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Kunst und Kultur in Zeiten des Wahlkampfs.

Die Wahlkampfzeit ist fraglos ein großes, inszeniertes Drama. Obwohl auch das irgendwie eine Kunst für sich sein mag, von Kultur ist dabei selten die Rede. Deshalb lud das TAG genau dazu ein.

Was Ernst Woller zum Stellenwert der Kultur in der SPÖ sagte, traf gleichzeitig das Kernproblem der Podiumsdiskussion „Kunst und Wert“ auf den Punkt: Kunst sei immer ein relevantes Thema, nur meist gäbe es wichtigere. Neben Woller diskutierten am 4. Oktober 2015 im Theater an der Gumpendorferstraße (TAG) Vertreter*innen wahlwerbender Wiener Parteien und ein Sprecher der IG Kultur Wien den jeweiligen Stellenwert von Kunst und Kultur in Wahlkampf und Parteiprogramm. Es moderierte Martin Wassermair, eingeladen hatten das TAG, die IG Kultur Wien und das Institut für Kulturkonzepte.

Weltoffenheit statt Provinz.
Für Ernst Woller (SPÖ) ist klar: Kultur ist - unter anderem - immer wichtig und Wien verfüge mit über 700 Millionen Euro (rund 250 Millionen von der Stadt plus 460 Millionen vom Bund) über ein Kulturbudget, wie kaum eine andere Weltstadt. Im Duell zwischen SPÖ und FPÖ gehe es daher um nichts weniger als die Frage „Weltoffenheit oder Provinz“, wie sein Parteikollege Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny meinte (siehe Links). Anders als ÖVP und NEOS stehe Woller hinter Gratisveranstaltungen, „das ist zutiefst sozialdemokratisch“. Neben Partizipationsmöglichkeiten für alle schaffen sie eine Aufwertung des Raums und Mehrwert für angrenzende Betriebe. Anschuldigungen in puncto Intransparenz und Freunderlwirtschaft weist Woller als Unfug zurück.

Leitkulturelle Vielfalt.
Doch genau das kritisiert Gerald Ebinger (FPÖ). Als er per Anfrage Details zu der jährlich 42 Millionen Euro umfassenden Subvention an die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) – das sind Theater an der Wien, Raimund Theater und Ronacher – erfahren wollte, habe er lediglich einen Hinweis auf den Datenschutz geerntet. „Das ist in einer Demokratie unhaltbar.“ Für Ebinger sollten Subventionen kurzfristige Hilfen für neue Projekte sein, kein dauerhafter Finanzierungsbestandteil. Deshalb würden die Blauen bei den „großen Tankern“ sparen, um „Innovation und Kreativität“ andernorts zu fördern. Unter dem Begriff „Kultur“ versteht Ebinger „unsere angestammten europäischen Werte“. Unsere „Leitkultur“ stehe jedoch keineswegs im Widerspruch zu einer kulturellen Vielfalt. Allerdings müsse die aktuelle Einwanderung in „gewisse Regeln“ gefasst werden. Was genau unter „europäische Werte“ zu verstehen ist und wie er „Innovation und Kreativität“ fördern wolle, sparte Ebinger aus.

Zielvereinbarte Spielregeln.
Auch Bernhard Dworak (ÖVP) zielt auf die mangelnde Transparenz im Kulturmanagement der SPÖ. Außerdem fehlen ihm konkrete Zielvorgaben. Damit wendet er sich auch gegen Klaus Werner Lobo von den Grünen: „Klare Spielregeln sind besser als gar keine“. Es gäbe viele hinterfragbare Kosten – vor allem für den erwähnten „großen Tanker“ VBW. Wenigstens einen Fokus auf österreichische Musicals wie „Mozart“ oder „Elisabeth“ wünscht sich Dworak. Was die SPÖ betreibe, sei manchmal schon nicht mehr mit dem Begriff Freunderlwirtschaft, sondern eher unter „struktureller Korruption“ zu fassen.

Paternalistische Freiräume.
Für den scheidenden Kultur- und Menschenrechtssprecher der Grünen, Klaus Werner Lobo, sollte Kulturpolitik Freiräume schaffen und sozial benachteiligte Menschen integrieren. Ihm sei der „paternalistische Habitus“ ein Graus, der mit der Vergabe von Fördergeldern einhergehe, ebenso wie die bei den NEOS und der ÖVP verortete „Verwertungslogik“. Die Ergebnisse der rot-grünen Kulturpolitik sieht Lobo durchaus positiv. Nunmehr müsse Erreichtes von der Projekt- auf eine dauerhafte Strukturebene gehoben werden. Insbesondere im wachsenden Wien sei dies zentral, zumal Kulturpolitik immer auch Bildungs-, Sozial- und Integrationspolitik sei.

Nichteinmischung als Führungsprinzip.
Laut Niko Alm sei die Nichteinmischung in der kleinteiligen Abwicklung das kulturpolitische Alleinstellungsmerkmal der NEOS. Im Idealfall gäbe es Menschen, die Kunst schaffen und andere, die bereit sind, dafür zu bezahlen. Da dies nur theoretisch funktioniert, bedarf es der Subventionierung. Trotzdem würde Alm nicht alles gratis anbieten. Viel geschickter sei ein „Matching-Funds“-Modell, wobei sich Private und die öffentliche Hand Förderungen aufteilen. Beispielsweise könnte – ähnlich dem Kirchenbeitrag – ein Steuerfreibetrag für privates Kultursponsoring eingeräumt werden. Somit erspare man sich einen Haufen Bürokratie und fördere, was man ohnehin fördern wolle.

Kultur des Guten Lebens.
Für Ulli Fuchs (Wien Anders) gehe es nicht nur um „Kulturpolitik“, sondern auch um „Kultur in der Politik“. Als Beispiel dafür nennt sie, dass ein Viertel aller Wiener*innen nicht wählen dürfen. In der Kulturpolitik gehe es nicht nur um Fördergelder, sondern vielmehr um die Frage: „Wie gehen Leute miteinander um?“ Kunst und Kultur seien Instrumente zur Demokratisierung aller Lebensbereiche und Selbstermächtigung, keine Konsumgüter. Insofern wäre schon viel gewonnen, wenn die Politik den Menschen keine Steine in den Weg legen würde. Letztlich gehe es, so Fuchs, „um ein Gutes Leben für alle“.

Kapitalistischer Stillstand.
Eine „außerparlamentarische Opposition“ bildete Willi Hejda als Vertreter der freien und autonomen Kulturarbeiter*innen in Wien (IG Kultur Wien). Zwar habe es unter Rot-Grün immer wieder begrüßenswerte „Pilotprojektchen“ gegeben, an den prekären Lebensbedingungen vieler Kunstschaffender habe sich aber nichts geändert. Auch stimme das Verhältnis nicht: Die freie Szene erhalte nur ein Zehntel der Förderungen für die VBW, obwohl beide annähernd gleich viel Publikum bespielen. Als Entgegnung auf Alms Idealbild meint Hejda, dass Kunst nicht „einfach so“ passiere und sich in einem kapitalistischen System oft nicht rechne. Vieles von dem, was einen hohen sozioökonomischen Mehrwert produziere, sei meist einfach „unbezahlte Hackn“.

Der Autor, Michael Schwendinger, hat Internationale Entwicklung und Volkswirtschaft studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.

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