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Kommentar zu Raphael Kiczka - Christoph Laimer

Die Idee der Urban Commons gerät als Hoffnungsträger für städtischen Wandel immer stärker ins Blickfeld. Was es dringend braucht, sind Erprobungsfelder in größerem Maßstab, um von vereinzelten Inseln des Commoning zu praktikablen Lösungen für eine Stadt für alle zu gelangen.

 

Raph Kiczka skizziert in seinem Text „Wem gehört die Stadt? Urban Commons als Wegbereiter einer Stadt für alle“ die Entwicklung der kapitalistischen Stadt im Zeichen neoliberaler Paradigmen und präsentiert Urban Commons als Schritt in eine urbane Gesellschaft, die einen Gegenentwurf zur Ideologie der Stadt als Unternehmen darstellt.

Als ein zentrales Kennzeichen der Neoliberaliserung der Stadt sieht Kiczka verschärfte Verdrängungsprozesse als Teil von Gentrifizierung. Gleichermaßen auffällig ist die Zunahme von ordnungs- und sicherheitspolitischen Maßnahmen, für die auch die zunehmende Bedeutung des Außenbildes der Städte verantwortlich zeichnet und die zu Ausschlüssen führt, die in besonderem Maße Menschen trifft, deren Sichtbarkeit im öffentlichen Raum unerwünscht ist. Erfreulicherweise begeht Kiczka nicht die verbreitete Fehlanalyse, Symptome von Gentrifizierung, die sich vor allem im so genannten Landscape Change zeigen, für die Ursache zu halten, was nur allzu oft in der Kritik an KünstlerInnen oder StudentInnen als „Pioniere der Gentrifizierung“ mündet. Kiczka distanziert sich dezidiert davon und verweist richtigerweise auf die dahinter liegenden ökonomischen Ursachen.

Der ausufernden Kommodifizierung setzt die Idee der Commons Dekommodifizierung entgegen und trifft die neoliberale Ideologie somit im Kern. Kiczka sieht Commoning als Alltagspraxis, die nicht nur mit „Markt und Steuerung von oben [sondern] auch mit Lohnarbeit, künstlicher Verknappung und Konkurrenz bricht“. Er bezeichnet Commons als „Einstiegsprojekt und transformative Infrastruktur“, als „Kommunikationsmotoren und Lernlabore“, die neue Handlungswege für eine künftige Gesellschaft öffnen und nennt als aktuelle Beispiele Gemeinschaftsgärten, Kostnixläden, kollektiv genutzte Werkstätten oder Wohnprojekte. Von besonderer Bedeutung sind für ihn nicht-kommerzielle Räume, um „Veränderung andenken zu können und sich über Alltag, Probleme und Lösungsmöglichkeiten auszutauschen zu können“. Recht auf Stadt, ein Slogan der auf den französischen Soziologen und Philosophen Henri Lefebvre zurückgeht, führt Kiczka als verbindende Widerstandsperspektive und solidarisches Netzwerk für viele dieser Initiativen an.

Das von Kiczka aufgegriffene Thema Urban Commons hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren und ist bisher trotzdem überraschend unkonkret geblieben. Die Erforschung von Anwendungsmöglichkeiten befindet sich nach wie vor in einer Anfangsphase, obwohl es viele Versuche, Ansätze, Projekte und immer mehr Theoriebildung dazu gibt. Gelungene Referenzbeispiele, die nicht nur in einem kleinen, kulturell oder sozial homogenen Bevölkerungssegment funktionieren, sind in westlich-kapitalistischen Städten bisher allerdings rar. Genau hier wäre aber anzusetzen, um die Stadt als verdichtete Unterschiedlichkeit, als urbane Gesellschaft im Sinne Henri Lefebvres weiterzuentwickeln und nicht zu einer Ansammlung in sich homogener, selbstverwalteter Inseln zu machen.

Zentral stellt sich somit die Frage der Skalierbarkeit. Organisation und Kommunikation, die bei kleinen überschaubaren Projekten meist bewältigbar sind und auch ohne komplexere Arrangements funktionieren, benötigen für größere, milieuübergreifende, offene Strukturen neue Modelle der Verwaltung. Hier anzusetzen und dabei sowohl auf vorhandenes Wissen zurück zu greifen als auch neue praktische Erfahrungen zu sammeln, ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer Stadt für und durch alle. Die Idee der Urban Commons birgt tatsächlich eine Menge transformatives Potential, das praktischer Erprobung und Entwicklung in größerem Maßstab bedarf. Intelligente Städte tun gut daran, notwendige räumliche und strukturelle Voraussetzungen dafür zu schaffen – an Ideen und Engagement mangelt es nämlich nicht.

Vorstandsmitglied von dérive – Verein für Stadtforschung, Gründer und Chefredakteur der seit 2000 vierteljährlich erscheinenden, internationalen und interdisziplinären Zeitschrift für kritische Stadtforschung dérive. Co-Kurator von urbanize! Int. Festival für urbane Erkundungen in Wien, das sich jährlich für 10 Tage an der Schnittstelle von Wissenschaft, Kunst und Aktivismus der interdisziplinären Auseinandersetzung mit urbanen Fragestellungen widmet. Zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge, Interventionen zu urbanen Themenstellungen. Studium der Politikwissenschaft und Philosophie.