Der harte Griff der Konzerne und wie wir ihn lockern.

GBW
Der Autor und Aktivist Klaus Werner-Lobo spricht am 7. Mai 2015 in der Grünen Bildungswerkstatt (GBW) über das „Schwarzbuch Markenfirmen“, über ungleiche Verteilung und über Engagement. Gemeinsam mit Hans Weiss deckt er in seinem Buch auf, wie multinationale Konzerne ihre Profite möglichst schnell maximieren. Die beiden Autoren gehen den Geschäftsgeheimnissen der größten Unternehmen nach. Die Ergebnisse ihrer Recherchen sind in ihrem Buch veröffentlicht.
Bayer und der Tantalhandel.
Um die Zusammenhänge von Bayer mit dem größten Krieg seit 1945, der seit 1998 mehr als sechs Millionen Menschen im Kongo das Leben gekostet hat, beweisen zu können, gab er sich als Rohstoffhändler aus, erzählt Klaus Werner-Lobo. Zwar ist der Öffentlichkeit bekannt, dass die kriegerischen Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo ihre Waffen aus dem Handel mit Rohstoffen finanzieren. Weiters wissen wir, dass das Land 80 Prozent des weltweit verfügbaren Tantals, welches beispielsweise für die Produktion von Handys benötigt wird, unter seiner Erdoberfläche vergraben hält. Dass H. C. Starck, eine ehemalige Tochter des deutschen Konzerns Bayer, 60 Prozent dieses Tantals weltweit verarbeitet, wissen nur die wenigsten. Verständlicherweise gibt der Konzern, der inzwischen an ein amerikanisches Investment-Unternehmen verkauft wurde, nicht preis, woher all sein Tantal stammt.
Hier beginnt Klaus Werner-Lobo nachzuforschen. Als vermeintlicher Rohstoffhändler und Freund der Rebellen im Kriegsgebiet kontaktiert er mehrere Lieferanten von Bayer und bietet ihnen ein Geschäft über billiges Tantal an. Schon am nächsten Tag kann er zwölf Interessenten verzeichnen. Um nachzuweisen, dass solche Geschäfte Gang und Gäbe sind, reist der Aktivist in den Kongo. Dort bekommt er durch mehrere Gespräche die Kontakte eines deutschen Geologen, der gleichzeitig der größte Zwischenhändler im Tantalhandel ist. Dieser bestätigt tatsächlich, dass er seit vielen Jahren Tantal aus dem Kriegsgebiet im Ostkongo an H. C. Starck verkaufe.
Wie sich das Geld vermehrt, obwohl es nicht arbeitet.
Leider sind solche fatalen Geschäftspraktiken kein Einzelfall. Ganz im Gegenteil: Sie betreffen alle multinationalen Konzerne. Denn deren erklärtes Ziel ist es, möglichst viel Rendite in kurzer Zeit für ihre Anleger zu erwirtschaften. Diese legen ihr Geld bei den Konzernen an und lassen es dann für sich arbeiten. Spätestens seit der Krise der letzten Jahre wissen wir jedoch, dass Geld, entgegen aller Erwartungen, nicht arbeiten kann. Wenn das Geld eines Konzerns trotzdem mehr wird, so bedeutet das, dass andere Menschen dafür arbeiten und ausgebeutet werden. Am besten funktioniert das, indem die Produktion in jene Teile der Welt ausgelagert wird, in denen es einfach ist, ungestraft Menschenrechte und Umweltstandards mit Füßen zu treten. Das Auslagern von Arbeitsschritten zur Gewinnmaximierung mache einen multinationalen Konzern erst zu einem solchen, so die Analyse des Vortragenden.
Wenn also ein Anleger von Bayer ein Plus zu verzeichnen hat, dann nicht, weil sein Geld arbeitet, sondern, weil Kinder unter schlimmsten Bedingungen in den Tantalminen des Kongo schuften und die Verelendung der Region als Kollateralschaden in Kauf genommen wird. Und wenn wir uns jedes Jahr ein neues Handy kaufen können, dann auch aus eben diesem Grund.
Die Verteilung der Güter, unser Platz im System ...
Die Systematisierung solcher gewinnorientierter Praktiken kennen wir alle unter dem Namen Kapitalismus. Seine Globalisierung hat dazu geführt, dass heute die zwei reichsten Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte allen Vermögens angehäuft haben. Währenddessen muss die Hälfte aller Menschen mit weniger als einem Prozent des Vermögens dieser Welt auskommen.
Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen wir, die durchschnittliche Mittelschicht der Industriestaaten. Wir machen diese Wahnsinnsherrschaft einiger weniger erst möglich, indem wir sie dulden. Es liege an Angstmacherei und Hetze, dass wir das fatale Spiel der Ungleichverteilung mitspielen, meint Klaus Werner-Lobo. Denn von allen Seiten wird versucht uns einzubläuen, dass die ärmste Hälfte der Bevölkerung gefährlich sei und uns unsere privilegierte Position streitig machen wolle. Die Versuche aufzuzeigen, dass es in Wirklichkeit die sehr kleine, aber mächtige, reiche Minderheit ist, die unsere Welt gefährdet, werden untergraben und als radikal abgestempelt.
... und wie wir beides ändern können.
Kein Grund zu verzagen, zeigt sich Klaus Werner-Lobo überraschend optimistisch. Es habe sich trotz alledem einiges getan und vieles habe sich in eine positive Richtung bewegt durch das Engagement kleiner, aber organisierter Gruppen. Man denke an die Arbeiter*innenbewegung, die Frauenbewegung und viele andere.
Er könne kein Rezept für die Bekämpfung menschenverachtender Ungerechtigkeit verschreiben, stellt der Aktivist klar. Die Grundhaltung der Solidarisierung mit den Schwächeren oder den zu Schwächeren gemachten sei jedoch ein erster Baustein für eine bessere Welt. Jeder und jedem müsse dabei bewusst sein, dass eine solche Einstellung unweigerlich zu einem Konflikt mit den Hauptprofiteuren des Systems führt. Denn sie bedeutet, dass wir ihren Reichtum verringern und gerecht verteilen müssen.
Klaus Werner-Lobo erreicht mit diesem Vortrag zweierlei: Er empört die Anwesenden über die Ungleichverteilung der Güter, die maßlose Ausbeutung von Menschen und über ein System, das Angst vor eben diesen Ausgebeuteten schürt. Gleichzeitig macht er Mut, sich dem zu widersetzen und sich für eine menschenfreundliche Welt zu engagieren.
Diese beiden Energien in Taten umzusetzen, liegt in der Verantwortung eines jeden von uns!
Die Autorin Johanna Rachbauer ist Mitglied der Redaktion der GBW Wien.
Links:
http://markenfirmen.com/