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Kommentar zu Raphael Kiczka - Florentina Hausknotz

Das Urbanen ist prozesshaftig. Denn es zeichnet sich in seinem provisorisch Sein aus. Das ist es, was uns im Moment erlaubt etwas freier zu werden.

Herzlichen Dank, Raphael Kiczka fu?r diesen klaren und hoffnungsvollen Text. Kiczkas vorliegende Auseinandersetzung sucht nicht Schuldige, mo?chte nicht als Anklage verstanden sein und beha?lt dennoch die no?tige kritische Distanz. Mit Kiczkas „Wem geho?rt die Stadt? Urban Commons als Wegbereiter einer Stadt fu?r alle.“ ko?nnen wir aufbrechen und es fu?hlt sich nicht merkwu?rdig an, eine bessere Zukunft zu planen, das Neue wird greifbar.

Ein kurzer Überblick steht vor der Diskussion zweier Themen, die mich sehr interessiert haben. Darauf soll die Frage nach der Prozesshaftigkeit in diesem Ansatzes zu urban commons besonders sichtbar werden. Zweitens wird nachgedacht inwiefern wir eigentlich noch von der Stadt sprechen. Was „commons“ sein ko?nnen, ob es zielfu?hrend wa?re mehrere Ebenen ihrer in die Debatte einzufu?hren.

„Die Stadt ist Ort der Differenz, eine verdichtete Unterschiedlichkeit, kein gepflegtes Wohnzimmer.“

Ich werde dieses Textstu?ck von hinten aufrollen, um daran eine Zusammenfassung Kiczkas Thesen entspringen zu lassen. Die Stadt ist kein gepflegtes Wohnzimmer, jedoch sie ist Wohnung, sie ist ein Ort des Allta?glichen – wie Kiczka mit Henri Lefebvre argumentiert –, nicht der offensichtlich herausragenden Ereignisse, sie ist weder Museum, noch Arena. Die Stadt liegt dort, wo gegessen, getrunken, geliebt, zur Schule und zur Arbeit gegangen wird. Dies ist natu?rlich nur eine Definition des Umstands »Stadt«, andere ko?nnen formuliert werden. Diese Definition allerdings, zeichnet sich durch die Befu?rwortung einer gelebten Form von Demokratie aus, da der Zutritt zum verwilderten Wohnzimmer allen Bewohner_innen zu jeder Zeit mo?glich ist, sowie Ankommende von außen als Ga?ste besonders freundlich behandelt werden. Das Wohnzimmer kann zum gemu?tlichen Ort des Zusammenseins und freundlichen Streitens werden, sind die Rituale nicht zu starr, herrscht kein Sauberkeitswahn. In diesem Wohnzimmer lebt die „verdichtete Unterschiedlichkeit“ verschiedene Vorstellungen von Entspannung und Kommunikation ko?nnen aufeinander treffen, im besten Fall kommt es zu Konflikten, die entspannt ausgetragen werden ko?nnen und mu?ssen, da wir unser Wohnzimmer nicht verlassen wollen und ko?nnen. Gemeinsam kann ein Transformationsprozess starten, der diesen offenen Lebensraum interessanter macht. Schlussendlich ist die Stadt ein Ort der Differenz, ein Zwischenraum, der uns erlaubt auch unterschiedliche Indentita?ten zu erproben, uns im Antreffen von Fremdem neu zu erfinden. Die Stadt ist damit ein Zuhause, das dies dennoch nie ganz erlaubt, sich ganz heimisch zu fu?hlen, Heimat wird das Wohnzimmer Stadt in dem Sinn als es immer vor uns liegt, mit seinen offenen Fragen und Vera?nderungsangeboten, allta?gliche Rituale beka?mpft die Stadt durch den Einfluss des immer neuen.

Womit auf ein Paradox hingewiesen sei, welches Kiczka anspricht: Im Wohnlichermachen unserer Viertel, im Aufwerten unseres Umfelds, ist man zu jederzeit damit konfrontiert ein Produkt, ein »lebendiges Areal« zu schaffen, das schlussendlich Profit abwirft. Steigende Mieten sind die scheinbar notwendige Konsequenz, aus der Aufwertung einer Gegend durch multiple und freie Initiativen. Ist Flucht in die Passivita?t die einzige Mo?glichkeit des Handelns in diesem Kontext?

Nein, meint Kiczka, Projekte mu?ssen vor dem Hintergrund politischer Überlegungen passieren, die den Alltag des Tuns begleiten. Politisch aktive Urban Commons - wenn man so formulieren darf – wa?ren folglich Ra?ume, die Stadt im Moment leb- und vera?nderbar machen. Stadt ist mit Lefebvre und Kiczka gesprochen folglich keine o?rtliche Form von Identita?t, die Abgrenzung zum Land, sondern verdichtete Energie. Der Moment, in dem Transformation mo?glich wird, sich Handlungstheater ero?ffnen. Urban Commons sind transformative Infrastruktur, Lernlabore und Einstiegsprozesse in eine Form des Zusammenlebens, die dann erst tatsa?chlich urban ist, wie man Kiczka interpretieren ko?nnte.

Womit ich mich bereits mitten in meinem ersten Spezialpunkt befinde. Der Prozesshaftigkeit im Urbanen und der Einfu?hrung von Gemeinschaftlichem, multipel verwendbaren Orten. Ich befu?rworte den Blick, der Stadt und Vera?nderung als langsam und im Moment beginnend beschreibt, allerdings zweifle ich an der Ankunft im tatsa?chlich Urbanen. Es sei so argumentiert, die Unzufriedenheit mit den herrschenden Umsta?nden erzeugt den Wunsch nach einer anderen Welt, bloß was wa?re das fu?r eine Welt, die eben diese Unzufriedenheit aussparen kann? Sie wa?re wohl ein großer Betrug. Das Urbane zeichnet sich in seinem provisorisch Sein aus, und um zuru?ck zu kommen zu Kiczka und seinem Ansatz die Commons als einen ersten Schritt in eine neue Gesellschaft zu sehen, sei vorgeschlagen sie einfach als eine Mo?glichkeit zu sehen, die uns im Moment erlaubt etwas freier zu werden, wohin das fu?hren soll, muss nicht festgelegt sein. Im Sinne eines Tuns und einer Politik, das/die konkret und fu?r die im Moment lebenden Menschen da sein mo?chte, sei zu jeder Zeit eben deren Befreiung im Fokus des Handelns.

Mir geht es nicht darum umfassendes Planen zu verabschieden, allerdings kann Partizipation nur passieren, wenn es mo?glich wird, dass unterschiedliche Prozesse einander zu u?berlagern beginnen, wir heute im Sinne der »Urban Commons«, wie sie an diesem Ort verstanden sind Einfluss nehmen und morgen uns mo?glicherweise auf den Unterbau eines anderen Projekts stu?tzen, es braucht keinen offiziellen Anfang zu geben, das Scheitern jeder Methode mo?chte ich als Teil jedes Prozesses des freien Forschen und Lebens sehen.

Commons auf mehreren Ebenen

Es geht um einen neuen Humanismus – bei Lefebvre, so Kiczka – und damit scheint mir die Diskussion, wenn sie sich auch immer noch urban nennt, in den Bereich der philosophischen Universalien einzutreten. Scheinbar abgehobene Themen, wie die Besprechung jener Elemente, die Menschheit verbinden (die Mo?glichkeit zur Kommunikation?) ko?nnten Einzug ins Nachdenken zum Sta?dtischen finden, in Kontakt treten mit praktischen U?berlegungen zu Freira?umen, so dass wir breit u?ber diese neue Art des vielleicht urbanen aber jedenfalls Humanismus nachdenken ko?nnen. Stadt zu denken zeichnet sich dadurch aus Einzelne zu u?berfordern, womit nur ein Grund genannt sei fu?r gemeinschaftliche und andere Formen von Wissenschaft. Commons auf fast allen Ebenen.

Florentina Hausknotz hat Philosophie in Wien studiert. Sie promovierte im Kontext des Promotionskollegs „Formations of the Global“ an der Universität Mannheim. Ihre Doktorarbeit trug den Titel "Stadt denken. Über die Praxis der Freiheit im urbanen Zeitalter" und erschien 2010 im transcript Verlag. Florentina arbeitet mit Architekten (PAUHOF) und referiert und verfasst Aufsätze an der Schnittstelle: Architektur, Philosophie, Kunst. Zudem verbindet sie in ihrer Arbeit Mediationspraxis und Körperarbeit, um das theoretische Denken praktischer werden zu lassen und ist auf der Suche nach neuen Formen des Forschens.