Sie nennen es Liebe. Wir nennen es unbezahlte Arbeit.

GBW
Gemeinsam mit der GRAS Wien und GRAS Bund organisierte die AUGE/UG am 2. Oktober einen Vortrag mit drei Redakteurinnen von „outside the box“, einem feministischen Zeitschriftenkollektiv aus Leipzig. Etwa 40 Besucher*innen hatten sich im AK-Bildungszentrum versammelt, um mit Korinna Linkerhand, Katja Wagner und Barbara Schnalzger theoretische Aspekte geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung zu diskutieren.
Lohn gegen Hausarbeit.
Korinna Linkerhand stellt zunächst die Kampagne „Lohn gegen Hausarbeit“ aus den 1970er Jahren vor. Dabei stand nicht primär die Entlohnung von Hausarbeit im Fokus, sondern die Kritik an der Auffassung, dass Frauen von Natur aus für Hausarbeit zuständig seien. Historisch betrachtet sei die strikte Trennung von Haus- und Lohnarbeit relativ neu. Lohnarbeit, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich erst im Zuge der Industrialisierung. Mit Ausnahme des Bürger*innentums war es zu dieser Zeit durchaus üblich, dass auch Frauen Lohnarbeit verrichteten. Erst im Fordismus des 20. Jahrhunderts, gekennzeichnet durch steigenden Lebensstandard und Massenkonsum, blieben Frauen immer öfter zuhause.
Die Kampagne „Lohn gegen Hausarbeit“ zielte auch darauf ab, die Bedeutung von Hausarbeit im Kapitalismus zu beleuchten: Ohne die unbezahlte, meist von Frauen geleistete Haus- und Familienarbeit gäbe es auch keine leistungsfähigen Arbeitskräfte. Frauen sind jedoch nicht Teil der Arbeiterklasse und dadurch auch vom traditionellen Klassenkampf ausgeschlossen. Dadurch sind sie in gewisser Weise isoliert und in einem patriarchalen Abhängigkeitsverhältnis gefangen. Wie Linkerhand zeigt, ging es bei der Kampagne nicht darum, Frauen in Lohnarbeit zu bringen; damit wäre nur ein Ausbeutungsverhältnis durch ein anderes ersetzt worden. Stattdessen sollte eine Umwälzung aller Arbeits- und Lebensbereiche stattfinden.
Care-Revolution vs. Wert-Abspaltungs-Kritik.
Katja Wagner erklärt im Anschluss, wie mit Übergang zum Postfordismus Mitte der 1970er Jahre das bis dahin weit verbreitete männliche Ernährermodell verstärkt unter Druck geriet. Aufgrund sinkender Reallöhne reichte ein Einkommen oft nicht mehr aus, um eine Familie zu ernähren. Dies führte zu einer zunehmenden Doppelbelastung für Frauen, die neben der Erwerbsarbeit auch den Großteil der Hausarbeit zu verrichten hatten.
In diesem Kontext entwickelte sich in den späten 1980er Jahren der Care-Ansatz, der den Stellenwert von Sorgearbeit für sich und andere ins Zentrum stellt. Der Begriff Care umfasse neben unbezahlten auch (meist schlecht) bezahlte Sorgetätigkeiten, wie Erziehung, Bildung, Pflege oder Gesundheit, so Wagner. Vertreter*innen dieses Ansatzes fordern eine sogenannte Care-Revolution. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht Profitmaximierung, sondern die Verwirklichung menschlicher Bedürfnisse ins Zentrum politischen Handelns gestellt wird. Ziel ist es, Care-Arbeit nicht nur aufzuwerten, sondern auch gleichmäßiger zwischen den Geschlechtern aufzuteilen. Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichzeitiger finanzieller Existenzsicherung, ein Ausbau des staatlichen Dienstleistungsangebots sowie eine höhere Entlohnung von Care-Tätigkeiten sollen dazu beitragen.
Als Kritik an dem reformistisch orientierten Care-Ansatz entstand in den 1990er Jahren die Wert-Abspaltungs-Theorie. Wagner erklärt, dass diese als Weiterentwicklung postmarxistischer Theorien zu sehen ist. Der Fokus liegt dabei auf der Reproduktionssphäre, die grundlegend für den Wertschöpfungsprozess ist. Der Kapitalismus wird in diesem Ansatz als „warenproduzierendes Patriarchat“ verstanden. Mit der Entstehung des Kapitalismus sei die patriarchale Gesellschaftsordnung verstärkt worden und traditionelle Geschlechterrollen seien zunehmend als naturgegeben angesehen worden: Während in der Öffentlichkeit stattfindende Lohnarbeit männlich konnotiert ist, wird der private Reproduktionsbereich Frauen zugeschrieben. Im Unterschied zum Care-Ansatz sind Vertreter*innen der Wert-Abspaltungs-Theorie der Auffassung, die Ungleichheit der Geschlechter ließe sich nicht innerhalb des Kapitalismus beseitigen, so Wagner.
Ein Blick auf die Geschlechterverhältnisse im Neoliberalismus.
Abschließend geht Barbara Schnalzger auf die derzeitigen Geschlechterverhältnisse in Deutschland ein, die im Kontext einer neoliberalen Wirtschaftspolitik zu sehen wären. Um international wettbewerbsfähig zu sein, brauche es einen Niedriglohnsektor, in dem hauptsächlich Frauen tätig sind. Frauen befänden sich nicht nur häufiger in schlechtbezahlten Berufen, sondern hätten auch deutlich seltener leitende Positionen. Auch die Ablösung des klassischen Ernährermodells hätte sich auf die Geschlechterverhältnisse ausgewirkt. Die einstige Forderung nach finanzieller Unabhängigkeit sei zu einem Zwang geworden. So würden Frauen oft zwischen zwei Ansprüchen zerrieben: Nicht erwerbstätig zu sein finde immer weniger gesellschaftliche Anerkennung, gleichzeitig stiegen die Anforderungen bei der Kindererziehung.
„Gewerkschaftliche Frauenpolitik ist keine feministische Politik.“
Ein Schwerpunkt in der anschließenden Diskussion ist die Rolle von Frauenpolitik in Gewerkschaften. Klaudia Paiha, Bundessprecherin der AUGE/UG, sitzt am heutigen Abend im Publikum und stellt fest: Gewerkschaften betreiben meist Realpolitik, für Kapitalismuskritik bleibe kein Raum. Gewerkschaftliche Frauenpolitik könne daher nicht als feministische Politik betrachtet werden. Laut Paiha sei die Anzahl der Frauen in allen Gremien durch eine Geschlechterquote zwar gestiegen. Oft mangle es jedoch an der Durchsetzungskraft, sodass viele frauenpolitische Themen schlussendlich von der Agenda rutschen.
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outside the box
Die Autorin Stefanie Gerold hat in Wien Socio-Ecological Economics and Policy studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.