Festplattenabgabe vs. Kultur-Flatrate.
Das Urheberrecht ins 21. Jahrhundert holen.
Für Moderator wie Diskutanten steht bereits eines zu Beginn fest: Ob die Nutzung geschützter Werke im Internet pauschal über eine Festplattenabgabe oder lieber doch durch eine Kultur-Flatrate abgegolten werden soll, ist eine oberflächliche Stellvertreterdiskussion. Marco Schreuder bringt das Dilemma auf den Punkt: Weltweit wird über ein dem 21. Jahrhundert angemessenes Urheberrecht diskutiert, aber noch gibt es nirgends ein neues Modell.
Symptomatisch erscheint da der Vorstoß von Kulturminister Josef Ostermayer zu Gunsten der Festplattenabgabe, den er nach harscher Kritik nun nochmals prüfen lassen möchte. Für Wolfgang Zinggl ist dies ein Zeichen für eine Politik, die Themen möglichst schnell erledigen möchte, es dabei möglichst vielen recht machen soll, aber inhaltlich nicht in die Tiefe geht. So gebe es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EUGH), dass Entgelte für Privatkopien nicht für Kopien gelten können, die aus illegalen Quellen stammen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Frage Festplattenabgabe oder Kultur-Flatrate irrelevant, denn beide Modelle bringen für Internet-Nutzer*innen keine Rechtssicherheit.
Paul Stepan führt zum EUGH-Urteil weiter aus: Dieses habe die Situation zusätzlich verkompliziert. Es brauche dringend eine europäische Regelung, die verhindert, dass normale Internetnutzung illegal sein kann. In Österreich habe bislang gegolten, dass eine Privatkopie auch aus einer illegalen Quelle legal beziehungsweise nicht strafbar ist. Nach Ansicht der Richter in Luxemburg gibt es aber keinen legalen Download aus einer illegalen Quelle. Dadurch könne man fast keine Werke mehr mit einer Pauschale für Privatkopien erfassen. Aufgrund von Kopierschutzmaßnahmen existieren bei Filmen und E-Books de facto keine legalen Privatkopien mehr und legale Musikangebote nutzen Lizenzvereinbarungen. So bleibt in der digitalen Welt praktisch nur noch die Aufnahme mittels Festplattenrekorder, für die eine Abgeltungsregelung schlagend würde. Alles andere ist illegal und kann nach dem Spruch des EUGH nicht abgegolten werden.
Hier hakt Joachim Losehand ein. Für ihn ist das Modell der Privatkopie überholt, denn es greift in der digital vernetzten Welt nicht mehr. Es entstammt einer Zeit, in der Musik aus dem Radio aufgenommen und maximal einem kleinen Kreis von bis zu zehn Freunden zugänglich gemacht wurde. Aber heute könne niemand mehr kontrollieren, wie viele Menschen ein geteiltes Bild auf Facebook zu sehen bekommen. Er fordert daher, statt der Privatkopie die nichtkommerzielle Nutzung in den Vordergrund zu stellen, die zukünftig über ein Flatrate-Modell abgegolten werden könne.
Kulturschaffende, Unterhaltungsindustrie und Verwertungsgesellschaften.
Marco Schreuder lenkt die Diskussion Richtung Unterhaltungsindustrie. Diese habe offensichtlich den Zug der Zeit verschlafen und sich nicht auf die veränderte Situation eingestellt. Es sei bezeichnend, dass das erste kommerziell erfolgreiche legale Musikangebot im Internet vom Computer-Konzern Apple aufgebaut wurde – und nicht von der Musikindustrie. Nach dessen Start sei die Nachfrage nach illegalen Musikangeboten stark zurückgegangen. Er stellt daher die provokante Frage: „Brauchen wir überhaupt ein neues Urheberrecht, nur weil es die Industrie nicht auf die Reihe bekommt?“
„Auf jeden Fall brauchen wir ein neues Urheberrecht“, hält dem Zinggl entgegen. Die Unterhaltungsindustrie habe zwar ein Problem mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche, aber die jetzige Rechtssprechung gebe der Industrie letztlich Recht und kriminalisiere die breite Masse. „Die Politik hat hier großen Handlungsbedarf“, so Zinggl.
Man müsse verstehen, dass die globale Unterhaltungsindustrie von einigen wenigen, sehr behäbigen Major Labels dominiert wird, die kaum unter Konkurrenzdruck stünden, erklärt Stepan. Diese Konzerne hätten sich im 20. Jahrhundert zu perfekten Logistikketten entwickelt, die praktisch am gesamten Entstehungsprozess eines Werkes verdient hätten. Wenn eine CD zehn Euro kostet, dann landen über die verschiedenen Produktions- und Vertriebsschritte neun Euro beim Label und einer beim Künstler. Wird jedoch ein Album als Download verkauft, entfällt vieles davon. Während Künstler und Verwertungsgesellschaften weiterhin den einen Euro bekommen, bleiben dem Label nur noch zwei. Sie haben daher eigentlich überhaupt kein Interesse auf diesem Weg zu verkaufen. Google hätte ein Heer von Anwälten fünf Jahre lang mit den Major Labels verhandeln lassen müssen, bevor es seinen eigenen Musikdienst starten konnte. Ein Startup-Unternehmen könne sich so etwas nicht leisten. Daher fordert Stepan gesetzliche Lizenzen nach dem Vorbild der Radios oder des Buchhandels. Dann könne sich jeder Händler einfach registrieren und Musik sowie Filme legal zum Kauf anbieten.
Darüber hinaus brauche es laut Stepan ein starkes Urhebervertragsrecht, das Künstler*innen gegenüber der Unterhaltungsindustrie stärkt. Bei der Forderung nach der Festplattenabgabe seien die Kreativen ja eine Allianz mit der Industrie gegen die Konsument*innen eingegangen, und haben das Urhebervertragsrecht vernachlässigt. Losehand bekräftigt, dass es unbedingt Mindeststandards für die Ausgestaltung von Verträgen zwischen Künstler*innen und Industrie brauche. So sei es notwendig, eine maximale Laufzeit für Verträge festzulegen, damit nach deren Ablauf neu verhandelt werden könne. Für Zinggl sind Künstler*innen heute „in der gleichen Situation wie Arbeitnehmer*innen im 19. Jahrhundert“. Wegen fehlender Standards würden sie sich laufend gegenseitig unterbieten und oft zu Dumpingpreisen an „Rechteverwerter“ verkaufen. Es sei Aufgabe des Staates, die Schwachen zu schützen, und das seien in diesem Fall eindeutig die Kulturschaffenden. Zudem sei es notwendig, die Verwertungsgesellschaften transparent zu machen, um die prekäre Situation vieler Künstler*innen zu verbessern. Denn niemand, ergänzt Stepan, könne nachvollziehen, wie die Einnahmen genau verteilt werden. Aber man kann davon ausgehen, dass 90 bis 95 Prozent der Gelder jeder Verwertungsgesellschaft an nur fünf bis zehn Prozent ihrer Künstler*innen fließen.
Der Autor, Thomas Mördinger, hat Kommunikations- und Politikwissenschaften studiert und ist Redakteur der GBW Wien.
Links.
vibe!at – Verein für Internet-Benutzer Österreichs
FOKUS – Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien