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Klimawandel ist kein Scherz.

Der zweite WU-Nachhaltigkeitstag widmete sich am 13. Mai 2015 ganz dem Thema Klima. Am Abend diskutierten Helga Kromp-Kolb (BOKU), Wolfgang Pekny (Plattform footprint), Armon Rezai (Institute for Ecological Economics, WU), Jürgen Schneider (Umweltbundesamt) und Martha Ecker (TU).

Fred Luks, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuni Wien (WU) und Moderator der Podiumsdiskussion stellt gleich zu Beginn klar: „Wir reden heute nicht darüber, ob es den Klimawandel gibt.“ Das sei längst keine Frage mehr. Vielmehr interessieren die Fragen: „Was folgt aus dem Umstand, dass Klimawandel kein Scherz ist? Und was sind zentrale Herausforderungen?“

Klimapolitische Herausforderungen.
Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb meint, die Herausforderungen seien sehr unterschiedlich für Universitäten, Politik und den Einzelnen. Sie persönlich habe folgende Konsequenz gezogen: „Ich fliege nicht mehr.“ Zu einer Klimatagung wolle sie nicht mehr mit dem Flugzeug anreisen, das sei zu widersprüchlich. An den Universitäten herrsche das Motto: Viel Mobilität und viele Konferenzen, möglichst immer woanders. Eine grundsätzliche Herausforderung sei: „Wie ist das System veränderbar, sodass weniger geflogen wird?“
Die Expertin betont, man solle sich „mit der Politik ins Bett legen – aber als Laus“. Lästig sein, Fragen stellen, Lösungen fordern. Die internationale Klimapolitik will die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung stabilisieren. Dieses Zwei-Grad-Ziel hält die Forscherin für machbar. Doch dazu müssten die Weichen jetzt gestellt werden, sagt Kromp-Kolb, andernfalls sei eine ständige weitere Erwärmung nicht mehr zu verhindern. Der in der Allianz nachhaltiger Universitäten aktiven Professorin ist es wichtiger zu handeln, „als nur auf die zwei Grad zu schauen.“ Was bedeutet Dürre für den bäuerlichen Ertrag? Welche Schädlinge vermehren sich durch zusätzliche Erwärmung? Was heißt mehr Regen im Winter statt Schnee? Die Forscherin mahnt, die Wissenschaft dürfe die Verantwortung nicht an die Politik abgeben.

Unsicherheit und politische Verantwortung.
Jürgen Schneider berichtet, das Umweltbundesamt entwickle Klimawandel-Szenarien. Dabei sei die größte Unsicherheit: „Wie viele Treibhausgase werden wir freisetzen?“ Auch sei unklar, ob wir derzeit in einer zwei, drei, vier, fünf oder sechs Grad Situation lebten. Der promovierte Chemiker und Luftqualitätsexperte ist der Meinung, die Politik dürfe die Verantwortung nicht auf die einzelnen Bürger*innen abwälzen. Politische Institutionen und die Wirtschaft hätten mehr Geld, mehr Expertise, mehr Wissen und daher auch mehr Verantwortung als der Einzelne. Problematisch sei jedoch, dass die Politik mehr interessens- als wissensgetrieben agiere.

Hausverstand am Raumschiff Erde.
Wolfgang Pekny, Geschäftsführer der Plattform footprint und studierter Biologe, kritisiert in seinem ersten Statement: „Wir haben zu viel Zeit mit der Frage verschissen, ob es den Klimawandel überhaupt gibt.“ Der „Unterlassensberater“ meint, Veränderung beginne im Kopf und beim Hausverstand. Das „Raumschiff Erde“ habe nun einmal begrenzt Luft und Wasser, die Kapazitäten und der zulässige CO2-Pro-Kopf-Verbrauch seien leicht errechenbar. Doch „global zu denken, ist uns nicht in die Wiege gelegt.“ Aber lokal könnten wir eine entsprechende Politik wählen. Er sagt, Klimapolitik entscheide sich auch an der Wahlurne.

Sozial und ökonomisch für Verteilungsaspekt.
Armon Rezai, Makroökonom und Klimaexperte, hält die Frage der Begrenzung von CO2-Emissionen für nicht ausreichend, weil dabei der Verteilungsaspekt zu kurz komme. Daher plädiert er, soziale und ökologische Thematiken unbedingt zusammenzudenken. Staatliche Regulierung und Interventionen sollten für jene Infrastruktur sorgen, die einen geringen Ressourcenverbrauch für Bürger*innen erst ermöglicht, etwa im Bereich „gemeinschaftliches Wohnen“ oder „öffentlicher Verkehr statt Autos.“ Zersiedelung solle möglichst verhindert werden. Und Unternehmen sollten Förderungen und Anreize erhalten, ökologisch zu wirtschaften.
Selbst wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichten, würden wir ewig brauchen wieder zum ursprünglichen, vorindustriellen Niveau zu gelangen. Falls dies überhaupt möglich wäre: „Sollen wir das CO2 aus der Luft raussaugen?“
Die Verantwortung des Einzelnen stuft er als schwierig ein: Globale Konzerne produzierten heute in aller Welt. Für Konsumierende sei es unmöglich zu erkennen, ob ein Produkt ressourcenschonend und klimafreundlich hergestellt wurde.

Lebensstil macht Fußabdruck.
Die Universitätsassistentin Martha Ecker machte ihren Master in Socio-Ecological Economics and Policy. Sie berichtet von Planspielen und Workshops, die im Laufe des Nachhaltigkeitstages stattgefunden haben. Dabei sei herausgekommen, bezüglich Lebensqualität und Wirtschaftswachstum sei eine erforderliche Skepsis gegenüber technischen Innovationen angebracht. Das Durchspielen verschiedener Lebensstil-Szenarien hinsichtlich Fleisch, Reisen, Wohnen und Energie ergab unterschiedliche ökologische Fußabdrücke. Auch Ecker spricht sich für politische Maßnahmen aus: „Die individuelle Ebene reicht nicht aus.“

Klima“-Konferenz und Ressourcenwirtschaft.
Auf Klimakonferenzen gehe es um Wirtschaft, nicht ums Klima, kritisiert Pekny. Angela Merkel und andere Regierungschefs könnten doch nicht mit Einschränkungen für ihr Land zurückkommen. „Und dann auch noch den Chinesen sagen, fahrt ihr aber besser mit dem Rad, nicht mit dem Auto!“ Laut Pekny kommen auf 1.000 Inder*innen nur acht Autos, während auf 1.000 Österreicher*innen 550 kämen. Er spricht sich für die Einführung einer Ressourcenwirtschaft mit dualem Währungssystems aus: durch Arbeit oder Sozialleistung erworbenes Geld und Ressourcen, die jede*r als Lebensstart und Geburtsrecht zugeteilt bekommen soll.

Wie hart trifft es uns?
Rezai meint, wir hätten genug Wasser, wir würden unter Klimaerwärmung weniger leiden als Länder im globalen Süden. Ecker zitiert eine Studie, wonach bei Nichterreichen der Klimaziele etwa Uganda mit einem Ernterückgang von bis zu 30 Prozent rechnen müsste, „weil dort die Landwirtschaft auf Regenwasser angewiesen ist“. Schneider sieht es so: Reiche Länder würden vor allem deswegen weniger leiden, weil sie mehr Geld hätten für die Abfederung unerwünschter Klimafolgen. Kromp-Kolb hingegen warnt vor dem Glauben, „dass wir alles viel leichter überleben werden“. Uns Technikabhängigen fehlten inzwischen natürliche und handwerkliche Fertigkeiten: „Im Westen wissen wir nicht, wo das nächste Wasserloch ist.“

Rolle von Unis und Studierenden.
Zur Frage, was die Rolle von Hochschulen und Studierenden in Sachen Klimawandel sein sollte, meint Kromp-Kolb: Aufgabe der Studierenden wäre es, die Lehrenden zu hinterfragen, sie mit Fragen zum Klimawandel und seinen Auswirkungen zu löchern. Ecker plädiert dafür, an Universitäten einen Rahmen für Kollaboration zu schaffen: „Einzelne Unis, Disziplinen und Fachrichtungen sollten übergreifend zusammenarbeiten.“

Den Nachhaltigkeitstag organisierten gemeinsam das WU-Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit, oikos Vienna und die ÖH-WU.

Die Autorin Karina Böhm hat Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert. Sie ist Chefin vom Dienst und Mitglied der GBW-Redaktion.

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