Novy - Gutes Leben für alle-Kongress
Vom 20. bis 22. Februar findet der Gutes Leben für alle-Kongress an der WU statt. Als OrganisatorInnen hatten wir das erfreuliche Problem, drei Wochen vor Kongressbeginn bei 860 Anmeldungen zu stehen – wir mussten daraufhin die elektronische Anmeldung stoppen. Da wir nicht wissen, wie viele der Angemeldeten letztendlich wirklich kommen – die Veranstaltung ist ja kostenlos - gibt es weiter die Chance auf Restplätze, bzw. auf eine Videoübertragung im Nebenhörsaal. Daher: Rechtzeitig kommen am Freitag, den 20. Februar.
Wir haben den Kongress breit angelegt, mit einer Vielzahl an MitveranstalterInnen, von sozialen Bewegungen und Gewerkschaften bis hin zu Universitäten, NGOs und ÖkounternehmerInnen. Diese Breite ist uns wichtig, weil ja niemand ein Patentrezept hat, wie eine Welt ohne Öl als Energiequelle, aber auch ohne Hunger und Elend ausschauen kann. Wir gehen davon aus, dass viele Wege in diese Zukunft führen.
In einem Schwerpunktheft des Journal für Entwicklungspolitik (3/2013) zum Thema „gutes Leben für alle“ stützen wir uns auf zwei Denktraditionen: Zum einen die aristotelische, die von Amartya Sen und Martha Nussbaum aufgenommen wurde. Von diesen DenkerInnen lernen wir vor allem den Wert der Mäßigung und des Abwägens; aber auch, wie wichtig es ist, Menschen durch passende Institutionen zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Die zweite Denktradition ist die Kosmovision des buen vivir, das andine Konzept des guten Lebens, das es in Ecuador und Bolivien sogar bis in den Verfassungsrang geschafft hat.
Gestern wurden wir als VeranstalterInnen von einer Gruppe von Studierenden der Universität für Bodenkultur, gefragt, warum wir die von Veronika Bennholdt-Thomsen und vielen anderen vertretene Subsistenzperspektive nicht ausdrücklich erwähnen. Tatsächlich kommt dieser Ansatz in der Kongressankündigung nicht vor, aber auch keine andere Theorieschule. Der Gedanke der Subsistenz, d.h. des kleinräumigen Wirtschaftens und der Produktion für den Eigenbedarf, wird aber in vielen Beiträgen am Kongress eine Rolle spielen: sei es im Workshop von Irmi Salzer zu lokalen Ernährungs- und Landwirtschaftssystemen oder den über 30 Initiativen auf der Initiativenmesse.
Wir freuen uns über die vielen Avantgarde-Initiativen für ein anderes Leben. Wir wollen aber vermeiden, dass diese als elitäre Nischen einer ökologisch bewussten Mittelschicht verkümmern, sondern zu systemischen Veränderungen beitragen und „für alle“, insbesondere auch für Benachteiligte und Ausgegrenzte, neue Normalitäten schaffen. Besonders wichtig ist uns dabei, die Kluft zwischen ökologischen und sozialen Bewegungen, zwischen denjenigen, die sich um Nachhaltigkeit sorgen, und denjenigen, die Gerechtigkeit fordern.
Wir sprechen am Kongress ganz bewusst von „für alle“, um der Spannung von Avantgarde und Mehrheit die Bedeutung zu geben, die sie verdient – es ist die politische Kernaufgabe, sowohl für sozialen Zusammenhalt als auch für Nachhaltigkeit und Resilienz Vorsorge zu treffen.
Für den Kongress selber haben wir deshalb das Konzept der „Infrastruktur“ ins Zentrum gestellt: Was braucht es, damit alle gut leben können? Wir meinen, dass es vor allem um die Abkehr von der falschen Vorstellung geht, Bedürfnisse nur über Konsum befriedigen zu können. Was damit gemeint ist, kann am besten anhand des Verkehrs aufgezeigt werden: Es braucht gute öffentliche Verkehrsmittel, die Möglichkeit sicher Radfahren zu können, eine Stadt der kurzen Wege und ein gutes Netz der Nahversorgung, damit Mobilität ohne Auto möglich wird. Erst eine gute sozialökologische Infrastruktur ermöglicht andere Lebensstile. In verschiedenen Politikfeldern das Bewusstsein zu schärfen, gemeinsame Einschätzungen zu ermöglichen und konkrete Schritte für Vernetzung und Veränderung einzuleiten – wenn das gelingt, dann ist der Kongress für uns ein Erfolg.
Die VertreterInnen der Subsistenzperspektive laden wir ein, ihre Beiträge in die aktuellen Debatten einzubringen; die Dynamik aufzugreifen und weiterzutreiben – zum Beispiel in Folgeveranstaltungen auf der BOKU mit einem Schwerpunkt auf Theorie- und Praxisansätzen im deutschsprachigen Raum, wie z.B. das Wegweisende an kleinbäuerlicher Praxis in Mitteleuropa.
Andreas Novy ist Professor an der WU Wien und Obmann der Grünen Bildungswerkstatt.