Honduras - Die machtvolle Durchsetzung des Neoliberalismus.

GBW
Wer die Machteliten kritisiert, riskiert sein Leben.
„Es sind zwölf Großgrundbesitzerfamilien, die sich den Reichtum in Honduras aufteilen“, führte Andrés Schmidt, Mitglied des Solidaritäts-Netzwerks „Hondurasdelegation“, in die Situation ein. Im zweitärmsten Land Lateinamerikas sei damit nicht nur eine große soziale Kluft vorhanden, „die Schieflage ist auch eine politische, eine der Machtverteilung“, so Schmidt. Denn diese Familien teilten sich auch die Parteien, den Staatsapparat und die Gerichte auf. Der Putsch im Juni 2009 zeige, dass die Machtelite auch gewillt ist, dass dies so bleibt. Sie antwortet mit Repression und wachsender Militarisierung auf die breite Widerstandsbewegung gegen den Putsch, die soziale und politische Veränderungen vorantreiben will. Paramilitärs und bezahlte Killer sind für über 100 politische Morde verantwortlich, so Schmidt. „In Honduras ist es sehr gefährlich seine politische Meinung zu artikulieren - es bedeutet, sein Leben zu riskieren“, verdeutlichte er die Brisanz der Lage und nannte als weiteres Problem die Straffreiheit: „Keiner dieser Mörder wurde bis jetzt vor Gericht gestellt.“
Transparente und faire Wahlen?
Vor diesem Hintergrund fanden im November 2013 Wahlen statt. Als Teil einer Menschenrechtsdelegation beobachtete Schmidt die Wahlen, an der mit der Partei LIBRE auch der parlamentarische Arm der Widerstandsbewegung teilnahm. Obwohl LIBRE bei Wahlprognosen lange Zeit vorne gelegen war, gewann die nationale Partei (PNH) mit ihrem Spitzenkandidaten Juan Orlando Hernández.
Das Podium analysierte den Wahlausgang kontrovers. Ging die Wahl wirklich fair und transparent vonstatten? Schmidt betonte die zahlreichen Morde an Kandidat*innen. Die Hälfte davon betraf Mitglieder von LIBRE. Er berichtete von Stimmenkauf und dem Verkauf von Sitzanrechten im Wahllokal sowie von Unregelmäßigkeiten im Wahlregister.
Gabriele Küppers von der Wahlbeobachtungsdelegation des Europaparlamentes fokussierte vor allem auf ungleiche politische und ökonomische Machtverhältnisse, die den Wahlausgang beeinflussten: „Die entscheidende Wahlfälschung war nicht am Wahltag!“ Küppers fasste das Ungleichgewicht zusammen: „Der Kandidat der Gewinnerpartei war Parlamentsvorsitzender bis zum letzten Tag, hat die Geschäfte des Präsidenten geführt und hat das Wahlgericht nach seinem Gutdünken besetzt. Er hatte genug Geld, alle drei Gewalten und einen gut funktionierenden Apparat.“
Das sei alles legal, aber es gebe den Wahlausgang vor, erläuterte Küppers das Problem. „Die Wahlen wurden so vorbereitet, dass sie so ausgehen, wie sie ausgegangen sind.“ Dieser politischen und ökonomischen Machtstellung und der Wahlkampfmaschine konnte keine andere Partei etwas entgegenhalten. Allein in den letzten Tagen unterhielt Orlando ein eigenes Call Center mit 400 Beschäftigten. Diese konnten auf eine geschickt erarbeitete riesige Datensammlung zurückgreifen, um die Wähler*innen vom Wahlgang zu überzeugen, erläuterte Küppers.
EU- Assoziierungsabkommen zementiert neoliberale Verhältnisse.
Dieser Wahlausgang zementiere den Neoliberalismus, war sich das Podium einig. Stand der geputschte Präsident Zelaya für eine sozialere Politik, so setzten sich mit dem folgenden Präsidenten Lobo und nun mit Orlando wieder Vertreter klar neoliberaler Politiken durch.
Küppers sah jedoch nicht den Wahlausgang als entscheidend für die Verfestigung des Neoliberalismus in Honduras, sondern den EU-Lateinamerikagipfel 2006 in Wien. Dieser bildete den Startschuss für das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit Zentralamerika, in dem die EU eine Angleichung der Gesetzgebung in Zentralamerika vorantreibt. „Kein Land kann dann mehr Bankenaufsicht oder Umweltverpflichtungen von Firmen etablieren, ohne dies mit der EU abzusprechen.“ Durch Verschiebungen innerhalb von in verschiedenen Ländern ansässigen Firmenteilen und kreative Buchhaltung winken Steuerersparnisse, erläuterte Küppers, denn auch das Steuerparadies Panama sei dabei. Die Nachteile würden für Zentralamerika eindeutig überwiegen.
Das österreichische Parlament könne das Assoziierungsabkommen aber noch kippen. Damit machte Küppers deutlich: Vor allem in Europa müssen sich die Kräfteverhältnisse ändern.
„Green Economy“ als zweifelhafte Lösungsstrategie.
Den globalen Zusammenhang der Entwicklungen verdeutlichte in einem dritten Vortrag Magdalena Heuwieser, die zu gesellschaftlichen Naturverhältnissen forscht und Mitglied der Hondurasdelegation ist.
Im Kontext der Mehrfachkrise solle die „Green Economy“ als Wirtschaftsmotor dienen, gleichzeitig werden ökologische Ressourcen knapper und somit begehrter. Honduras werde damit zum Schauplatz dieser Kämpfe um Ressourcen und der Durchsetzung von zweifelhaften „grünen“ Projekten, so Heuwieser.
„Gemeinschaftlich, nicht-kommerziell genutztes Land wird durch Landgrabbing 'produktiv` gemacht. Die Bewohner*innen verlieren dadurch ihre Lebensgrundlage“, verdeutlichte Heuwieser das Problem. Vorgeblich grüne Projekte wie Staudammbauten verdrängen Menschen von ihrem Land, Wasserquellen werden privatisiert und die Region militarisiert. „Die grünen Projekte werden genauso durchgesetzt wie die braunen.“ Sie ständen damit auch nicht im Gegensatz zu Bergbau und Co, sondern würden häufig genug eben jene legitimieren, erklärte sie weiter.
Auch wenn die neue Regierung im Geiste des Neoliberalismus verstärkt Natur in Wert setzen will, seien Erfolge von sozialen Bewegungen zu verzeichnen, berichtete Heuwieser von ihren Erfahrungen in Honduras.
Obwohl sich neoliberale Verhältnisse in Honduras weiter durchgesetzt haben, zeigt sich damit, dass Widerstand möglich und auch erfolgreich ist.
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Der Autor, Raphael Kiczka, ist Mitglied der GBW-Wien-Redaktion.
Videoaufzeichnung der Veranstaltung: