Leben ohne Plastik

Die Schwierigkeiten zeigen sich von Anfang an: als Vegetarierin esse ich gerne Tofu, den es aber fast überall nur in Plastikverpackung gibt. Zum Glück fand ich einen Asialaden im 7. Bezirk, bei dem Tofu auch offen und im eigenen Gefäß gekauft werden kann.
In kleinen Geschäften sind häufig die einzigen Getränke, die nicht in Plastikflaschen verkauft werden, alkoholisch. Die Entscheidung lautet somit: durstig oder betrunken. Doch gegenüber anderen existentiellen Problemen verblasst der kurzfristige Durst bis zur nächsten Wasserleitung: Haben sie bereits einmal probiert, Toilettenpapier ohne Plastikverpackung oder eine Zahnbürste ohne Kunststoff zu kaufen?
Eine massive Reduktion von Platik ist möglich!
Nach dreißig Tagen Selbsttest bin ich jedenfalls zu folgendem Schluss gekommen:
Kunststoffe lassen sich nicht völlig aus unserem Leben verbannen. Es gibt viele sinnvolle Anwendungen in Medizin und Technik, auf die wir nicht verzichten können und wollen.
Doch dadurch lässt sich die Plastikflut, von der wir überschwemmt werden, nicht rechtfertigen. Für KonsumentInnen ist es beim Einkaufen weitgehendmöglich, Plastik zu vermeiden. aber es ist mit einer massiven Änderungen der Gewohnheiten verbunden und erfordert Planung im Alltag: auf spontane Einkäufe im Supermarkt muss häufig verzichtet werden und nicht jede/r hat einen Bioladen oder ein Naturkosmetikgeschäft ums Eck.
Und genau hier ist die Politik gefordert! Es darf nicht sein, dass die ganze Last der Müllvermeidung auf die Schultern der KonsumentInnnen abgeladen wird. In Österreich, dem selbst erklärten Umweltmusterland und dem Weltmeister bei Abfallvermeidung und Mülltrennung, sollte es doch für KonsumentInnen einfach sein, umweltbewusst einzukaufen. Aber wird dieser Anspruch auch eingelöst?
Abfall hat System
Umweltminister Berlakovich appelliert in Sachen Abfallvermeidung gerne ans Umweltbewusstsein der KonsumentInnen. Natürlich können und sollen KonsumentInnen viel beeinflussen, sie können sich aber dennoch immer nur innerhalb eines bestimmten Systems
bewegen. Und es ist nun einmal Aufgabe der Politik, Systeme zu gestalten.
Abfallvermeidung steht zwar immer noch an erster stelle der Abfallhierarchie, sowohl in der Abfallrahmenrichtlinie der EU, als auch im österreichischen Abfallwirtschaftsgesetz. Die gesetzlichen Regelungen stellen aber nicht sicher, dass Vermeidung tatsächlich das oberste Prinzip im Umgang mit Abfall ist.
Mehrweg verschwindet
Während in Deutschland das Pfandsystem ausgeweitet wurde, sank am österreichischen Getränkemarkt der Anteil von Mehrwegflaschen seit dem Jahr 2000 von fast 60 Prozent um ein Drittel und betrug im Jahr 2007 inkl. des Gastronomiebereichs nur noch 40 Prozent, im normalen Handel sind es überhaupt nur noch 24 Prozent. Die Pet-Flaschenmenge nahm dabei im Zeitraum von 1994 bis 2007 von 5.000 Tonnen auf 38.000 Tonnen zu. Eine Pet-Einwegflasche verursacht aber 121 g CO2/liter, während die Pet-Mehrwegflasche nur 50 g CO2/Liter erzeugt.
Im Handel sind bereits jetzt kaum noch Glas- oder Pet-Mehrwegflaschen erhältlich. Hier also von Wahlfreiheit zu sprechen und an das Umweltbewusstsein der KonsumentInnen zu appellieren, wie das Landwirtschaftsminister Berlakovich tut, ist fast schon zynisch. Verbindliche Mehrwegquoten könnten hier leicht Abhilfe schaffen.
Das Plastiksackerl als Symbol unserer Wegwerfgesellschaft
In Österreich werden pro Jahr 350 Mio. Plastiksackerl verbraucht. Das sind zwar „nur“ 7.000 Tonnen Müll, aber völlig unnötiger Müll. International haben bereits zahlreiche Städte und Länder Plastiksackerlverbote erlassen (Paris, San Francisco, Boston, Italien, Spanien, Frankreich, Südafrika, China, Bangladesh, Zanzibar, Bhutan, Mumbai, Australien, Rwanda, Somalia und Taiwan). Warum also nicht auch Österreich? Der Hinweis des Landwirtschaftsministers, dass bei uns die Entsorgung funktioniere, zeigt nur, dass die Abfallvermeidung kein Ziel dieser Regierung ist.
Die Verwendung von Kunststoffen
Ist in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen. Ökologische Konsequenzen sind hoher Energieverbrauch bei der Produktion, die weltweit ungelöste Entsorgungsproblematik und die Verwendung unzähliger toxischer Zusatzstoffe, die zu einem erheblichen Teil in die Umwelt gelangen und die Gesundheit von Menschen und Tieren gefährden. Wie auch im Film „Plastic Planet“ thematisiert, sind Kunststoffe nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein gesundheitliches Problem.
Weniger Plastik geht!
KonsumentInnen können sicher gerade beim Kaufen von Nahrungsmitteln einiges tun, um der Plastikflut zu entkommen, wie etwa immer die eigene Einkaufstasche dabei haben, eine Glasflasche zum Trinken zwischendurch bzw. ein Gefäß für unverpackte Waren zum Einkaufen mitnehmen, etc.
Wenn man‘s wirklich probiert, entdeckt man schnell mehr plastikfreie Produkte, als man sich hätte vorstellen können. Außerdem gibt es auch viele Tipps im Internet. Für mich war das Erfreulichste an meinem Selbstversuch, dass er von vielen Menschen mit Interesse verfolgt wurde und ich viele Tipps bekommen habe.
Wir müssen gemeins umdenken und umsteuern!
Dennoch ist die Flut an Plastik nur in einer gemeinsamen Anstrengung einzudämmen: Durch engagierte KonsumentInnen und politische Rahmenbedingungen!
Abfallvermeidung muss in Österreich wieder auf die Agenda und zwar mit Toppriorität. Ressourcenknappheit ist nicht nur im Energiebereich ein Faktum.
Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, muss endlich umgedacht und umgesteuert werden. Langfristig kann unser Leben und Wirtschaften nur funktionieren, wenn wir die Grenzen unseres Planeten anerkennen und wir unsere Systeme nach dem ausrichten, was uns die Erde tatsächlich zur Verfügung stellt bzw. aufnehmen kann und dies außerdem gerecht verteilt wird. Vor allem aber müssen diese Herausforderungen endlich erkannt, ehrlich kommuniziert und entschieden angegangen werden!
Christiane Brunner (Umweltsprecherin der Grünen im Nationalrat)