witzani geht in ihrem Vortrag weg von der medizinischen Debatte und erörtert die möglichen Vorteile einer generellen Legalisierung, auch als Rauschmittel. Sie weist darauf hin, dass im internationalen Vergleich immer offener mit dem Thema umgegangen wird, Colorado sei in diesem Kontext nur eines der prominentesten Beispiele. Der US-Bundesstaat hat Anfang des Jahres 2014 den Verkauf von Cannabis komplett legalisiert. Portugal beispielsweise führte 2001 eine Entkriminalisierung aller Drogen ein und Statistiken zeigen heute, dass sich dies entgegen aller Befürchtungen bewährt hat. Portugal schneidet im europäischen Vergleich von Drogenmissbrauch überdurchschnittlich gut ab.

Aufklärung statt Propaganda.
Witzani  hält deshalb ein Plädoyer für mehr Aufklärung statt sinnloser Propaganda. Für die Aufklärungskampagne der Jungen Grünen, die sich bereits 2014 für eine Legalisierung von Cannabis einsetzten, hätten sie viel positive Resonanz erhalten. Ein wichtiger Grund für die Legalisierung sei zudem die Vermeidung der Kriminalisierung von Jugendlichen.

Legalisierung könne Transparenz und Kontrolle schaffen, die dem besseren Schutz der Jugendlichen diene. Außerdem beklagt die junge Politikerin die Verteufelung von Cannabis im Vergleich zu anderen Suchtmitteln wie Alkohol und erntet damit Zustimmung aus dem Publikum.

Mit dem wirtschaftlichen Nutzen einer Legalisierung weist die Sprecherin der Jungen Grünen zudem auf einen Aspekt hin, der oft unbeachtet bleibt: Wenn Cannabis legal verkauft wird, wird es auch versteuert. Die Grundüberlegung solle dabei jedoch ein staatlicher Anbau sein, um Profitinteressen auszuschließen, meint Witzani.

Das Recht auf Rausch.
Im Anschluss an die Vorträge folgt eine heitere und lebendige Diskussion, bei der die Frage aufkommt: „Warum ist es denn so erstrebenswert, Cannabis zu konsumieren?“

Witzani betont daraufhin, dass es natürlich weiterhin eine persönliche Entscheidung bleibe. „Aber Menschen haben verschiedene Bedürfnisse und warum sollte nicht jeder ein Recht auf Rausch haben? Der eine trinkt sein Achtel Rotwein und der nächste raucht lieber einen Joint.“ Die größten Gegner einer Legalisierung, trotz bewiesenen medizinischen Nutzens als Schmerzmittel ohne signifikante Nebenwirkungen seien die Pharmaindustrie und die Alkoholindustrie. Beide befürchten Profiteinbußen und übersehen bewusst den Nutzen für die Gesellschaft, als Patient*in oder mündige Bürger*in. Insbesondere die Verwendung von natürlichen Cannabinoiden in der Medizin wäre eine günstige Innovation im Schmerzmittelbereich.

Die Autorin, Sarah Nägele, studiert Kommunikationswissenschaften und Internationale Entwicklung und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.