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Häuser sind zum Wohnen da. Maßnahmen gegen Spekulation.

Good Practices aus Hamburg von Olaf Duge und Christian Trede

von Elisabeth Kittl (GBW Wien)

Nicht nur , auch die Hamburger Grünen und Christian Trede gelten diesbezüglich als Vorreiter.

Wien, Vorzeigestadt für sozialen Wohnbau

Was aber hat das mit Wien zu tun? Unsere Politikerinnen und Stadtverwalterinnen werden regelmäßig in andere Städte eingeladen, um über das Wiener Model des sozialen Wohnbaus zu sprechen. 2018 wurde Wien zum neunten Mal von der internationalen Beratungsagentur Mercer als Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität eingestuft. Wien ist also ein begehrtes Pflaster, nicht zuletzt wegen der noch immer, im Vergleich zu anderen Weltstädten, relativ günstigen Mietpreise.

Für einen Ausgleich am privaten Wohnungsmarkt sorgte die Bautätigkeit der Stadt. 2004 aber hat Wien die Errichtung von Gemeindewohnungen eingestellt. Erst 2016 - auch auf Drängen der Wiener Grünen - wurde die Bautätigkeit wieder aufgenommen, wenn auch sehr zögerlich. Zusätzlich verwendet die Stadt Wien etwa fünf Prozent ihres Budgets zur Förderung von Wohnbau. Mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung lebt in einer geförderten oder in einer Gemeindewohnung. Die dort geringeren Mieten sowie die Vermeidung eines Ausverkaufs von Gemeindewohnungen bilden zusammen einen guten Dämpfer gegen Mietpreisexplosionen auf dem freien Markt.

Die Wiener Bevölkerung wächst aber jedes Jahr um ca. 30.000 Menschen. All diese Menschen suchen eine Wohnung und es bedarf daher eines permanent steigenden Angebots an Wohnraum. Tatsächlich aber hinkt das Angebot der Nachfrage hinterher. Dazu kommen die Auswirkungen der Finanzkrise 2008 mit der Flucht des Finanzkapitals in sichere Immobilieninvestitionen. Die Immobilienpreise, sei es Miete oder Eigentum, steigen und steigen. Unweigerlich.

Damit Wien weiterhin leistbar bleibt und zwar nicht nur, wie sich abzeichnet, in Randlagen, sondern in einer sozial durchmischten Stadt, ist eine sozial gelenkte Bodenpolitik erforderlich. Mehr denn je.

Deutsche Stadtpolitik hat sich hier teilweise schon weit vorgewagt. Wie weit, wollen wir anhand des Vortrags von Olaf Duge und Christian Trede beleuchten.

Wohnraumschaffung durch Bautätigkeit

In Hamburg werden zwei Hebel zur Schaffung von leistbarem Wohnen in Bewegung gesetzt. Einerseits die Schaffung von neuen Wohnungen im urbanen Stadtgebiet, andererseits die Sicherung des Wohnungsbestandes (= Wohnraumschutz).

Diese gibt den Erwerberinnen vor, was und wie zu bauen ist und wieviel an Miete verlangt werden darf. Das Instrument der Städtebaulichen Verträge in Wien folgt einem ähnlichen Plan.

Nachverdichtung geschieht auch sehr ähnlich wie in Wien durch Umwidmungen von u.a. Eisenbahnflächen und Industriebrachen, Dachbodenausbauten und Baulandlückenschließung. In Hamburg liegt ein zentraler Fokus zusätzlich auf dem Zusammenbringen von Gewerbe und Wohnen. Ein Aspekt, der in Wien noch nicht im Vordergrund steht, aber sehr wohl durch die Förderung von Grätzlzentren aufgegriffen wurde.

Ein weiterer bauerleichternder Schritt in Hamburg war, die Stellplatzverpflichtung abzuschaffen. Garagenbau ist aufwendig und verhindert so manchen Neubau oder macht ihn wesentlich teurer. Diese Verteuerung wirkt sich natürlich auf die Mieten aus. Baugruppenprojekte und Mietshaussyndikate, in Österreich zum Beispiel , würden ohne Stellplatzverpflichtung eine Hürde weniger nehmen müssen.

Wohnraumschutzgesetz

Das Gesetz beinhaltet die Wohnraumpflege und das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Voraussetzung dafür ist eine ungenügende Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen. Gebiete, in denen dieser Versorgungsengpass festgestellt wird, nennen sich Gefährdungslagen. Die Gefährdungslage wird durch folgende Indikatoren geprüft:

  • Bevölkerungswachstum und Neubautätigkeit
  • Situation hilfebedürftiger Haushalte und Sozialwohnungsbestand
  • geringes Angebot an Wohnungen verbunden mit einer großen Nachfrage nach Wohnraum
  • Mietniveau und Mietenentwicklung
  • Mietbelastung der Haushalte und Entwicklung des Immobilienmarkts

Fakten und Zahlen in diesem Bereich und ein zusammenfassender Berichte wären auch für Wien wünschenswert, denn die Lage in Wien ist mit der in Hamburg durchaus vergleichbar. Auch hier steigt die Nachfrage von Wohnraum im Vergleich zum Angebot, die Mieten verteuern sich (weit größerer Zuwachs als z.B. der VPI), eine Trendwende oder ein Ende des Preisanstiegs ist nicht in Sicht und der Anteil am Haushaltseinkommen, welcher für Miete aufgewendet wird, wird immer größer. Das alles trifft Menschen und Familien mit geringem Einkommen am stärksten.

Wird gemäß §9 Absatz1 Satz 2 des Wohnraumschutzgesetzes mithilfe einer Gefährdungslagenverordnung konstatiert, dass „die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen in Hamburg besonders gefährdet ist“, greift das Zweckentfremdungsverbot im Sinne des Wohnraumschutzgesetzes: Bestimmte Bewegungen am Immobilienmarkt in diesem Gebiet müssen den Behörden gemeldet werden, unter anderem Leerstände. Möchte zum Beispiel eine Haus- oder Wohnungseigentümerin ihre Wohnung anders als zu Wohnzwecken vermieten, zum Beispiel an gewerbetreibende oder an wechselnde Nutzerinnen, wie Airbnb-Touristinnen oder möchte sie das Haus abreißen oder Wohnungen leer stehen lassen, schreibt das Wohnraumschutzgesetz eine gebührenpflichtige Zweckentfremdungsgenehmigung vor.

Darüber hinaus kann jede Person auf einem Online-Tool, dem sog. – eine private Initiative von Bürger*innen die sich damals gegen den zunehmenden Lerrstand wehren wollten leer stehende Wohnungen anzeigen, denen wiederum von den zuständigen Fachämtern nachgegangen und ggf. geahndet wird. Werden Leerstände nicht gemeldet, droht eine Strafe von bis zu EUR 500.000. Leerstände sind grundsätzlich zu vermeiden bzw. auf ein Minimum zu reduzieren und mögliche Zwischennutzungen anzustreben.

Wohnungen dürfen maximal 8 Wochen im Jahr an wechselnde Nutzerinnen vermietet werden. Dazu bedarf es einer Meldung, welche an das Finanzamt zur Steuerberechnung weitergegeben wird. Zusätzlich muss in der Anzeige auf bspw. Airbnb die Meldungsnummer angeführt werden.

Werden Leerstände nicht zeitgerecht wieder dem Markt zugeführt, hat die Stadt die Möglichkeit, für die Wohnimmobilie temporär eine Treuhänderin zu bestellen. Diese wird  für eine eventuell notwendige Sanierung und eine darauf folgende Neuvermietung eingesetzt. Investitionen werden durch die Mieteinnahmen, im Notfall durch Zwangsversteigerung getilgt. Die Stadt trägt das Ausfallsrisiko.

Mittels dieses Instruments wurden 2017 in Hamburg circa 10.000 Wohnungen überprüft und 700 wieder dem Markt zugeführt.

Soziale Erhaltungsverordnung

Ein weiteres Instrument des Wohnraumschutzes ist die Soziale Erhaltungsverordnung. Ein bestimmtes Stadtgebiet wird mittels einer Plausibilitätsprüfung untersucht. Aufgrund eines darauf basierenden Beschlusses des Bezirks, einem Gutachten und einer qualitativen Befragung der Bewohnerinnen wird ein bestimmtes Gebiete als Soziales Erhaltungsgebiet definiert. Elf Gebiete werden derzeit in Hamburg als solche geführt. Dort sind bestimmte Transaktionen genehmigungspflichtig:

  • Umnutzung von Miete auf Eigentum
  • Abriss
  • Modernisierungsmaßnahmen

Die Stadt besitzt zudem ein Vorkaufsrecht bei Grundstückverkäufen und wendet dies an, wenn mutmaßliche Spekulation, bspw. bei bekannten Playern auf dem Markt, mit dem Wohnraum bevorsteht.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung sozial gerechter Boden- und Wohnpolitik in Hamburg:
In einem der Sozialen Erhaltungsgebiete Hamburgs steht ein Zinshaus, welches die Eigentümerin verkaufen möchte. Eine bekannte schwedische Immobilieninvestorin (Akelius) interessiert sich dafür. Durch die Lage in einem Sozialen Erhaltungsgebiet bedarf der Ankauf der Genehmigung durch die Stadt. Dieses Gebiet sollte vor einer Gentrifizierung, sprich Vertreibung der ansässigen Mieterinnen geschützt werden. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens können der Käuferin verschiedene (soziale) Verpflichtungen auferlegt werden. Auf diese wollte Akelius nicht eingehen. Daraufhin nahm die Stadt Hamburg ihr Vorkaufsrecht in Anspruch, welches ihr durch die Verordnung eingeräumt wird. Der Verkaufspreis wurde neu berechnet und die Stadt kaufte das Haus. (vgl. )


P.S.: Um den Text leichter lesbar zu gestalten, wird ausschließlich das generische Femininum verwendet. Die männliche Leserin ist selbstverständlich mitgemeint.