Ringvorlesung Ernährungssouveränität – Initiativen in und um Wien.
Worum geht´s?
Die Ringvorlesung „Ernährungssouveränität – Theorie und Praxis für ein alternatives Lebensmittel- und Agrarsystem“ gibt Einblick in die Probleme des derzeitigen Systems. Ernährungssouveränität bedeutet das Recht von Menschen, Produktion, Konsum und Verteilung von Lebensmitteln selbst zu bestimmen, und zwar unter Berücksichtigung der Lebensgrundlagen anderer Menschen und Regionen. Das Konzept beruht auf dem Recht auf leistbare, gesunde, ökologisch nachhaltig und sozial gerecht produzierte Nahrung für alle. Nahrung wird nicht als Ware für Profitzwecke produziert, sondern um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Studierende und Aktivist*innen organisieren die Vorlesung. In der achten Einheit stellen sie Initiativen und sinnvolle Alternativen zum profitorientierten System vor.
Food Coops.
Den Anfang macht Ulrike Jaklin mit ihrem Referat über Lebensmittelkooperativen, auch Food Coops genannt. Sie ist Mitglied in der Food Coop „Bioparadeis“ und Mitgründerin der „d´Speis“: „Eine Lebensmittelkooperative ist der Zusammenschluss von Konsument*innen und Bäuer*innen mit dem Ziel, qualitativ hochwertige Lebensmittel direkt von kleinbäuerlichen Produzent*innen aus der Region zu beziehen. Wesentlich dabei ist ein direkter Kontakt der Konsument*innen untereinander und zu den Bäuer*innen.“ Dabei stünden Selbstorganisation und aktive Mitarbeit der Food Coop Mitglieder im Vordergrund. In Wien gibt es derzeit offiziell sechs Food Coops mit jeweils circa 50 bis 120 Mitgliedern.
Der Bezug zur Ernährungssouveränität besteht laut Jaklin in der ökologischen und regionalen Produktion. Zudem wollen Food Coops faire Preise für Bäuer*innen und mehr Wertschätzung für landwirtschaftliche Arbeit insgesamt. „Immer wieder organisieren wir Hofbesuche zum Kennenlernen der Produzent*innen und ihrer Arbeit.“
Fragen aus dem Auditorium nach Preisniveau und Logistik beantwortet Jaklin wie folgt: „Das Preisniveau in den Food Coops liegt meist geringfügig über dem der Supermärkte. Die Preise legen die Bauern fest.“ Und da die meisten Bäuer*innen bereits bestehende Abnehmerbeziehungen in Wien haben, nehmen sie die Produkte für die Food Coops einfach mit.
CSA und gela beim Gärtnerhof Ochsenherz.
Was verbirgt sich hinter den Kürzeln CSA und gela? Stefan Beschorner, Mitarbeiter von Ochsenherz in Gänserndorf im Marchfeld, erklärt: „CSA steht für community supported agriculture und gela für gemeinsam landwirtschaften. Konkret ist damit ein ökonomisches Konzept gemeint, bei dem eine Gruppe von Konsument*innen einen Hof finanziell unterstützt, damit dieser wirtschaftlich arbeiten und überleben kann.“ Dabei tragen die Konsumierenden das Budget und werden im Gegenzug das ganze Jahr mit frischem, biologischem Gemüse versorgt. „Bei Ochsenherz finanzieren derzeit 250 Menschen das Jahresbudget mit jeweils einem Mindestbeitrag von 1.120 Euro“, sagt Beschorner. Gemeinsam landwirtschaften basiert auf einer Trennung von Ware und Preis. Beschorner berichtet von schwierigen Zeiten: „Neun Jahre sind wir auf den Karmeliter- und Naschmarkt gefahren, hatten am Jahresende aber immer ein Defizit in der Kasse.“ Deswegen hat sich der 2002 gegründete Betrieb 2011 schließlich als Erster in Österreich zum innovativen CSA-Konzept entschlossen. Mit Erfolg. Auf einem 10 Hektar großen Feldstück im Marchfeld wachsen 300 Sorten Gemüse. Sieben feste Mitarbeiter und zwei Lehrlinge organisieren die Arbeit.
Urban Gardening mit den LoBauerInnen.
Martin Mayr ist Gärtner im Längenfeldgarten und bei den Grünstern-LoBauerInnen. Er stellt mit den LoBauerInnen eine sehr junge Initiative vor. „Auf einem 4.000 Quadratmeter großen Feld in der Lobau bauen wir seit 2012 biologisches Gemüse an. Wir beliefern das Filmarchiv – unseren Sponsor – mit Gemüse für die Sommerkino-Gastronomie mit der Grünstern-Gartenküche am Augartenspitz. Aber auch Food Coops und uns selbst verwöhnen wir mit dem Gemüse.“
Die LoBauerInnen arbeiten mit Erhalter*innen alter Sortenraritäten zusammen, wie der Arche Noah oder Ochsenherz. Wichtig seien Vielfalt und der Vorteil, dass es keine finanziellen Verpflichtungen und Mitgliedsbeiträge gibt. „Bei uns sind alle für alles verantwortlich. Gemeinsam ackern, transportieren, verteilen, kochen und feiern, das ist gelebte Ernährungssouveränität“, so Mayr begeistert.
SoliLa!, Reclaim the Fields und Guerilla Gardening.
SoliLa! ist ein Projekt in Wien und steht für solidarisch Landwirtschaften, erklärt Roland Teufl. Unter dem Motto „Das Land denen, die es bewirtschaften wollen“ haben Aktivisten am 4. Mai ein Stück Land im Donaufeld besetzt und dort Gemüse-Jungpflanzen eingesetzt. „Dieses Feld wurde heute von der Polizei geräumt“, informiert der Aktivist. „Alle Jungpflanzen konnten gerettet werden“, fügt er erleichtert hinzu. Die Hintergründe: Das fruchtbare Land ist von der Eigentümerin, der Stadt Wien, durch Bebauung bedroht.
In vielen Städten liegt oft Land brach, beziehungsweise wird es mit Wohnblöcken oder Flughäfen verbaut, kritisiert Teufl. Initiativen wie SoliLa!, Reclaim the Fields oder Guerilla Gardening engagieren sich gegen die kapitalistische Verwertung dieser Flächen und gegen die Zerstörung des Planeten, betont Teufl.
Abschließend erwähnt er die Guerilla Gardening Initiative „Längenfeldgarten“ an der U6: „Seit vier Jahren kann dort jeder pflanzen und ernten.“
Global Campus – ein Projekt für Studierende.
Im Schlussreferat lädt Téclaire Ngo Tam, Bildungsreferentin der Agentur Südwind, die Studierenden zur Mitarbeit am Projekt Global Campus ein. „Global Campus ist ein EU gefördertes, internationales Bildungsprogramm von 2013 bis 2015 für Studierende aus Österreich, Irland, Malta und Zypern.“ Zentrales Anliegen sei, globales Lernen und Wissen um weltweite Zusammenhänge zu fördern. „Aufgrund der Globalisierung müssen wir global denken und uns zu Weltbürgern bilden“, sagt Ngo Tam. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. „Es wird Filmtage, Ausstellungen und Vorträge geben.“
Die Autorin, Karina Böhm, hat Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.
Links.
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