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Generationenvertrag – gibt es den noch?

Ist der Generationenvertrag noch finanzierbar? Was gibt es für Gestaltungsmöglichkeiten, und sollten wir uns nicht lieber als solidarische Gesellschaft verstehen? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigten sich Vortragende und Publikum im Rahmen der Podiumsdiskussion im Wiener Hilfswerk.

Am 16. September 2015 diskutierten dort die Journalistin Nora Aschacher, Serafin Fellinger (Junge Grüne), Karl Öllinger (Grüne Bildungswerkstatt), Christine Mayrhuber (WIFO), Judith Schwentner (Grüner Parlamentsklub) und Birgit Meinhard-Schiebel (Grüne SeniorInnen).

Generationenvertrag – ist das noch leistbar?
Zu Beginn des Abends stellt Moderatorin Nora Aschacher die Vortragenden und sich selbst vor. Dann richtet sie die Frage in die Runde, ob der Generationenvertrag noch finanzierbar sei. Birgit Meinhard-Schiebel bejaht grundsätzlich, allerdings komme es auf die Voraussetzungen und die Gestaltung an. Sie betont, dass die Transferleistungen der Generationen untereinander – Eltern unterstützen Kinder, Kinder unterstützen Eltern – ein wichtiger Faktor sei, der nicht in Frage gestellt werden dürfe. Auf die Frage, ab wann Transferleistungen nicht mehr tragbar seien, antwortet Meinhard-Schiebel: „Bei zu niedrigen Pensionen oder prekären Beschäftigungsverhältnissen.“ Der Generationenvertrag gehe ja davon aus, dass alle durch das Umlagesystem ausreichend versorgt sind.

Solidarische Gesellschaft.
Judith Schwentner beleuchtet den ideologischen Ursprung des Begriffs „Generationenvertrag“. Sie verweist darauf, dass Bürger*innen in jeder Lebenslage abgesichert sein sollten – ob alt oder jung, erwerbslos oder erwerbstätig. Sie bevorzugt deshalb den Begriff der „solidarischen Gesellschaft“, die Verantwortung für alle trägt, und dabei transparent sein sollte. Es gebe jedoch auch andere relevante Aspekte, etwa ob man in die richtigen Jobs investiere, findet Schwentner. Zudem warnt sie, dass die zunehmende Kürzung von Sozialleistungen zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft führen könne.

Ökonomisch gesehen.
Christine Mayrhuber erklärt, dass Generationenvertrag aus realwirtschaftlicher Perspektive schlichtweg eine Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen bedeute. Der Generationenvertrag werde immer mit dem  Umlagesystem konnotiert, dem sei aber nicht so. Selbst wenn alle Altersleistungen und Transfers über den Generationenvertrag finanziert würden, bräuchte man dennoch eine junge Generation, die produziert, aber nicht alles konsumiert. So können Menschen, die einen Altersbezug haben, am Markt ihre Güter und Dienstleistungen bekommen, so Mayrhuber. Die Ökonomin kritisiert allerdings den Begriff Generation, da er zu ungenau sei und genderspezifische Differenzen vollkommen aus dem Bild lasse. Sie plädiert für eine differenzierte Aufschlüsselung: Wer bekommt wieviel warum?

Lebt die ältere Generation auf Kosten der jungen?
Aschacher  fragt Serafin Fellinger, ob er glaube, dass die Alten auf Kosten der Jungen leben, weil sie ihnen Schulden hinterlassen. Dieser verneint und stellt fest, dass es weder eine Ressourcenknappheit noch zu wenig arbeitende Menschen gebe. Die Finanzierung betreffe sowohl junge als auch alte Menschen, ein Kind könne sich ja genauso wenig selbst ernähren wie jemand, der bereits die Pension angetreten hat. Man sollte zur Frage zurückkehren, was man für die einzelnen Menschen erreichen wolle, so Fellinger. Schwentner wirft ein, ob der Druck „zu funktionieren“ nicht sehr auf der jungen Generation laste. Fellinger bejaht gewisse Zukunftssorgen, die sich aber eher auf die Jobsuche beziehen. Das Pensionsthema sei momentan noch nicht sehr präsent. Aus dem Publikum kommt als weiterer Einwurf, dass  schon sehr lange diskutiert werde, ob der Generationenvertrag noch leistbar sei. Letztendlich gehe es immer darum, dass der erwerbstätige Teil der Gesellschaft diejenigen versorge, die nicht arbeiten können. Heute gebe es vielleicht mehr Pensionist*innen, doch früher gab es dafür wesentlich mehr Kinder, die mitversorgt wurden. Zudem haben die Alten den Jungen zwar Schulden, aber auch Infrastrukturen hinterlassen und das seien reale Werte, die Schulden teils auch kompensieren.

Das grüne Pensionsmodell.
Aschacher erinnert, dass Österreichs Pensionssystem auf drei Säulen fußt: der gesetzlichen Pensionsvorsorge, der betrieblichen Altersvorsorge und der freiwilligen privaten Vorsorge. Von Karl Öllinger, der wesentlich an der Erarbeitung des Grünen Pensionsmodell beteiligt war, möchte sie wissen: „Was sieht das grüne Pensionsmodell vor?“ Laut Öllinger war der grundsätzliche Gedanke, ein einheitliches und transparentes System zu schaffen. Jeder erhält dieselbe steuerlich finanzierte Grundpension für die Existenzsicherung. Diese beträgt etwas über 800 Euro. Zusätzlich wird die Versicherungspension nach versicherungsmathematischen Regeln individuell berechnet. Diese Berechnung erfolgt einheitlich und nicht geschlechterspezifisch getrennt. Seit der Idee des grünen Pensionsmodells sei das System aber ohnehin schon einheitlicher geworden, auch wenn Änderungen nur sehr langsam beschlossen würden. Mayrhuber weist darauf hin, dass das grüne Pensionsmodell mit dem Gedanken der bedingungslosen Grundsicherung den Leistungsgedanken unserer Gesellschaft untergräbt. Redner*innen und Publikum begrüßen diesen alternativen Ansatz.

Im Laufe des Abends wird deutlich, dass der Generationenvertrag ein sehr komplexes Thema ist, das grundsätzlich wichtig bleibt. Die Frage nach Gestaltung und Neuausrichtung erweist sich allerdings als Herausforderung. Die kann vielleicht nur gemeistert werden, wenn die politische Debatte ihren Horizont erweitert und auch unkonventionelle Lösungsansätze in Betracht zieht.

Die Autorin, Sarah Nägele, hat Internationale Entwicklung und Publizistik an der Uni Wien studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteam.