Kapitalismus ablösen – vom Wunsch zur Wirklichkeit II.
Ein kleiner Schritt, eine Aktion, einen kleinen Beitrag leisten.
In den letzten zwei Wochen experimentierten die Teilnehmenden mit ihren im ersten Teil ausgearbeiteten Projekten. Das Ziel: Erste Schritte zur Ablöse des Kapitalismus zu setzen. Dieser Abend bot Raum für Reflexion und Austausch der gewonnenen Erfahrungen. Das Anliegen der Workshopleiterin Florentine Maier war es, im Rahmen der Module zu animieren, zu inspirieren, Hürden zu überwinden, um konkrete Handlungen zu setzen. Die Ökonomin arbeitet am Institut für Nonprofit Management der Wirtschaftsuniversität Wien und beschäftigt sich in den letzten Jahren verstärkt mit Kapitalismus sowie möglichen Alternativen.
Nach einer kurzen Begrüßungsrunde widmen sich die Anwesenden gleich den Reflexionsfragen. Dabei geht es einerseits darum, eine Gesamteinschätzung abzugeben sowie förderliche und hinderliche Faktoren herauszufiltern, andererseits Schlussfolgerungen und Lernerfahrungen zu benennen.
So vielfältig die Teilnehmenden sind, so groß ist auch die Spannbreite der Themen und Herangehensweisen: eine Vernetzungsplattform einrichten, Unterstützungserklärungen sammeln, einen Reparaturkreis im Grätzl aufbauen, einen Gemeinschaftsgarten gestalten sowie konkrete Aktionen planen, um eine Zwangsräumung zu verhindern.
„Die Vision war meine treibende Kraft.“Die Teilnehmenden waren in diesem experimentellen Prozess durch ihre Motivation und Utopien inspiriert. „Die Vision war meine treibende Kraft“, schildert einer seinen Antrieb handlungsfähig zu werden. Die Anwesenden berichten von einem ersten Austausch mit Menschen aus dem Umfeld über ihre Ideen und der Geduld, diese immer wieder zu erklären. Die Projektideen führten Menschen zusammen. So geben bereits bestehende Reparaturkreise ihre gesammelten Erfahrungen weiter. Infolgedessen kam der Gedanke auf, in den existierenden Strukturen mitzuarbeiten, denn „da kann ich mitmachen und lernen, wie so etwas funktioniert“, so ein Teilnehmer. Ein anderer eignete sich das technische Know-How für die Gestaltung einer Homepage an, denn „es ist immer besser, wenn man etwas lernen kann, um nicht abhängig zu sein“, ist sein Motto. Zuletzt erzählt eine Anwesende von einem kleinen Erfolg durch eine Solidaritätsaktion, welche 50 Menschen innerhalb weniger Tage mobilisierte, um eine Zwangsräumung zu verhindern. Hier seien unter anderem schon bestehende Netzwerke hilfreich gewesen.
„Was kann ich eigentlich dazu beitragen?“
Auf der anderen Seite stellen sich auch einige Hürden in den Weg. Der Widerspruch – „Kapital zu sammeln, um Kapital zurückzudrängen“ – war eine der Unsicherheiten, welche die Anwesenden beschäftigt. Hierauf wird im Laufe des Abends unter anderem die Forderung nach einer Leerstandssteuer und möglichen Zwischennutzungen laut, um leerstehende Räume zivilgesellschaftlich nutzen zu können. Ebenso eröffnet sich die Diskussion rund um ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Ein weiterer, hinderlicher Faktor war die Zeit. Einer der Teilnehmenden berichtet ohne Hemmungen von seinem Scheitern aufgrund beruflicher Zwänge. Die Kenntnisse für die Umsetzung seines Projekts wären da gewesen. „Hätte es jemanden gegeben, den ich unbezahlt dafür zur Unterstützung gehabt hätte, wäre es möglich gewesen“, kommentiert er mit einem ironischen Lächeln sein Resultat.
Weiters äußert ein anderer die Empfindung: „Ich stehe alleine da“ und das Gefühl der Ohnmacht „Was kann ich eigentlich dazu beitragen?“ sowie das Fehlen der technischen Fähigkeiten. Auch erfahren einige Desinteresse und die Schwierigkeit, Mitstreitende zu finden.
Die Erfahrungen sind jedoch verschieden. So schildert ein anderer Teilnehmer seine Erfahrung der „Veränderung durch konkretes Tun“. Sobald die Vorbereitungen für die Gestaltung eines Gemeinschaftsgartens getan waren und das konkrete Handeln in den Vordergrund rückte, hätten sich schließlich auch mehr Mitstreiter*innen gefunden. Allerdings gesteht er mit aufmunternden Worten, für den Gemeinschaftsgarten auch fast ein Jahr Anlaufzeit gebraucht zu haben.
„Machen, Scheitern, Reflektieren, Lernen.“
Das Ziel der Workshopleiterin Maier „Ins Tun zu kommen“ konnte von den Anwesenden großteils umgesetzt werden. Die Erkenntnisse und Lernerfahrungen in diesem Zeitraum waren unterschiedlich.
„Der Mensch will intuitiv nicht im kapitalistischen System leben, da darin jeder einzelne Mensch reduziert ist“. Diese Überzeugung motivierte einen Teilnehmer zum Handeln. Wichtig sei „ein kleiner Schritt, eine Aktion, einen kleinen Beitrag zu leisten, wie zum Beispiel Gemüse selber anzubauen, wo Menschen, die etwas brauchen, sich auch etwas nehmen können“, meint ein anderer.
Die Strategien zur Ablöse des Kapitalismus waren und sind für die Teilnehmenden divers: Zwischen Abschaffung des Geldes und Kapitals bis hin zum Schaffen einer demokratischen Gesellschaftsordnung mit einem alternativen Wirtschaftssystem, wie der Gemeinwohlökonomie. Die Wege Veränderung zu machen, sind so vielfältig wie die einzelnen Menschen, betonte Maier bereits beim ersten Treffen. Lösungsansätze gab und gibt es bis heute in Unmengen.
Wesentlich seien die eigenen Visionen und Utopien, so verrückt sie auch sein mögen. Sie regen zur Inspiration an und machen handlungsfähig inmitten dieser diffusen, kapitalistischen Welt. Es ginge darum ins Tun zu kommen, auszuprobieren, zu lernen. Auch scheitern sei erlaubt, mit dem Versuch daraus neue Erkenntnisse zu schöpfen, unterstreicht Maier.
Die Teilnehmenden sprechen auch von der Relevanz, ein stabiles soziales Umfeld um sich zu haben. Ebenso von der Wichtigkeit, sich kollektiv zu organisieren. „Es ist ein Team notwendig. Einzelkämpfer haben keine Chance“, so ein Anwesender. Ins Grätzl gehen, sich vernetzen statt nur im eigenen Milieu zu verweilen, ist auch Maiers Anregung.
Kleinere Ziele setzen, dabei aber die große Absicht dahinter präsent zu haben, folgert ein anderer Teilnehmer.
Nachdenklich durch die gemeinsamen Reflexionen und motiviert zu weiteren Taten verlassen die Teilnehmenden an diesem Abend die Räumlichkeiten der Grünen Bildungswerkstatt. Eine Bemerkung eines Teilnehmers bleibt jedoch allen, „dass viele Menschen doch ähnlich denken wie ich“.
Die Autorin, Romina Weleba, hat Kultur- und Sozialarbeit studiert.
Links.
Interview zur Zwangsdelogierung: Radio Orange, vom 06.10.2014
Blog zum Thema Zwangsdelogierung
Artikel zur Zwangsdelogierung: Augustin Nr. 376