Ressourcengerechtigkeit: Leitbild und globale Herausforderung.
ÖFSE
Unter dem Titel „Towards International Resource Fairness – Theories, Conflicts and Policies” diskutierten über 100 Wissenschafter*innen Fragen internationaler Ressourcengerechtigkeit und präsentierten aktuelle Forschungsergebnisse. Die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) organisierte die dreitägige Veranstaltung gemeinsam mit dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und dem Institut für Geographie der Universität Innsbruck.
Ressourcenextraktivismus als Entwicklungsmodell.
Die Stuhlreihen im Foyer sind bis zum letzten Platz besetzt als Werner Raza (ÖFSE) die Veranstaltung eröffnet. Die wachsende Bedeutung natürlicher Ressourcen in der internationalen Politik sei der Anlass für die Konferenz. Der Austausch solle den interdisziplinären Dialog über Herausforderungen einer rohstoffbasierten Entwicklung und globaler Ressourcengerechtigkeit fördern. Es folgt eine Podiumsdiskussion zu aktuellen Ansätzen und Konflikten des Ressourcenextraktivismus, einer Entwicklungsstrategie, die auf die maximale Ausbeutung von Rohstoffen und deren Export setzt. Das Organisationsteam gebraucht moderne Kommunikationstechnologien und schaltet Maristella Svampa (Universität Nacional de La Plata, Argentinien) als Expertin für sozioökologische Konflikte per Video zu. Am Podium sitzen Khin Zaw Win (politischer Aktivist, Myanmar) und Martin Coy (Universität Innsbruck). Melanie Pichler (Universität Wien) moderiert.
Vom Washington Consensus zum „Rohstoff Consensus“.
Von progressiven Regierungen in Lateinamerika betrieben, kritisiert Svampa Neo-Extraktivismus als massive Ausbeutung natürlicher Ressourcen zum Zweck sozialer Umverteilung. Lateinamerika erlebe derzeit einen Wandel in der Abhängigkeit vom Washington Consensus zu einem „Rohstoff Consensus“, so die zentrale These. Ausdruck dieser Entwicklung sei Kapitalakkumulation durch Enteignung vormals unangetasteter Territorien, wie der massive Sojaanbau in Argentinien. Dies führe zur Zunahme sozioökologischer Konflikte.
Die wachsende Bedeutung Chinas.
China gewinne laut Svampa im „Rohstoff Consensus“ als Abnehmer lateinamerikanischer Rohstoffe an Macht und Bedeutung. „Das ist keine Süd-Süd-Kooperation!“, betont sie. Zaw Win teilt dies aus Sicht Myanmars. „Ein Land, reich an Bodenschätzen und trotzdem arm“, beschreibt er die Situation in seiner Heimat. China investiere massiv in Abbau und Export natürlicher Ressourcen. Korruption und Militarismus würden den Rohstoffabbau in dem südostasiatischen Land kennzeichnen. Wie er den Diskurs um ein neo-extraktivistisches Entwicklungsmodell in Bezug auf sein Land einschätze, fragt Ulrich Brand (Universität Wien) aus dem Publikum. Im Gegensatz zu Lateinamerika, wo verschiedene Entwicklungsmodelle sichtbar sind, verfolge man in Myanmar derzeit den Grundsatz des „einzigen Weges“, beschreibt Zaw Win. Die Opposition befinde sich noch auf der Suche nach Alternativen. Dies führe aber auch zu einer Situation der Offenheit. Andere asiatische Länder beschreiten den neoliberalen Weg, Myanmar habe hingegen noch Zeit zu wählen. Dazu brauche es akademische Auseinandersetzungen, betont er und verweist auf die Bedeutung der Konferenz für den intellektuellen Austausch.
Konflikte, Fairness, Governance.
Die beiden folgenden Tage prägt ein lebendiger Austausch in knapp 20 Workshops. Die Teilnehmenden präsentieren Fallstudien zu Konflikten, aber auch zu Fairness und Governance in der internationalen Ressourcenpolitik. Die Teilnehmenden des Workshops „Zertifizierung und Corporate Social Responsability (CSR)“ diskutieren darüber, wie das Konzept der Fairness umkämpft ist: wer in den Prozess von Standardisierungen involviert ist und wer über die Definition von Fairness bei Zertifizierungen entscheidet. Vergleichende Fallstudien aus Afrika und Lateinamerika zeigen, dass lokale Hierarchien und politischer Kontext beim Ressourcenabbau eine Rolle spielen. CSR fordere als Werkzeug zur Standardisierung von Beziehungen zwischen Unternehmen und lokalen Gruppen heraus. Im Workshop zu „Ressourcenkolonialismus und indigene Rechte“ stellen Wissenschafter*innen Forschungsergebnisse zu Ressourcenkonflikten aus Palästina, Kolumbien, Westsahara und Guatemala vor. Die Diskussion zeigt Gemeinsamkeiten bei der Frustration der indigenen Gruppen und dem Entzug zentraler Lebensgrundlagen wie Wasser oder Agrarflächen. Es besteht aber auch Einigkeit darin, dass die Betroffenen nicht unbedingt ein gemeinsames Ziel verfolgen. Interessenskonflikte und Macht spielen auch dort eine Rolle, wo Widerstand herrscht. Daher brauche es mehr Studien, die Formen von Konflikt und Widerstand vergleichend untersuchen.
Transdisziplinarität als Voraussetzung.
Am Samstagnachmittag resümiert Ulrich Brand in der Abschlussdiskussion zentrale Ergebnisse und identifiziert Forschungslücken aus den Panels und Arbeitsgruppen. „Wir sind keine homogene Gruppe“, betont er. Es habe sich gezeigt, dass der Begriff der Ressourcenfairness und damit verbundene Maßnahmen unterschiedlich interpretiert werden. Trotzdem gelte es Netzwerke zu formen und den Dialog voranzutreiben. Daran anschließend referiert Christoph Görg (Universität Kassel) über die Relevanz von transdisziplinärem Wissensaustausch und dessen Voraussetzungen. Transdisziplinäre Forschung sei zeitintensiver und verlange eine andere Form der Zuteilung von Ressourcen. Auch die Rolle von Wissenschafter*innen gehöre neu reflektiert – insbesondere in ihrer beratenden Funktion. Cornelia Staritz (ÖFSE) äußert diesbezüglich, dass Politikberatung breiter gesehen werden müsse, als auf reine politische Institutionen bezogen. Zivilgesellschaftliche Organisationen zählten ebenso dazu.
In der Schlussrunde des dreitägigen Austauschs assoziieren alle Teilnehmenden zur Konferenz Worte wie Inspiration, Vernetzung, Austausch, Nachwuchs oder Zukunft. Es entsteht der Eindruck, dass dies wohl nicht die letzte Konferenz zu diesem wichtigen Thema bleiben wird.
Die Autorin, Meike Siegner, hat Sozioökonomie an der WU Wien studiert und ist Mitglied im Redaktionsteam der Grünen Bildungswerkstatt Wien.