Gesunde Lebensweise und Elektronische Gesundheitsakte (ELGA)
Gesundheitsförderung, eine lebensbegleitende Aufgabe.
Birgit Meinhart-Schiebel betonte: Wenn man sich bereits in jungen Jahren gesund ernährt und regelmäßig bewegt, so kann man dies auch im Alter weiterführen. Die liberale Forderung nach Selbstverantwortung greife aber zu kurz. Es sei eine politische Verantwortung, niederschwellige, betreute und für alle erreichbare Fitness-Programme bereit zu stellen.
Gesunde versus ungesunde Ernährung?
Die Teilnehmenden waren sich einig: Sich gemeinsam bewegen, wie auch immer, fällt leichter. In der Frage der gesunden Ernährung schieden sich jedoch die Geister. Während einige Teilnehmer*innen die Vorzüge von vegetarischer Ernährung lobten, ließ Franz Mayerhofer mit seinem unorthodoxen Postulat „aus der Gesundheitsperspektive betrachtet, gibt es keine gesunde und ungesunde Ernährung“ aufhorchen. Demnach könne man im Prinzip essen was man will, solange man gesund sei und sich nicht extrem einseitig ernähre. Bei gegebenen Gesundheitsproblemen wie etwa Diabetes sei aber eine Adaption der Ernährung geboten. Meinhart-Schiebel hingegen plädierte für ausgewogene Kost mit viel Obst und Gemüse und generelles Maßhalten anstelle von Fastenkuren.
Neben der Frage, wie sich Ernährung auf die Gesundheit auswirkt, kam auch der Ethikaspekt zur Sprache: Aufgrund der generell ressourcenintensiven Fleischproduktion, insbesondere aber jener von Tierfabriken, sei es oberstes Gebot, den Fleischkonsum zu reduzieren. Überernährung werde durch die Lebensmittelindustrie ökonomisch gesteuert. Daher sei es umso wichtiger, dass gesundes Essen von klein auf gelernt werde, schloss Meinhart-Schiebel den Kreis.
Elektronische Gesundheitsakte (ELGA)
Mit dem Informationssystem ELGA wird per Jahresende 2013 Anbieter*innen von Gesundheitsdiensten (Ärzt*innen, Apotheker*innen, Therapeut*innen etc.) der Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglicht. Es enthält sämtliche gesundheitsrelevante Informationen der sozialversicherten Bürger*innen. Da dieses umstrittene umfangreiche Gesetzeswerk zwar beschlossen sei, aber noch viele Fragen in Sachen Umsetzung offen lasse, gelte es nun, sich den Herausforderungen zu widmen, erklärte dessen Kritiker Franz Mayerhofer. Er beschrieb die Systemlogik der ELGA aus der Perspektive der Ärzteschaft, um sich anschließend der Diskussion mit den Grünen Senior*innen zu stellen.
Automatische Erfassung aller Bürger*innen im Kassensystem.
Anstatt einer freiwilligen Teilnahme in einem Opt-In-System fiel die Entscheidung zugunsten eines für die Systembetreiber*innen finanziell attraktiveren Opt-Out-Systems. Dies macht die Registrierung in einem Widerspruchsregister erforderlich, wenn man nicht oder nur eingeschränkt erfasst werden möchte. Vertragsärzte*innen der Krankenkassen sind verpflichtet, diagnostische und therapeutische Daten ihrer Patienten*innen in ELGA einzutragen, es sei denn, Patienten*innen bezahlen die Behandlung aus eigener Tasche. Vertraulichkeit bzw. die ärztliche Verschwiegenheit wird so zu einem Kostenfaktor.
Wird das neue System ökonomisch effizienter?
Ärzt*innen und Apotheker*innen werden verpflichtet, die gesamte Patientenakte zu prüfen. Dadurch sollen einerseits kostenintensive Mehrfachbefundungen in der öffentlichen Versorgung vermieden werden. Diese lassen sich allerdings mit der kurzen Halbwertszeit vieler Befunde, beispielsweise eines Blutbildes begründen. Zudem werden 40 Prozent aller Befunde zur Absicherung gegen allfällige Klagen erhoben. Andererseits soll die Patientenakte auch der Praxis des häufigen Wechsels von Ärzt*innen entgegen wirken und damit auch verhindern, dass mitunter verschiedene, inkompatible Medikamente verschrieben werden oder Allergien übersehen werden. Ärzt*innen beklagen vor allem den hohen Zeitaufwand, der mit einer Verpflichtung zur Prüfung der gesamten Akte einhergeht.
Datenschutz -Bedenken.
Ärzt*innen geben zu bedenken, dass selbst das individuelle Medikamentenprofil Rückschlüsse auf Diagnosen zulässt. Zwar sei es Arbeitgeber*innen gesetzlich untersagt, ohne Erlaubnis auf diese Information zuzugreifen. Es könne aber vorkommen, dass Betriebsärzt*innen im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung nach der eCard fragen. Bei Anfragen von Versicherungen, mussten Ärzt*innen bis dato sensible, nicht-aktenkundige Dinge (z.B. kurze Antidepressiva-Therapie in der Vergangenheit) nicht angeben. Diese Möglichkeit entfällt durch die ELGA. Generell können Daten zwar ausgeblendet, aber – im Gegensatz zum Strafvollzugsregister - nicht gelöscht werden.
Transparenz versus ökonomische Verwertungs- und Kontrollinteressen.
Mayerhofer gab sich insgesamt überzeugt, dass die ELGA der Gesundheitsbürokratie Vorschub leiste, den Datenschutz beschränke und vor allem den ökonomischen Interessen von Versicherungen, Pharma- und Werbeindustrie diene. Die Grünen Senior*innen schien die Kritik an der ELGA eher wenig zu beunruhigen. Sie zeigten Verständnis für die Notwendigkeit des verantwortungsvollen Umgangs mit öffentlichen Ressourcen aber auch für Datenschutz-Bedenken von Berufstätigen.
Wenig überraschend bewerteten sie das Sicherheitsargument höher als das Datenschutzargument: Die Akte sei insofern ein Segen, als grundsätzlich davon auszugehen sei, dass viele ältere Menschen verschiedene Ärzt*innen aufsuchen und sich nicht erinnern, welche Medikamente ihnen bereits verschrieben wurden. Das Argument des steigenden administrativen Aufwandes wurde von einigen IT-affinen Grünen Senior*innen entkräftet: Es gelte eben die Schnittstellen des Systems entsprechend benutzerfreundlich zu gestalten, sodass sich etwa vorhandene Allergien sofort per Knopfdruck als prioritäre Suchabfrage aufrufen lassen.
Die als zu aufwändig kritisierte, standardisierte Archivierung des Datenmaterials wurde von einigen als wertvolle Vorleistung für die medizinische Forschung und Qualitätssicherung goutiert. Insgesamt veranschaulichte die Diskussion aber, dass das Gesetzeswerk ELGA noch über beträchtliches Optimierungspotenzial verfügt. Sei es um Gestaltungsspielraum im Sinne der Patient*innen zu ermöglichen oder aber den seitens der Ärzt*innen befürchteten Kontrollaufwand zu reduzieren.
Die Autorin Gerhild Schutti studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Philosophie.