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Ein Kommentar zum Brexit von EU-Abgeordnete Monika Vana

Mit dem in letzter Minute geschlossenen Abkommen zwischen den EU-VerhandlerInnen und Großbritannien bleibt der britischen Wirtschaft zwar das große Chaos erspart. Gewinner kennt der Brexit trotzdem keine: die fast 50 Jahre währende EU-Mitgliedschaft des UK geht nun nach der fast einjährigen Übergangsphase endgültig zu Ende. Maßgebliche gesellschaftliche Errungenschaften für Millionen von EU-BürgerInnen sind damit Geschichte: Personenfreizügigkeit, Anerkennung von Berufsabschlüssen, Erasmusteilnahme Studierender. Nur die Europäische Krankenversicherungskarte bleibt – vorläufig. Ein Erfolg der EU-VerhandlerInnen: für den Zugang zum EU-Binnenmarkt mit 450 Millionen VerbraucherInnen darf Großbritannien EU-Standards wie z.B. im Umweltschutz, Sozial-, Beschäftigungs- und Beihilfenbereich nicht unterlaufen („level playing field“, einer der Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen). Ein Misserfolg: dies gilt nicht für künftig geänderte (verbesserte) Standards (wie es bspw. im Europäischen Wirtschaftsraum der Fall wäre). Auch aus der EU-Zollunion tritt Großbritannien endgültig aus.

Einer der für uns, Grüne, wichtigsten Punkte: Nordirland erhält einen Sonderstatus und bleibt enger an die EU gebunden als der Rest des Königreichs. Es bleibt zu hoffen, dass der so hart errungene Friede zwischen Irland und Nordirland gewahrt bleibt.

Es ist natürlich zu begrüßen, dass nach monatelangem zähem Ringen schlussendlich ein Handelsvertrag zwischen zwei jahrzehntelangen Partnern zustande kommt. Andererseits wird hier aufgrund der späten Einigung in letzter Minute ein 2.000 Seiten dickes Vertragswerk über die Weihnachtsfeiertage durch die Institutionen gepeitscht: 27 Mitgliedstaaten müssen ratifizieren, das Europaparlament prüfen und zustimmen. Wir, Europaabgeordnete, waren zwar über die Verhandlungen durch Chefverhandler Michel Barnier laufend informiert, dennoch hat das EP beim Abschluss von Drittstaatsverträgen nur Zustimmungsrecht zum ausgehandelten Text (kein Mitentscheidungsverfahren). Ein Umstand, der bei der bevorstehenden Konferenz zur Zukunft Europas dringend geändert werden sollte. Das Europaparlament wird Anfang des Jahres über den Brexit-Vertrag abstimmen.

Der Brexit ist eine Zäsur in der Europäischen Geschichte, die Auswirkungen gar nicht zu ermessen, politisch, wirtschaftlich und für Europas BürgerInnen. Aber eine Festungsmentalität nützt keiner Seite, das würde nur den nationalistischen und populistischen Kräften erneut in die Hände spielen. Die Zugbrücken zwischen EU und Großbritannien dürfen nicht hochgefahren werden. EU und Großbritannien müssen möglichst enge PartnerInnen bleiben, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch und vor allem im Sinn von Europas BürgerInnen.

27.12.2020