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Feminismus und Islam: Und über allem die Kopftuchdebatte.

„Es braucht Solidarität mit den gemäßigten Muslimen, die extreme Positionen und Bekleidungsvorschriften ablehnen.“, erklärte Saïda Keller-Messahli im Wiener Depot.

„Ich lebe einen selbstbestimmten Feminismus, ich trage mein Kopftuch, weil ich es will und ich brauche mich dafür nicht zu rechtfertigen. Danke, aber ihr braucht mich nicht davon zu befreien.“, aus dem Publikum im Wiener Depot.

Für viele Feminist*innen bleibt das Kopftuch dennoch Symbol für Sexismus und Unterdrückung. Sie verstehen es als Zeichen für kulturellen und sozialen Druck, der Frauen in vielen Gesellschaften zu Sexobjekten reduziert. Und noch schlimmer: Kinder und Jugendliche tragen auch in Europa Kopftücher. Mit diesen bedecken sie, was sie in den Augen von vielen Männern zu „heiratsreifen“, dh sexuell aktiven Frauen macht.??

Am Freitag den 21. Oktober 2016 war im Depot in der Wiener Breitegasse Saïda Keller-Messahli zu Gast. Im Rahmen der Reihe „Geschlechterverhältnisse und Einwanderungsgesellschaft“ sprach sie zu „Feminismus und Islam. Welchen Einfluss hat Religion auf Geschlechterrollen?“ Moderator Albert Steinhauser führte das zahlreich erschienene Publikum durch einen anregenden Abend. Saïda Keller-Messahli ist Gründerin und Präsidentin des „“, Literatur- und Filmwissenschaftlerin. Sie stammt ursprünglich aus Tunesien und lebt seit ihrem achten Lebensjahr in der Schweiz.

??Wahhabismus als Exportschlager und die Ignoranz der Linken.?

Saïda Keller-Messahli sieht vor allem den globalen Vormarsch der „Islamischen Weltliga“  und dessen „wahhabitische“ Unterwanderung europäischer Werte durch einen von Petrodollar gesponserten politischen Islam als Gefahr für unsere aufgeklärte Gesellschaft. Mit einem Jahresbudget von etwa einer Milliarde Dollar „kauft“ diese Organisation – bei der auch die Türkei Mitglied ist - bereits vorhandene Strukturen wie Moscheen und islamische Kulturzentren, um einen rigiden, reaktionären Islam saudischer Prägung in Europa, aber auch zum Beispiel in Lateinamerika, zu forcieren. Ziel sei es, den Wahhabismus, also die saudische Staatsdoktrin, als einzige Wahrheit zu etablieren, so Keller-Messahli. Dieser politische Islam habe dabei nichts mit Religiösem oder Spiritualität zu tun, er sei ein politisches Exportgut, um Einfluss und Macht reicher Golfstaaten zu erweitern, sowie deren politische als auch moralische Interessen zu stärken. Keller-Messahli kritisiert die Tabuisierung dieses Themas durch die Linke. Hier komme ein Kulturrelativismus zum Tragen, der nur zu gerne Sexismus in der christlich geprägten Kultur Europas anprangere, den in islamisch geprägten Communities Europas aber ignoriere. „Wenn ich jedoch jemanden ernst nehme, dann kritisier ich den auch!“ Während rechte Parteien den so heterogenen Islam und seine vielseitigen Traditionen nicht nur sehr gut kennen, sondern eigene Referenten und Arbeitsgruppen damit beschäftigen, stößt in Anbetracht dessen die Ignoranz linker Parteien auf Unverständnis bei Keller-Messahli. Diese würden sich mit der reaktionären Seite des Islam in Europa nicht beschäftigen, ihn nur unzulänglich kennen.??

Frauen als pathologische Obsession im Islamismus.?

In Keller-Messahlis nordafrikanischer Heimat wurde für sehr lange Zeit ein toleranter Islam gelebt, erst durch das Erstarken militanter Islamisten kam das Frauen unterdrückende, gewalttätige System zum Tragen, das wir heute kennen. Mit seinem dualistischen Prinzip von rein und unrein, gut und schlecht, bürdet diese konservative Lesart des Islam Frauen die „Schuld“ auf, nicht zuletzt für die eigenen (männlichen) sexistischen Vorstellungen von Frauen. Ihr Körper, ihre Sexualität sollen diese Männer nachgerade zu sündigen Handlungen „verführen“, also müsse der Körper verhüllt und verschleiert werden: Die Frau als allgemeiner, ordinärer Sündenfall. In vielen Familien, so Keller-Messahli weiter, herrscht deshalb eine beklemmende Atmosphäre, in der schon Mädchen beeinflusst werden, Kopftücher zu tragen und somit ebenfalls zu („heiratsfähigen“) Sexobjekten gemacht werden. Dieser Entwicklung gelte es auch in Europa vermehrt entgegen zu treten. Hier nimmt sie vor allem die hiesige Politik in die Pflicht, die bei diesen besorgniserregenden Entwicklungen nichts unternehme und mit falscher Toleranz Menschenrechte und Integration vernachlässige. Es dürfe von Migranten durchaus mehr gefordert werden. „Wir brauchen nicht mehr islamische Kindergärten, wir brauchen Zugeständnisse an europäische Werte. Die werden aber in islamischen Communities weniger werden, solange wahhabitische „Wanderprediger“, finanziert von der „Islamischen Weltliga“ europäische Muslime in ihren Moscheen erreichen. Hier sieht sie eine große Gefahr von Parallelgesellschaften: „Wir sind hier in Europa, nicht in Saudi Arabien. Es sollte nicht Gegenstand unserer Diskussion sein, ob Siebenjährige Kopftücher tragen dürfen. Unsere Gesellschaft muss strenger zu diesen Muslimen sein.“ Die Scheinheiligkeit auf beiden Seiten gehöre beendet, sagt Keller-Messahli. So sieht sie im österreichischen Islamgesetz einen durchaus legitimen Versuch, den Islam ausländischer -  also saudischer - Prägung möglichst klein zu halten. ??

Ein Saudisches Geschäftsmodell.?
Der Wahhabismus dient durchaus auch als exportorientiertes Geschäftsmodell. Obwohl 90 Prozent aller Muslime liberal sind und nicht in diese von reaktionären Organisationen besetzten Moscheen gehen – „denn dort herrscht Apartheid gegen Frauen“ – stellt eben dieses Geschäftsmodell eine Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Der Einfluss dieses Saudischen Exports ist groß, und unsere Gesellschaft könne dem am besten mit Solidarität entgegen wirken. Solidarität mit jenen 90 Prozent, die nur allzu gerne bei uns als respektierte, gleichbehandelte Mitglieder unserer Gesellschaft behandelt werden wollen, und die mit diesem Islam der Extreme nichts anfangen können.??

Der Autor, Tobias Natter, hat in Wien Internationale Entwicklung studiert und ist Mitglied der Redaktion der Grünen Bildungswerkstatt Wien.