Jörg Wimmer - Solidarnutzung – eine Vergabe der (halb-) öffentlichen Räume abseits privatwirtschaftlicher Interessen
Problemstellung/Relevanz
Wie Menschen in einer Stadt leben, und wie die Stadt von ihnen erlebt wird, ist von den unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst. Das Konsumangebot, und wie es geschaffen, gestaltet und vergeben wird, spielt eine wesentliche Rolle. Konsum ist dabei mehr als nur der Akt des materiellen Konsumierens, also des Erwerbs von Gütern oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, womit der Begriff Konsum häufig im täglichen Sprachgebrauch verbunden wird. Konsum ist auch das (Er-)Leben von Kunst, Kultur und (Weiter-)bildung – eine nicht materielle, immaterielle Form. René Descartes beschrieb einen Dualismus zwischen der res extensa (etwas existiert im Objektbereich) und der res cogitans (etwas existiert gedanklich) (vgl. Hügli & Lübcke, 2013, S. 775f). Immaterielles (Geistiges) kann durch Austausch mit etwas Materiellem erfahrbar gemacht werden – und vice versa. Beide Formen benötigen einen Rahmen, einen Raum, in welchem sie stattfinden, welcher Konsum ermöglicht. Konsumräume sind Geschäftsräume, die konzipiert und erschaffen, die sozial konstituiert und physisch konstruiert werden müssen, und welche anschließend betrieben und erhalten werden wollen. Es handelt sich um Orte, die einen Rahmen für soziale Interaktionen bilden und diese ermöglichen – und sich als Konsequenz aus diesen Handlungen reproduzieren. Der Grad der Öffentlichkeit (öffentlich, halböffentlich, quasi-öffentlich) von Konsumräumen ist durch deren architektonische Gestaltung, Besitzverhältnisse und Zutrittsbeschränkungen vermindert und steht im Spannungsfeld zwischen den Interessen und Bedürfnissen mehrerer Stakeholder, nämlich der Stadt im weiteren und im engeren Sinne, der Eigentümer, der MieterInnen oder BetreiberInnen, und der StadtbewohnerInnen. Konsumräume werden nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben, um Bestand zu haben, und halten ein entsprechendes Umfeld und Angebot bereit. Die kommunale Seite soll fordern, soziale Maßstäbe bei der Gestaltung anzusetzen und dadurch regulierend eingreifen, was bei den Themen Vermietung und Veräußerung Konfliktpotential bergen kann.
Gemeinnützigkeit bezieht sich nicht auf das einzelne Individuum, sondern sie strebt nach einem positiven Zustand im Interesse einer Gruppe. Holbach sagt, dass die „Selbsterhaltung und Glückseligkeit einer Gesellschaft“ das unveränderliche Ziel sein müssen und die Gesetze in diesem Interesse zu formulieren sind (vgl. Klaus & Buhr, 1972, S. 395). Für diese Abhandlung bedeutet diese Begriffserklärung, dass zu den ökonomischen Faktoren auch Interessen, die der Allgemeinheit dienlich sind, Beachtung finden müssen, um ein gutes Auskommen von Menschen im städtischen Gefüge sicherzustellen – ein notwendiger Gedanke in einer liberal ausgerichteten Gesellschaft.
Neben der Unterscheidung zwischen materiellem und immateriellem Konsum sei an dieser Stelle auf die Widersprüchlichkeit der Frage nach inklusivem Konsum hingewiesen. Die lateinische Wortherkunft consumere (verbrauchen) deutet auf ökonomische Aspekte hin. Diese sind unter anderem der Verbrauch von Ressourcen, Raum, Geld und Zeit. Die Inklusivität ist insofern zu relativieren, dass der Konsum unter bestimmten Gesichtspunkten immer einer gewissen Exklusivität unterliegt, welche herabzusetzen erstrebenswert erscheint.
Madanipour nennt drei unterschiedliche Formen von sozialer Exklusion. Diese sind hilfreich, um den Begriff Inklusion nach mehreren Dimensionen einzuordnen (vgl. Madanipour in LeGates, 2003, S. 183f):
- ökonomische Exklusion: Wirtschaftliche und finanzielle Faktoren verursachen Ausgrenzung; auch das Verbot, Arbeit anzunehmen, spielt eine Rolle (davon sind zB AsylwerberInnen betroffen).
-
politische Exklusion: Personen wird aufgrund ihrer fremden (Nicht-EU-)Staatsangehörigkeit keine Partizipationsmöglichkeit gegeben.
- kulturelle Exklusion: Gründe für Ausgrenzung können unter anderem sprachliche Barrieren, Herkunft, religiöse Zugehörigkeit oder visuelle
- Repräsentation sein.
Ist-Zustand – eine kurze Bestandsaufnahme von Konsumräumen in Wien
Unterschiedliche Definitionen von öffentlichem Raum zeigen, dass es unterschiedliche Parameter gibt, die als Charakteristika für die Einteilung öffentlicher Räume herangezogen werden. Je nach Art der konsumierbaren Leistungen und Waren gibt es unterschiedliche Faktoren. Im klassischen Einzelhandel ist mit weniger sozialer Interaktion zu rechnen als in einem Kaffeehaus, Konzert oder Theater. Trotzdem finden in jedem dieser Räume Handlungen zwischen Menschen statt, wodurch sozialer Raum konstituiert wird. Diese Orte können aufgrund vielfältiger Gründe von unterschiedlichen Personen aufgesucht werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Gründe des Fernbleibens kein bewusstes Ausgrenzen von Personen(?gruppen) durch Eigentümer oder Betreiber sein dürfen. Die Orte des Konsumierens weisen öffentliche und halböffentliche Eigenschaften auf – sie befinden sich durch die häufige Lage im Erdgeschoss zwischen den klassischen öffentlichen Räumen, wie Straßen und Plätzen und dem privaten Raum. Frei finanzierte und betriebene Immobilien mit eingeschränktem Zugang sind keine öffentlichen, sondern quasi?öffentliche oder halböffentliche Räume. POPS – privately owned public spaces – sind besonders auf Barrierefreiheit und Nutzungseinschränkung zu untersuchen – vor allem, wenn diese scheinbar uneingeschränkt sein sollen, in ihren Hausordnungen jedoch einschränken.
Konsum in materieller und immaterieller Form kann in vielen Varianten erfolgen. Die klassischen Orte materiellen Konsums wie Einkaufszentren, Einkaufsstraßen und Märkten variieren stark in ihren Eigenschaften bezüglich sozialer Inklusion – sowohl von KäuferInnen- als VerkäuferInnenseite. Die ökonomische Schwelle ist nicht nur für die KonsumentInnen eine Hürde, sondern auch für Personen, die Waren oder Dienstleistungen anbieten möchten. Die immaterielle Form des Konsums variiert, wie auch die materielle, in ihrer zeitlichen Maßstäblichkeit von einer temporären Veranstaltung oder Intervention (zB Flashmobs) bis zu einem Megaevent wie dem Donauinselfest. Auf materieller Ebene sind die Angebote ähnlich breit gefächert: Es gibt Personen, die aus einer Tasche heraus verkaufen oder in einer umfunktionierten Kiste Bücher zum Tausch anbieten bis hin zu Einkaufszentren, die Einzugsgebiete über hunderte Kilometer haben, und aufwendige Geschäftslokale beheimaten, um auf alle Bedürfnisse der KundInnen eingehen zu können. Die Maximierung von Umsatz und Profit ist der Grund für die Schaffung solcher durchdachter Konsumlandschaften. Entscheidend für die Gestaltung sozial inklusiver Angebote ist die ökonomische Schwelle, die dem Konsum zugrunde liegt. Steigende Segregation und Ungleichheit lassen viele Konsumangebote unzugänglich für bestimmte Personengruppen werden. Neue Ökonomien, welche auch durch technologische Entwicklungen ermöglicht werden, zeigen, dass ein Umdenken stattfindet. Die Sharing-Economy birgt großes Potential im Bereich der Ausnutzung und Verteilung von Ressourcen. Man könnte kritisieren, dass durch Einsparung von Ressourcen Arbeit und dadurch ökonomisches Wachstum gehemmt wird – im Gegenzug werden durch die Entwicklung und Verbesserung der Strukturen Arbeitsplätze geschaffen. Unter dem Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit ist die effiziente und wertschöpferische Herangehensweise zu befürworten. Das Teilen von nicht mehr Benötigtem mit anderen ermöglicht Menschen den Zugang zu Waren und Dienstleistungen, die möglicherweise auf herkömmlichem Weg unerschwinglich wären. Unternehmen und Personen, die nicht dem solidarischen Prinzip des Teilens folgen, können die Sharing-Economy jedoch in kapitalistischer Weise ausnützen, zB um Menschen auszubeuten. Die Folge ist Lohndumping bei den AnbieterInnen der Dienste. Die Effizienzsteigerung liegt auch der Zwischen- und Umnutzung zugrunde. Vorhandene Ressourcen in Form von Raum werden genutzt, um (temporäre) Verkaufsflächen zu schaffen, oder Veranstaltungen zu realisieren. Die Adaptierbarkeit (Polyvalenz) der Orte beeinflusst die Wiederverwertbarkeit und somit die Lebensdauer von Orten. Angebots- und Nutzungsänderungen infolge direkter Bedürfnisse folgen häufig dem Bottom-Up-Konzept, welches für diese Anwendungen erfolgsversprechender erscheint als die theoretische, abstrakte Planung. Genehmigungen und andere Vergabeprozesse sind unumgänglich in der Produktion von Konsumräumen, aber auch bei Um- und Zwischennutzungen. Neue, kombinierte Nutzungen von herkömmlichen Geschäftslokalen, die vormals ausschließlich für den Einzelhandel genutzt wurden, etablieren sich und bilden eine gemischte Nutzung – einerseits um den ökonomischen Betrieb infolge steigender Mietpreise und Betriebskosten sicherzustellen, andererseits haben Veränderungen in der Ausführung von Erwerbstätigkeit zu einem Umdenken der Raumnutzung geführt.
Mietpreise von Erdgeschoß- und Geschäftslokalen orientieren sich in der Regel am freien Markt und sind für kleine Geschäfte und junge Unternehmen sehr hoch, bedenkt man dass für ein 100 m2 großes Geschäftslokal zB um die Favoritenstraße durchschnittlich 1 740 € Gesamtmiete im Monat zu bezahlen sind. Bei Büroimmobilien sieht es ähnlich aus: Büroflächen am Hauptbahnhof werden mit 16-22 €/m2 brutto angegeben – Tendenz steigend (vgl. BUWOG, 2015, S. 6).
Die Frage nach inklusiven Konsumräumen wird durch einen Vorschlag beantwortet, der auf dieses Problem reagieren soll – indem Geschäftslokale in zukünftigen Stadtentwicklungsgebieten nicht mehr ausschließlich am freien Markt gehandelt werden, sondern, ähnlich dem System der gemeinnützigen Bauvereinigungen für Wohnbau, zum Teil von einer kommunalen Vermittlungsagentur verwaltet werden sollen. Großprojekte, welche die Entwicklung von Stadtteilen behandeln, sind komplexe, von vielen Ebenen, Akteuren, Gesetzen und Bedingungen abhängige Prozesse. Die Auswirkungen sind ebenso vielschichtig und beeinflussen die BewohnerInnen, die bestehende Umgebung und schlagen über die Bezirksgrenzen Wellen. Der Stadtentwicklungsplan (STEP 2025) gibt eine Entwicklungstendenz der Stadt vor, an die sich die AkteurInnen halten sollen. Der städtebauliche Wettbewerb ist die Basis für die Teilung des Areals und Widmung. Darauffolgend werden die unterschiedlichen Kriterien für die Erstellung neuer Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, welche von der Stadt und den Interessen der Grundstückseigentümer und Bauträger abhängen, formuliert. Diese Verordnungen werden seit der letzten Novelle der Bauordnung 2014 individuell durch textliche Bestimmungen erweitert und können zusätzlich durch städtebauliche Verträge die Berücksichtigung von kommunalen Interessen einfordern. Die Vergabe von Bauplätzen geschieht durch Bauträgerwettbewerbe und die Errichtung von (Wohn-)Gebäuden – durch gemeinnützige und gewerbliche Bauträger und Baugruppen. Da die halböffentlichen Nutzungen in Form von Geschäftslokalen vorwiegend im Erdgeschoß von Wohngebäuden zu finden sein werden, ist die Wettbewerbsentscheidung in Bezug auf die (halb-)öffentlichen Nutzungen der Projekte besonders von der Konzeption der Erdgeschoße abhängig. Dabei sind viele Faktoren relevant:
- Welche Nutzungen sollen sich in den halböffentlichen Räumen befinden?
- Sollen diese Flächen ausschließlich für die BewohnerInnen des Gebäudes sein?
- Wer finanziert und betreibt diese Flächen?
- Wie sind die Grundrisse der Lokale gestaltet, wofür sind diese Lokale geeignet?
- Wie wird mit der Situation vor den Gebäuden umgegangen?
- Wurde über die eigenen Grundstücksgrenzen hinaus gedacht?
- Werden BewohnerInnen und andere Beteiligte (zB Anrainer) in den Prozess involviert (Partizipation)?
Die Vergabe der errichteten Wohnungen ist entscheidend für das neu entstandene Gebiet. Durch die Mischung von Baugruppen, frei finanzierten und (super-)geförderten Wohnungen ist eine hohe Diversität in der BewohnerInnenstruktur zu erwarten. Die Vergabe der Geschäftsflächen ist eine weitere Determinante. Die Preise für Geschäftslokale und Büros sind finanzkräftigen BetreiberInnen vorbehalten. Kleine Betriebe und Unternehmen können sich Mieten in Einkaufsstraßen nur mit Startkapital leisten und müssen in kürzester Zeit Gewinne erarbeiten. Für inklusive Konsumformen ist der Zugang zu leistbaren Geschäftslokalen notwendig. Bauträger errichten vorrangig Geschäftsflächen für Mieter, denen keine finanziellen Hürden gestellt sind – hinzu kommt, dass diese aufgrund ihrer (augenscheinlich) besseren Bonität auch bevorzugt ausgewählt werden.
Werden Grundstücke und Gewerbeflächen, die in staatlichem Besitz waren, verkauft, entstehen unwiderruflich Risiken durch die Privatisierung dieser Flächen. Vormals öffentlicher Raum wird zu quasi-öffentlichem Raum in privatem Besitz, der einer Hausordnung von BesitzerInnen oder BetreiberInnen unterliegt. Exklusion und Restriktionen, also die Einschränkung bestimmter Gruppen von StadtbewohnerInnen, sind die Folge. Die öffentlichen Räume sind durch die Handlungen der Menschen einem ständigen Wandel unterzogen, dem es nachzukommen gilt. Es sollen Prozesse gefördert werden, die Inklusion und Akzeptanz erzeugen. Das Gegenteil passiert durch die Unsichtbarmachung von Menschen, die aus der Sicht bestimmter Personen einem unerwünschten Lebensstil folgen. Räume sollen nicht unter einer Prozessbeschleunigung bei Konzeption, Planung und Errichtung leiden. Um sicherzustellen, dass die Flächen trotzdem möglichst schnell für spontan auftretende Nutzungen zur Verfügung stehen, ist die Planung und Regulierung im Vorfeld von umso größerer Bedeutung.
Interessensgemeinschaften sowie andere gemeinnützige Vereine und Unternehmen fordern das Verhindern von Spekulation mit Raum in der Stadt, zB durch die Besteuerung langfristiger Leerstände wie in Paris. (vgl. Zoidl et al., 2014, online) Eine Gesetzesänderung bezüglich Leerstand ist genau und durchdacht zu formulieren, da die BesitzerInnen dieser Immobilien mögliche Schlupflöcher, wie zB Scheinvermietungen heranziehen würden, um solche Gesetze zu umgehen. Ein Aspekt, der die Wichtigkeit der Widmung zeigt, um die gemeinnützigen Interessen durchzusetzen. Werden von der Stadt vorausgesetzte Parameter nicht erfüllt, ist es möglich, die Widmungs- und Bebauungsbestimmungen nicht abzusegnen und deren Abänderung zu verlangen. Durch gemeinnützige Nutzungsvorgaben wird bei Neuerrichtung bereits eine Maßnahme ergriffen, die eine Scheinvermietung erschwert. Gebiete erhalten bestimmte Auflagen zu Sozial-, Kultur- und (Weiter-)Bildungseinrichtungen – in Bezug auf die Ausschreibungsgrundlage eine interessante Entwurfsaufgabe und Herausforderung für die planenden Büros.
Anstatt einer zwangsweisen Abgabe wäre die Schaffung und Vergegenwärtigung von Vorteilen der Vermietung von Erdgeschoßflächen eine Möglichkeit, um auf Leerstand zu reagieren. Beispielsweise würden Firmen durch den Imagegewinn von solidarischem Handeln profitieren. Der Leerstand von Immobilien ist, wenn er nicht bewusst aufgrund von Spekulation gewählt ist, ein Zeichen für einen nicht gerechtfertigten Preis. Die fehlende Regulierung im freien Markt ermöglicht es den Unternehmen, sich den Leerstand leisten zu können. Ob die Nichtvermietung gerecht ist, sei dahingestellt – bedenkt man, welche wertvolle Ressource im urbanen Raum verloren geht. Dieser Aspekt des spekulativen Leerstands ist in Stadtentwicklungsgebieten besonders drastisch, wenn man bedenkt, dass Grundstücke vor der Neuerrichtung in Besitz des Bundes (oder zB der ÖBB, welche in Besitz der Republik ist) waren. Eine zentrale Vergabestelle für halböffentliche Flächen bringt eine übersichtliche, transparente Aufstellung der verfügbaren Geschäftslokale. Diese kann man sich als gemeinnützige Geschäftsflächenverwaltung vorstellen. Das Angebot würde neben dem freien Markt eine Vergabeform erhalten, die nicht primär ökonomisch orientiert ist, was auch zu einer Preisregulierung beiträgt.
Vorschlag: Solidarnutzung
Die Solidarnutzung ist als eine neue Form von Widmungskategorie zu verstehen, welche im Flächenwidmungsplan und den Bebauungsbestimmungen konkretisiert wird. Mit der Novelle der Wiener Bauordnung 2014 wurde die neue Widmungskategorie förderbarer Wohnbau eingeführt. Die Solidarnutzung im Widmungsplan gibt Flächen für soziale Einrichtungen, Betriebe und Gewerbeformen vor, die weniger finanzstark sind und im Interesse des Gemeinwohls betrieben werden. Vor allem bei frei finanzierten Projekten werden Räume mit sozialem, gemeinnützigen Mehrwert häufig außer Acht gelassen. Mieten für Geschäftslokale sind für viele Betriebe nicht leistbar bzw. sind die Mieten im Vergleich zur Personenfrequenz überteuert. Eine positive Bilanz für die Geschäfte und Einrichtungen ist von den Fixkosten abhängig, also wiederum auch stark von den Mieten. Solidarisch gewidmete Räume schaffen Abhilfe, da sich die Mietpreise nicht ausschließlich am freien Markt, sondern auch am sozialem Mehrwert für das Gebiet orientieren. Ein vergleichbares Modell gibt es bereits am Wohnungsmarkt: Wohnraum, der in Besitz einer öffentlichen oder kommunalen Einrichtung ist (Gemeindewohnungen und Wohnungen von gemeinnützigen Bauvereinigungen) neben Wohnungen in privatem Besitz. Die Wohnungsvergabe erfolgt nach sozialen Kriterien und bietet Mietpreise unter dem Niveau von frei finanzierten Wohnungen.
- Vergabe über kommunale Einrichtung Katalog für in Frage kommende Nutzungen
- Mietpreis orientiert sich an der Nutzung jedoch max. 7.50 €/m2
- temporäre, gemischte Nutzung erwünscht zB:
- - untertags/abends verschieden
- Orte des Konsums, der Produktion - Nutzungsüberprüfung durch Kommune
Finanzierung der Errichtung
Städtebauliche Verträge für die Veräußerung von Flächen in kommunalem Eigentum an gewerbliche Bauträger sind eine Möglichkeit, den Bau dieser Räume durch Finanzierung über kapitalstarke Bauträger sicherzustellen. Damit die Stadtverwaltung nicht benachteiligt wird, ist eine eindeutige, unanfechtbare Formulierung der Verträge notwendig. Großes Verhandlungsgeschick ist erforderlich, da es sich bei dieser Form um neues Terrain für die verhandelnden AkteurInnen handelt. Grundstücke, die für förderbaren Wohnbau gewidmet sind und an gemeinnützige Bauvereinigungen vergeben werden, verpflichten nicht zur Schaffung dieser Räume. Gemeinnützige Bauträger leisten durch supergeförderte SMART-Wohnungen einen Beitrag zum Gemeinwohl durch die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum. Die Vergabe soll sich trotzdem individuell nach der Widmung und Ausschreibung von Grundstücken an die jeweiligen Bauträger richten. Geförderte Wohnbauten mit Geschäftslokalen nach herkömmlichen Vergabekriterien bringen Diversität in das Angebot von Konsumräumen ein und haben gleichzeitig den positiven Effekt der Querfinanzierung der Errichtungskosten für gemeinnützige Bauvereinigungen. Die Grundstücke mit Erdgeschossflächen, die dem solidarischen Gedanken folgen, werden an gewerbliche Bauträger ausgeschrieben. Blocks ohne ausgewiesene Solidarräume können aufgrund der Widmung förderbarer Wohnbau nur an Bauträger vergeben werden, die Wohnungen nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnungssanierungsgesetz (WWFSG) errichten. Auflagen zu maximalen Errichtungspreisen für die Ausschüttung von Wohnbauförderungen würden bei Realisierung zusätzlicher Solidarflächen auf Kosten der künftigen Bewohner gehen, da bauliche Einsparungen (vor allem im Wohnraum) gemacht werden müssten. Die Erdgeschoßlokale mit gewerblicher Nutzung in geförderten Wohnhäusern ermöglichen die Finanzierung von Wohnungen mit Superförderung. Unterschiedliche Formen der Errichtung durch gewerbliche und gemeinnützige Bauvereinigungen führen zu sozialer Diversität im Grätzel. Das vorgeschlagene Modell würde drei Wohnbautypen durchmischen: Private Bauträger, gemeinnützige Bauträger und die Vergabe an Baugruppen. Baugruppen können auch für Grundstücke mit der Widmung FB (förderbarer Wohnbau) an Bauträgerwettbewerben teilnehmen.
gewerblichen Bauträgern:
- freier Markt, keine Regulierung
- Errichtungsfinanzierung der Räume für das Allgemeinwohl
gemeinnützigen Bauträgern:
- herkömmliche Vergabekriterien
- Superförderung
Herstellen von Gewerbeflächen für den freien Markt zur Querfinanzierung der Wohnungen
Finanzierungsbeispiel

Die hier gezeigte graphische Darstellung eines Baublocks dient zur Demonstration, wie die Finanzierung der Errichtung von Solidarflächen im Erdgeschoß der Wohngebäude erfolgen kann. Die Widmungs- und Bebauungsbestimmungen sehen vor, auf diesem Bauplatz Wohnungen durch einen Bauträger errichten zu lassen – dabei kann die Wohnbauförderung herangezogen, oder aber auch privat finanziert errichtet werden. Die zu einem öffentlichen Platz hin orientierten Erdgeschoßflächen werden als Solidarflächen gewidmet, das restliche Erdgeschoß wird als Erschließungsfläche für die Wohnungen und gewerbliche Geschäftsfläche vergeben, die Nutzung des restlichen Erdgeschoßes ist vom Entwurf abhängig. Die Wohnungen in den Regelgeschoßen können vom Bauträger sowohl frei finanziert als auch gefördert errichtet werden. Im Fall der Vergabe dieser Bauplätze verpflichten sich die Bauträger, die Errichtungskosten der Solidarflächen – aliquot nach BGF unter den drei Bauträgern aufgeteilt – in diesem Block zu tragen (hier kommt dem Investor die Möglichkeit frei finanzierter Wohnungen entgegen, aus deren Gewinn die Errichtungskosten getragen werden – siehe folgende Preis-/Kostenaufstellung).
Auch gemeinnützige Bauträger können Gebäude mit der Verpflichtung, Solidarflächen zu schaffen, errichten. Für den Bau von geförderten Wohnungen sind gesonderte Bestimmungen möglich. Die Solidarflächen sind nach ihrer Errichtung Teil der Solidarflächenverwaltung der Stadt und werden nach den bereits beschriebenen Kriterien vergeben. Nach der Parifizierung des Gebäudes werden die gemeinnützigen Flächen zum Eigentum einer kommunalen juristischen Person, der Solidarflächenverwaltung.
Errichtungskosten für geförderte Wohnbauten in Wien: 1730 €/m2 (vgl. §1 Neubauverordnung 2007, Fassung vom 22.3.2015)
Durchschnittlicher Verkaufspreis für frei finanzierte neu(-wertige) Eigentumswohnungen in Wien: 4760 €/ m2 (vgl. BUWOG, 2015, S. 13)
Vergabe
Die Vergabe der Solidarflächen wird über eine kommunale Einrichtung geschehen, die gemeinnützige Interessen verfolgt und eine unabhängige, sozial gerechte Vermittlung sicherstellt. Da unterschiedliche Typen von Nutzungen, in Frage kommen können, muss ein Katalog von möglichen Betriebsformen erstellt werden (siehe nebenstehende Tabelle). Auch neue Konsumformen sollen Berücksichtigung finden. Zusammenschlüsse, die Konsumorte auch zu Orten der Produktion in Form von Ateliers und Werkstätten werden lassen, sind Beispiele. Zusätzlich zeigen solche Orte den Ursprung von materiellen Konsumgütern und fördern ein Bewusstsein bezüglich des Werts von Waren und der Wertschöpfungskette. Räume, die nicht dem materiellen Konsum bzw. der Produktion solcher Güter dienen, wären u.a. soziale Einrichtungen und Orte für kulturelle Veranstaltungen. Im Gegensatz zu privatwirtschaftlich agierenden Sharing-Betrieben wird das Teilen der Solidarräume durch die kommunale Einrichtung organisiert.
Neue Nutzungsverteilungen im Betrieb der Räume werden gefördert die erschwingliche Preise für BenutzerInnen und BetreiberInnen sicherstellen. Mehrere InteressentInnen an solidarischen Konsumräumen können zusammen ein Lokal beantragen. Die Bewertung der Vergabe erfolgt anhand der Konzeption, Durchführbarkeit und der sozialen Komponente – auch in Hinblick auf Bedarf an entstehenden Angeboten in dem Stadtteil. Die (beschränkte) Gewinnschöpfung aus der Vermietung der Solidarflächen finanziert neu geschaffene Arbeitsplätze, die für die Vergabe notwendig werden. Die kommunale Vermittlungsagentur arbeitet mit den Gebietsbetreuungen zusammen, da diese einen guten Überblick über die Bedürfnisse im Stadtteil und Bezirk haben. Die Schaffung von Orten für kreative ArbeiterInnen und neue Gewerbeformen birgt Potential, den Stadtteil über die Bezirksgrenzen hinaus als einen attraktiven Standort für neue Produktions- und Konsumformen zu etablieren. Durch das Entstehen von Clustern für solidarische Nutzungen in anderen Entwicklungsgebieten können Verbindungen zwischen den Zentren aufkeimen. Ein Aspekt, der auch das Streben nach Polyzentralität im STEP unterstützt.
Kosten für MieterInnen
Die Mietpreise der Flächen werden nach Nutzungen gestaffelt, und orientieren sich an Mietpreisen für Wohnungen mit Superförderung (max. 7.5 €/m2 exkl. Betriebskosten). Ein Mietkostenbeitrag ist notwendig, um Betrieb, Verwaltung und Instandhaltung zu finanzieren. Bei Mehrfachnutzungen teilen sich die Mieter die Kosten aliquot nach zeitlicher und räumlicher Nutzung auf. Nicht alle solidarischen Angebote verfügen über die gleichen finanziellen Mittel und müssen im Interesse des Gemeinwohls unterschiedlich finanziert und gefördert werden. Dem Grundgedanken der Solidarität folgend, werden die unterschiedlichen Betriebsarten nach Bedarf und sozialem Mehrwert bewertet und in Folge ermittelt, wie viel Prozent des maximalen Mietpreises zu entrichten sind. Co-Working-Plätze könnten zB 100%, also 7.5 €/m2, bezahlen und damit Schlafräume für Wohnungslose querfinanzieren, die wenig Kapitalausschüttung erzeugen können. Das Prinzip der regelmäßigen Umsatzprüfung nach Bezug der Räume ist – wie auch bei der Vergabe von SMART-Wohnungen – bei stark subventionierten Einrichtungen ebenfalls notwendig, um sicherzustellen, dass im Interesse des Gemeinwohls gehandelt wird.
Die Finanzierung scheint – wie so oft in Debatten um die Vergabe und Errichtung von Raum – ein schwieriges Thema zu sein. An dieser Stelle sei aber auch auf die positiven ökonomischen Auswirkungen dieser neuen Form von halböffentlichem Solidarraum hingewiesen: Durch die Möglichkeit, diese Räume mit geringerem Aufwand mieten zu können, werden Förderungen, wie für Kunst und Kultur, neue Betriebsgründungen und Soziales weniger notwendig für die Beteiligten. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist zwar mit finanziellem Aufwand verbunden, aber vernünftig, da weiteren Menschen die Möglichkeit geboten wird, von Förderungen unabhängig ein Gewerbe aufzubauen. Werden Lokale am freien Markt angemietet, erfolgt durch die notwendige Förderung und Bezahlung an private Unternehmen ein Geldfluss von kommunalem Geld in private Hände.
BUWOG Group (2015). Erster Wiener Wohnungsmarktbericht Ausgabe 2015.
Gesetz über die Förderung des Wohnungsneubaus und der Wohnhaussanierung und die Gewährung von Wohnbeihilfe. Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG) 1989. Fassung vom 8.10.2014.
Hügli, A. & Lübcke, P. (2013). Philosophielexikon: Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Klaus, G. & Buhr, M. (1972). Marxistisch-Leninistisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
LeGates, R.T. et al. (2003). The City Reader: 3rd edition. London: Routledge.
Stadt Wien - MA18. (2014). STEP 2025: Stadtentwicklungsplan Wien.
Verordnung der Wiener Landesregierung über die Förderung der Errichtung von Wohnungen, Geschäftsräumen, Heimplätzen, Eigenheimen, Kleingartenwohnhäusern und Einrichtungen der kommunalen Infrastruktur im Rahmen des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes – WWFSG 1989. Neubauverordnung 2007. Fassung vom 22.3.2015.
Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch. Baurdnung für Wien (BO für Wien). Fassung vom 16.1.2015.
Zoidl, F. & derStandard.at (2014): Paris besteuert Leerstand, online http://derstandard.at/2000003216088/Paris-besteuert-Leerstand, abgerufen am 01.08.2015.