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Kommentar zu Thomas Kerekes - Florentina Hausknotz

Florentina Hausknotz fordert in ihrem Kommentar zu Thomas Kerekes Text, frei gewordene Ra?ume als eben solche zu erhalten. Dies sei grundlegend für die Freiheit, die nur in der Pause oder im Zwischenraum gefunden werden kann.

Thomas Kerekes mo?chte seinen Text nicht in die Tradition der Verwu?nschung des Lebens und der herrschenden Umsta?nde einreihen. Ihm geht es darum die Orte des Utopischen in unserem Alltag aufzuzeigen, den Beleg zu bringen, dass das Andere, die Alternative bereits in unserem Leben und Denken zuhause ist, dass alternativ nicht utopisch meint und die Argumentation der Unmachbarkeit ideologisch gefa?rbt ist.

Ich mo?chte wie ich den Text gelesen habe darlegen, um endlich die Frage nach dem nicht strukturierten, dem freien Raum zu stellen.

Als Mo?glichkeitsra?ume sind Orte des Wachstums fu?r zuku?nftige Gesellschaften beschrieben, sie sollen dieser Definition entsprechen: „Mo?glichkeitsra?ume sind wahrgenommene, konzipierte Orte, deren Funktion wandelbar, flexibel und offen bleibt. Sie lassen soziale und o?konomische Experimente zu und ero?ffnen den Menschen Raum fu?r unterschiedliche Erfahrungen.“

Kurz gesagt: Im strengen Sinne wa?ren dies vo?llig regellose Ra?ume. Dennoch nennt Kerekes im Anschluss mehrere Beispiele (Baugruppen, dezentrale Energieversorgung, Co- Working, Tauschkreise, Shared Mobility, Bike-Kitchen, FoodCoops, Urban Gardening).
Die genannten Plattformen der Kooperation und Kommunikation sind Ausdruck einer Stadt der gesellschaftlichen Krise, so Kerekes. Der Nationalstaat vermag es nicht mehr mit der Situation der globalisierten Welt umzugehen. Urbane Politik denkt hingegen konkret, sie stellt die Frage nach aktuellen Bedu?rfnissen eher, denn die nach dem Gesetz, kurz gesagt, urbane Politik mo?chte die Aufteilung und Verwendung des Materiellen debattieren, keine juristischen Texte ausformulieren. Urbane Politik denkt in kleinem Rahmen, auf kommunaler Ebene. Urbane Politik ist Politik, die im Konkreten wirksam ist, sich allerdings im Netzwerk mit anderen Stadtgefu?gen verbinden mo?chte.
Im Netzwerk ko?nnen dann allgemeine Fragestellungen verhandelt werden. Mit Anlehnung an Immanuel Wallerstein argumentiert, sind es eben die durch das Handeln, die im Arbeiten erzeugten Verbindungen, die fu?r ein gemeinsames politisches Projekt vorbereiten. Nicht in der Politik werden in diesem Sinne Entscheidungen fu?r Vera?nderung getroffen, sondern dra?ngende Umsta?nde wie Armut, Hunger, nicht gesicherte Grundbedu?rfnisse zwingen die Politik nach einiger Zeit in eine neue Gestalt.1
Dieser Auslegung wu?rde wohl auch Kerekes zustimmen. Er sieht in den durch die Krise – sie a?ußert sich fu?r die Einzelne als die finanzielle Ohnmacht den Ausgaben eines wu?nschenswerten Lebens gegenu?ber – entstehenden Arbeits- und „Konsum“gemeinschaften erste Verku?nderInnen eines neuen Wirtschaftssystems. Gemeinschaften wie Baugruppen erzeugen und beleben den o?ffentlichen und halbo?ffentlichen Raum erst. Raum wird erst durch eine gewisse Struktur des Bespielens tatsa?chlich genutzt und kommunal, so Kerekes. Ra?ume brauchen demnach eine thematische Ausrichtung, um als Treffpunkte zu funktionieren. Im Falle der Baugruppen, das bewusste gemeinsam Produzieren von O?rtlichkeit, die Foodcoops versprechen gute Nahrungsmittel bereitzustellen, die Bike-Kitchen hilft das Fahrrad zu reparieren und alle diese Aktivita?ten helfen sozusagen mit Peergroups zu erzeugen; letztendlich Freundschaften zu schließen. In einem sehr allgemeinen Maße kann argumentiert werden, dass der erste Schritt in ein neues System die Wiederbelebung freundschaftlicher Bande ist, die nicht nur den Vorteil bietet gemeinsam leichter zu leben, sondern auch Entfremdungseffekte abschwa?chen, die ein vereinzeltes Leben im Spa?tkapitalismus mit sich bringt.

Schlussendlich, der Diskussionspunkt, die Frage nach dem nicht definierten Raum. Jeder Parkplatz der frei bleibt, ist eine Chance auf mehr sta?dtisches Leben, so Kerekes. Ich mo?chte dieses scho?ne Bild aufnehmen. Man stelle sich jede Menge freier Parkpla?tze vor, sowie dass eben jene nicht gewidmet wurden, wirklich freie Fla?chen sind. In keiner Weise mo?chte ich Initiativen wie Co-Working oder Tauschkreise anzweifeln, jedoch stellen sie ebenso eine sehr starre Regelung dar, um noch weiter zu denken, sie befo?rdern zumindest teilweise das Suchen seiner FreundInnen nach Kriterien der Brauchbarkeit. Der Gedanke wird immer mehr sein, ob ein Gegenu?ber ebenso aktiv und positiv denkend wie man selbst sein kann. Den MelancholikerInnen bleibt in einer Gesellschaft des sta?ndigen Austausches und der alternativen Ökonomien ebenso wenig Platz wie in anderen Wirtschaftssystemen, die ihr Funktionieren auf der Basis des unermu?dlichen Ta?tigseins aufbauen. Ich mo?chte an dieser Stelle und schlussendlich fu?r eine gewisse Form von Freiheit pla?dieren, die nur in der Pause oder im Zwischenraum gefunden werden kann. Der freie Parkplatz ko?nnte als solcher stehen bleiben, als ein Ort der seine Aufgabe getragen hat, nun allerdings sozusagen sinnlos ist. Als Menschen, ist es uns zu jeder Zeit unmo?glich unsere Verstellungen und Ideen objektiv zu bewerten, das einzige Mittel nicht paternalistisch und u?berfallartig Situationen zu kontrollieren ist die Leerstelle miteinzuplanen, frei gewordene Ra?ume als eben solche zu erhalten. Zum Schluss sei mir etwas konkreter Utopismus erlaubt: Man stelle sich vor, Autofahren in der Stadt wu?rde nur mehr zu Transportzwecken denkbar. Man denke weiter und verbiete sich die Verplanung der Straßen. Ko?nnte dies zu neuen Konfliktzonen fu?hren? Mit Sicherheit. In gewissem Sinne ko?nnten die Straßen so wieder zuru?ckkehren zu ihrem „urspu?nglichen Wesen“, sie wu?rden zu Orten der Reibung, zu Marktpla?tzen und Konfliktzonen und es ist eben dies, was die Stadt ausmacht, sie ist ein dichter Ort, der nicht erlaubt Konflikten auszuweichen, sie mu?ssen ausgetragen werden, Vera?nderung kann passieren. Urbane Politik mo?chte ich festhalten, hat eben diese Aufgabe, kleine besta?ndige Vera?nderung mo?glich zu machen, um so den eruptiven Ausbruch von Missfallen zu verhindern.

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1,2 Wallerstein, Immanuel: „Die große Expansion: Das moderne Weltsystem III. Die Konsolidierung der Weltwirtschaft im langen 18. Jahrhundert.“ Wien: Promedia, 2004, S.72 ff.

 

Florentina Hausknotz hat Philosophie in Wien studiert. Sie promovierte im Kontext des Promotionskollegs „Formations of the Global“ an der Universität Mannheim. Ihre Doktorarbeit trug den Titel "Stadt denken. Über die Praxis der Freiheit im urbanen Zeitalter" und erschien 2010 im transcript Verlag. Florentina arbeitet mit Architekten (PAUHOF) und referiert und verfasst Aufsätze an der Schnittstelle: Architektur, Philosophie, Kunst. Zudem verbindet sie in ihrer Arbeit Mediationspraxis und Körperarbeit, um das theoretische Denken praktischer werden zu lassen und ist auf der Suche nach neuen Formen des Forschens.