Netzpolitische Bildung: Digital Education.

GBW
GBW Wien und Grüner Parlamentsklub luden am 26. Mai 2014 im Rahmen der Reihe "Netzpolitische Bildung" zu „Digital Education“. Unter der bewährten Moderation des netzpolitischen Sprechers der Grünen Marco Schreuder diskutierten diesmal: Medienpädagoge Christian Swertz von der Universität Wien, Heidrun Strohmayer, IT-Verantwortliche im Bundesministerium für Bildung und Frauen sowie ehemalige Informatiklehrerin, Sonja Gabriel von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems sowie der Gymnasialdirektor und Bildungssprecher der Grünen Harald Walser.
Marco Schreuder startete den Abend mit einem nur scheinbaren Reizthema: Sollen Handys im Unterricht verboten werden? Die Gemeinschaft am Podium war sich in diesem Punkt völlig einig: Das funktioniert nicht. Sonja Gabriel brachte es auf den Punkt: „Selbst wenn man den Kindern sagt, sie müssen ihr Handy abgeben; die sind schon so schlau, dass sie ein altes Handy abgeben und ihr neues Smartphone – gut versteckt – aufbewahren […] und Dinge damit machen, die man nicht möchte.“ Laut Christian Swertz sollte man die vielseitigen Geräte lieber in den Unterricht einbinden anstatt sie zu verbieten, wobei Heidrun Strohmayer sich wünschen würde, dass schulweite Regelungen für die Nutzung der Handys getroffen werden. Und für Harald Walser sind Handys Totengräber unseres brüchigen Schulsystems: Derzeit würde etwa bei der Matura noch viel Aufwand getrieben, um Handys abzunehmen. Doch angesichts der technischen Entwicklungen stünde man hier auf verlorenem Posten. Zukünftige Versionen der gerade auf den Markt drängenden Datenbrillen sollen unsichtbar direkt über der Netzhaut liegen und so das Wissen der Welt bereithalten. Es bliebe nichts anderes als unser Unterrichtssystem zu reformieren.
Lernbegleitung statt Wissensvermittlung.
Dies stellt völlig neue Herausforderungen an Lehrpläne und Lehrer*innenausbildung. Das via Internet jederzeit abrufbare Wissen weise den Lehrer*innen eine neue Rolle zu, so Gabriel: Weg von der Wissensvermittlung, hin zu der Lernbegleitung. Der Umgang mit digitalen Medien sollte nicht nur als eigenes Fach unterrichtet werden, die Medien selbst müssten quer durch die Gegenstände als Werkzeuge in den Unterricht integriert werden. Apps und andere Medien stünden dabei nicht in Konkurrenz zum klassischen Schulbuch, sondern seien vielmehr als Ergänzung zu betrachten, fügte Strohmayer hinzu. Swertz pflichtete bei. Die Schüler*innen seien von daheim unterschiedlichen Umgang mit Medien gewohnt. In vielen Familien gebe es noch eine hohe Neigung zum Buch, andere bezögen Informationen wiederum fast völlig aus dem Fernsehen, wieder andere Kinder verbringen Stunden damit „die Welt zu retten und Drachen zu töten“. Die Herausforderung im Unterricht sei es, auf diese Vielfalt der Medienkulturen einzugehen und sich zu überlegen: „Wie hole ich die Kinder in den Unterricht hinein, […] so dass es für die Kinder interessant werden kann?“
Die Lehrer*innenausbildung hinkt den neuen Anforderungen jedoch hinterher und Swertz ist auch skeptisch, dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte. Derzeit brächten etwa viele Lehrer*innen ihre privaten Erkenntnisse in den Unterricht ein, um den alltäglichen und kritischen Umgang mit Medien zu lehren. Er glaubt aber nicht, dass ein entsprechendes Fach in die Lehramtsstudien einfließen wird. Allerdings sieht er in den sich verändernden Rollen eine Chance, jene Lehrer*innen für digitale Medien zu gewinnen, die deren Einsatz im Unterricht derzeit noch verweigern. Denn wenn sie sich als Moderator*innen nicht mehr auf die Inhalte einer Lehreinheit detailliert vorbereiten müssen – diese sollen schließlich die Schüler*innen mit Hilfe der Medien selbst erarbeiten – brächte das eine entsprechende Entlastung im Lehrbetrieb mit sich.
Überforderte „Digital Natives“.
Swertz räumte mit dem Mythos der jungen Generationen als „Digital Natives“ auf. Diese könnten zwar sehr schnell „klicken“ und die digitalen Medien bedienen, sie hätten aber nur geringe Vorstellungen, wie diese eigentlich funktionieren. Das Ziel müsse daher sein, die „Maschinen“ nicht nur bedienen sondern auch beherrschen zu können – damit es nicht umgekehrt ist. Diese „Herrschaftsausübung“ sei nichts anderes als die Fähigkeit, sich am öffentlichen Diskurs beteiligen zu können und somit ein wichtiges Element der Demokratie. Für Immanuel Kant wäre der vernünftige Mensch derjenige gewesen, der von seiner Vernunft öffentlich Gebrauch machen kann. „Das ist genau das, was die Kinder und Jugendlichen machen müssten, wenn sie auf Facebook unterwegs sind. […] Da kann man nicht irgendwelchen Müll posten.“
Auch Gabriel betrachtet die Informationsfülle als noch ungelöstes Problem und Strohmayer schlug in dieselbe Kerbe: Schüler*innen wären mit dem Wissensangebot im Internet häufig überfordert, bewegen sich dort ziellos und würden im Endeffekt „nichts finden“. Mit einer akademischen Ausbildung könne man hingegen Informationen besser filtern und bewerten. Diese Fähigkeiten gelte es zu vermitteln.
Weniger problematisch scheint es zu sein, im Umgang mit digitalen Medien auf dem Laufenden zu bleiben. Laut Swertz hätte sich die Computertechnologie selbst seit 1947 kaum noch verändert – ändern würden sich nur deren Oberflächen und das Tempo der Verarbeitung. Die Diskussionen, die in den 1980ern über Informationsbildung geführt worden wären, seien nach wie vor aktuell. Es bringe daher wenig, rein auf Ausbildung zur korrekten Bedienung von sich rasch ändernden Programmen zu setzen. Vielmehr müsse Bildung im Umgang mit Medien an sich vermittelt werden. Dieser Wandel gehe allerdings relativ langsam, weil es nichts weniger als die Änderung einer 400 Jahre alten Struktur sei: Damals ist der Inhalte vermittelnde Unterricht mittels Schulbuch und Lehrer*in eingeführt worden.
An diesen Wandel glaubt auch Harald Walser. Die derzeitige Trennung der Unterrichtsfächer werde verschwinden. Es mache etwa keinen Sinn, Physik, Chemie und Biologie getrennt von einander zu unterrichten. Das Gleiche gelte für Deutsch, Geschichte und Geographie. Ziel müsse sein, dass Schüler*innen kombinieren und mit Informationen umgehen können.
Der Autor, Thomas Mördinger, hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist Mitglied der Redaktion der GBW Wien.