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Kunstbeitrag zum Stadtdiskurs von Florian Albrecht-Schoeck

Nach Jahrzehnten der politischen Bequemlichkeit merken viele Menschen, dass sich einiges um sie herum nicht unbedingt zum Positiven entwickelt hat. Das Klagen und der Zorn nehmen analog zum jahrelangen Schweigen und bequemen Konsumieren oft den Weg des geringsten Widerstandes, und dieser endet oft dort, wo Schreckliches beginnt: bei der Suche nach der Schuld.

Schuld, Wut und Bequemlichkeit

Lange habe ich überlegt, wie ich als Künstler einen Kommentar zum Thema „Städteentwicklung“ formulieren kann. Ich möchte es mit Hilfe einer Fotografie von mir versuchen: Die abgebildete Aufnahme aus der Serie „All About (Heimat)“ entstand in Griechenland zur Zeit der vorgezogenen Parlamentswahlen im Jahr 2012. Die Städte waren primär in einem Ausnahmezustand zwischen Demonstrationen und Generalstreiks. Ein gesellschaftliches Gesamtresultat aus Misstrauen, politischem Versagen und dem weit verbreiteten sowie unumstößlichen Glauben an Wachstum und die Macht der Märkte - welcher in den oberen Etagen der Banken, Unternehmen und Staatlichen Institutionen nach wie vor zu existieren scheint. Die Städte entwickeln sich von einem Ort des Zusammenlebens zu einem nahezu unüberschaubaren Schlachtfeld der unterschiedlichen Interessenvertreter. Diese Entwicklung ist vielerorts in Europa zu beobachten.

Gründe empört zu sein, gibt es mehr als genug. Einige Beispiele: rapide steigende Miet- und Immobilienpreise (Stichwort: Gentrifizierung), Abbau der Kranken- und Sozialsysteme, ein sichtlich an Qualität verlierendes Bildungssystem, Renten- und Steuersysteme sowie einiges mehr. In der Auseinandersetzung allein mit den genannten Themenfeldern findet man schnell einiges an Argumenten, um empört auf die Straße zu gehen. Nur wie oft sieht man gerade im deutschsprachigen Raum wöchentlich stattfindende Demonstrationen, auf denen zigtausende Menschen in den großen Städten für bezahlbaren Zahnersatz, ein gerechtes Steuersystem oder das Sanieren maroder Schulgebäude auf die Straße gehen? Nicht oft.

Kurz gesagt denke ich, dass nach vielen Jahrzehnten der politischen Bequemlichkeit und zunehmenden Desinteresses viele Menschen merken, dass sich einiges um sie herum nicht unbedingt zum Positiven entwickelt hat. Spätestens wenn der eigene Wohnraum durch benachbarte Neubauten oder Sanierungsarbeiten unter dem Attribut „Work-Life-Balance im Herzen der City“ unbezahlbar wird. Leider ist oft zu beobachten, dass sich der angestaute Unmut sowie die Wut nicht in einem demokratischen wie auch menschlich-politischen Handeln entladen. Das Klagen und der Zorn nehmen analog zum jahrelangen Schweigen und bequemen Konsumieren oft den Weg des geringsten Widerstandes, und dieser endet oft dort, wo Schreckliches beginnt: bei der Suche nach der Schuld, weder bei sich oder seinem Umfeld, sondern bei Minderheiten sowie den Schwachen und Schutzlosen innerhalb oder am Rand einer Gesellschaft.

Florian Albrecht-Schoeck, geboren 1980 in Darmstadt. Im Jahr 2014 schloss er sein Studium im Bereich Fotografie und Mediensoziologie an der Hochschule für Gestaltung Offenbach mit Diplom ab. Der Fokus in seiner künstlerischen Arbeit liegt primär auf gesellschaftlichen Themen. Er arbeitet fast ausschließlich mit einer analogen Mittelformat Kamera und Schwarz/Weiss Filmen. Einige seiner Arbeiten sind bereits Teil renommierter zeitgenössischen Sammlungen wie der Art Collection Deutschen Börse.


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