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Simone Grössing - Politik ist Emotion

Wie stehen wir zu Emotionen in der Politik? Da gibt es das zum Beispiel von Habermas hochgehaltene Ideal einer Politik als emotionslose Verhandlung von Inhalten mit dem Ziel eines Konsenses. Doch einerseits sieht unsere Politik nicht so aus, andererseits gibt es gute Gründe, warum das so ist. Simone Grössing hält ein Plädoyer für Emotionen in der Politik.

Schon seit längerer Zeit ist von einer neuen Form der Politik die Rede: Einer, die nicht mehr alten Spielregeln folgt, sondern neue Wege einschlägt und die nicht mehr vordergründig politische Inhalte, sondern zusehends inhaltsleere Inszenierungen transportiert. Einer Politik, von der sich immer mehr BürgerInnen abwenden, weil sie sie frustriert, uninformiert oder gar politikverdrossen zurücklässt. Es gibt zahlreiche Arbeiten, die sich mit diesem Phänomen auseinandersetzen und Begrifflichkeiten, die versuchen diese Transformation der Politik zu beschreiben: Ein bekanntes Beispiel dafür ist etwa das Buch „Postdemokratie“ von Colin Crouch, in dem vor allem auf die Bedeutung von Inszenierungen in der Demokratie und ihre Effekte eingegangen wird. Andere ForscherInnen haben sich hingegen auf weitere Aspekte dieser Transformation konzentriert, wie etwa auf die  zunehmende Macht der Medien auf die Politik und ihre Darstellung: Der Politologe Thomas Meyer setzt sich so etwa mit dem Wandel der Demokratie zur sogenannte Mediendemokratie auseinander, in der Politik zusehends von den Medien bestimmt wird. Andreas Dörner, ebenso Politikwissenschaftler, hat weiters die zunehmende Verflechtung der Unterhaltungskultur und Politik analysiert und diese anhand des Begriffs „Politainment“ beschrieben. All diese Werke befassen sich in unterschiedlicher Art mit der Bedeutung von Inszenierungen in der Politik und sind nicht nur als Analyse gewisser Entwicklungen in verschiedenen politischen Bereichen, sondern zudem als Diagnose herrschender Zu- und Missstände der Demokratie zu verstehen. Denn offenbar bringen diese Entwicklungen gravierende Problematiken mit sich. Zentral ist hier der Vorwurf, Politik verkomme in der Postdemokratie zusehends zu einer Show, die BürgerInnen darüber hinwegtäusche, was sich tatsächlich hinter den Kulissen abspielt. Statt sachliche Informationen zu vermitteln, scheinen sich PolitikerInnen zusehends selbst zu inszenieren und die eigene Person in den Vordergrund zu drängen. Dabei bieten ihnen die Medien eine Bühne. In wissenschaftlicher Literatur ist hier von „Infotainment“ die Rede: dem Zurückdrängen sachlicher Informationen durch Emotionen. Seien es nun Fernsehdiskussionen, in denen  PolitikerInnen immer stärker versuchen, durch nonverbales Charisma zu überzeugen anstatt plausible Argumente zu liefern, oder Wahlkampfplakate, auf denen WählerInnen nur noch einzelne PolitikerInnen und deren positive Eigenschaften präsentiert werden, anstatt sie über Parteiprogramme bzw. Inhalte zu informieren. Sowohl die Medien als auch PolitikerInnen wissen heutzutage, dass man durch eine emotionalisierte Darstellung mehr Aufmerksamkeit erlangt, als durch eine trockene Darstellungen komplizierter Inhalte. Der mediale Trend geht so in Richtung einprägsamer und sinnlicher Darstellung von Politik. Immerhin geht es um Quoten und dazu braucht man die Aufmerksamkeit der ZuseherInnen. Hier spielen die Medien in ihrer aktuellen Beschaffenheit eine große Rolle, aber auch die MedienkonsumentInnen und ihre Bereitschaft beziehungsweise ihr Vermögen sich mit Informationen auseinanderzusetzen. In den letzten 50 Jahren scheint sich diesbezüglich einiges verändert zu haben, was als Resultat der Medialisierung der Gesellschaft zu verstehen ist: Während beispielsweise im Jahr 1965 inhaltliche Aussagen von PolitikerInnen in amerikanischen Nachrichtensendungen noch im Originalton durchschnittlich 45 Sekunden dauerten, liegen wir heute bei knapp 7 Sekunden (vgl. Filzmaier 2006: 14).

 In der modernen Demokratie spielen die Massenmedien eine grundlegende Rolle – sie sollen der Öffentlichkeit dabei helfen sich eine politische Meinung zu bilden. Nachdem Massenmedien aber auch die Politik, immer mehr einer neoliberalen Aufmerksamkeitslogik folgen, rückt diese Aufgabe zusehends in den Hintergrund. Wir stehen daher vor einem großen Problem: Politische Prozesse können immer seltener vom Volk legitimiert werden, wenn Medien und PolitkerInnen nicht politischen Inhalten, sondern vor allem inszenierten Auftritten eine Bühne bieten und so der Informationsvermittlung im Weg stehen.

Inszenierungen waren immer schon Teil der Politik. Die moderne Demokratie braucht Inszenierung bzw. symbolische Kommunikation, denn ohne sie kann Politik nicht öffentlich vermittelt werden. Im Zeitalter der modernen Medien scheinen sie aber eine immer zentralere Rolle in der Politik einzunehmen und sich in verstärkter Form zu zeigen. Für die BürgerInnen wird es immer schwieriger, Inszenierung und Präsentation voneinander zu unterscheiden (vgl. Mayer 2002). Inszenierungen erfüllen in verschiedenen politischen Systemen unterschiedliche Rollen und fallen unterschiedlich stark aus. In der liberalen Demokratie geht man von einem geringeren Ausmaß als in autoritären Regimen aus. Manche betrachten deswegen die Zunahme der Inszenierung in der Demokratie als „Wiederkehr der höfischen Öffentlichkeit“(vgl. Arnold et al 1998: 14). Inszenierungen erfüllen in der Postdemokratie eine spezielle Funktion: Sie werden vor allem dazu genützt, um die Aufmerksamkeit der BürgerInnen auf einzelne PolitikerInnen und Ereignisse zu lenken. PolitikerInnen verlieren dabei immer mehr ihre Funktion als RepräsentantInnen aus den Augen. Die Krise der Demokratie scheint aus dieser Perspektive vor allem eine Krise der politischen Kommunikation zu sein – der sowohl auf medialer als auch politischer Ebene begegnet werden muss.

Angesichts dieser Entwicklung müssen die negativen Aspekte politsicher Inszenierungen ins Zentrum gerückt und folgende Fragen ernsthaft gestellt werden: Wann wird inszeniert um von politischen Inhalten oder Problemlagen abzulenken? Wann transportieren Inszenierungen uns ein verzerrtes Bild der politischen Realität mit dem Ziel BürgerInnen zu manipulieren? Diese Art von Inszenierungen müssen hinterfragt werden, gleichzeitig muss jedoch auch erkannt werden, dass Inszenierungen immer Teil der (politischen) Kommunikation sind und sein werden. Wenn das akzeptiert wird, können wir uns der Frage hinwenden, wie sich Inszenierungen auch positiv einsetzen lassen. Nämlich dafür um Politik lebendig, emotional aber auch informativ zu präsentieren. Dazu muss man zuerst aber einen Blick auf verschiedene Funktionsweisen der Inszenierung werfen und sich ihrer affektiven Wirkung bewusst werden. Denn sie könnte dabei helfen, Menschen einerseits für Politik zu begeistern und sie zugleich über politische Prozesse zu informieren.

Unterhaltsame Politik: Fluch oder Segen?

Der in Wuppertal lehrende Politologe Andreas Dörner hat, in seinem 2001 erschienenen Werk „Politainment“, einen analytischen Begriff geschaffen, der sich im akademischen Mainstream durchsetzen konnte und auch in diesem Text einen zentralen Platz einnehmen soll. Allgemein beschreibt der Begriff des Politainments eine neue massenmediale Kommunikationsform, in der Politik und Unterhaltung miteinander verschmelzen. Dörner spricht in diesem Zusammenhang von einer „neuen politischen Realität“ (Dörner 2001: 31). In einer Zeit, in der BürgerInnen immer weniger Kontakt und Zugang zum politischen System und dessen komplexen Prozessen haben, vermittelt das Politainment eine gewisse Nähe, da es die Politik „wieder sichtbar und sinnlich erfahrbar“ macht (Dörner 2001: 33f). Die Distanz zum Publikum, beziehungsweise zu den BürgerInnen, wird im Politainment reduziert, indem politische Themen auf simple Inhalte herunter gebrochen werden. Politik wird im Politainment in einem entspannten, unterhaltsamen und leicht zugänglichen Modus präsentiert und von ästhetischen Bildern und Klangwelten begleitet zum emotionalen Erlebnis, das bei den ZuseherInnen Wohlbefinden auslöst. Laut Dörner beruht der Erfolg des Politainments auf der Fähigkeit, gezielt Emotionen beim Publikum hervorrufen zu können (vgl. ebd.), was zu einer gesteigerten Wahrnehmung seitens der BürgerInnen führt. Politainment konkretisiert durch eine emotionale, simple Präsentation der Politik außerdem das politische Handeln und schafft neue politische Identifikationsfiguren (vgl. ebd.). Im Politainment werden politische Vorstellungs- und Deutungsmuster konstruiert, von denen wir wiederum Bilder der politischen Realität ableiten. Es erschafft insofern ein grundlegendes Verständnis davon, was Politik ist und sein kann (vgl. ebd.). Dazu gehört es auch, Bilder von politischen Werten und Sinnfiguren zu popularisieren und zu verstärken. Politainment zeigt sich im Konkreten einerseits in der stärkeren Thematisierung von Politik in Unterhaltungsformaten aber auch im Auftreten von PolitikerInnen im Unterhaltungsprogrammen, wie etwa Gerhard Schröders Auftritt 1998 in der Soap Opera „Gute Zeiten schlechte Zeiten“. Auch die sogenannte Personalisierung der Politik ist ebenso ein zentrales Merkmal des Politainments wie die Professionalisierung der politischen Kommunikation: Im Politainment produzieren WerberInnen und PR- Leute professionelle Kampagnen für Parteien und politische Werbung verfolgt zusehends Marketingstrategien (vgl. ebd).

Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die gerade erläuterten Entwicklungen im Bereich der Politik und der Medien in der wissenschaftlichen Diskussion oftmals negativ wahrgenommen werden. Oft wird hier der Vorwurf geäußert, Politik sei nur noch „inszeniert“ und habe mit der Realität nichts mehr zu tun. Meist werden Inszenierungen verdächtigt, einen manipulativen Charakter zu haben und Machtinteressen verdeckt durchzusetzen. Eine gängige Definition politischer Inszenierung kommt dabei vom Politikwissenschafter Thomas Meyer, er begreift diese vor allem als Eventpolitik, Imageprojektion und Scheinhandlungen (vgl. Meyer et al. 2000: 114). Mit ersterem meint Meyer vor allem Pseudoereignisse – also Ereignisse, die bewusst inszeniert werden, um Medienaufmerksamkeit zu erlangen. Bei Imageprojektionen handelt es sich nach Meyer um ein „durch wohlkalkulierte Scheinhandlungen inszeniertes Kunstprodukt, durch das eine natürliche Person als Personifikation von Eigenschaften hingestellt wird, die in der Mythologie oder der Ethik ihres Gemeinwesens als besonders wertvoll gelten“ (Meyer 2001: 114). Meyer wehrt sich trotz dieser Definition gegen ein allgemein negatives Verständnis von Inszenierungen: Laut ihm können Inszenierungen eine „unbegrenzte Bandbreite von Realitätsbezügen“ ausfüllen (ebd.). Sie können demnach sowohl die Wirklichkeit verschleiern als auch authentisch repräsentieren. Denn obwohl die Inszenierung als Ausdruck des Infotainments betrachtet werden kann, bedeutet das nicht zwingend, dass sie Inhalte nur überlagert und verdrängt oder keinen Inhalt transportiert (vgl. ebd.: 194). Inszenierungen können, so Meyer: „die ihnen zugrunde liegende Wirklichkeit auf ästhetisch vermittelte Weise zu Geltung bringen. Sie können aber den sinnlich plausiblen Eindruck erwecken, sie bräuchten eine ihnen vorausliegende Wirklichkeit zur Erscheinung, während sie tatsächlich nur einen Schein erzeugen, dem nichts anderes in der wirklichen Welt entspricht als das Inszenierungskalkül seiner Urheber“ (Meyer 2001 et al.: 112). Die Stärke der Inszenierung kann nach Meyer variieren und unterschiedlich stark ausfallen. Davon hängt ab, inwiefern sich der in ihr enthaltene Informationskern transformiert und wie stark dieser verfälscht und repräsentiert wird (vgl. ebd.: 195). Inszenierungen sind so nicht zwingend inhaltsleer. Dass zunehmend inhaltsleere politische Inszenierungen in Umlauf sind, bei denen es sich um eine reine Show zur Unterhaltung des Publikums handelt, liegt vor allem an den Medien und deren Darstellungslogik, so Meyer (vgl. ebd.: 195).

Auch Andreas Dörner verfolgt eine weniger kritische Perspektive auf das Politainment und dessen Merkmale als vieler seiner Kollegen. Zwar steht Dörner dem Politainment skeptisch gegenüber und fragt, ob es Politik tatsächlich transparenter macht oder es sich dabei doch nur um eine riesige Medieninszenierung handelt, in der Politik nur noch simuliert wird, um das Publikum ruhigzustellen und es zu manipulieren. Dennoch kann er ihm auch etwas Positives abgewinnen. Vor allem die Konzentration auf positive, politische Inhalte im Politainment, also die sogenannte „Feel good“-Politik (vgl. Dörner 2001: 62) betrachtet er als vorteilhaft. Politik im Modus der „Feel good“-Politik muss laut Dörner nicht immer oberflächlich und manipulativ sein, sondern kann, so Dörner, auch ein Anstoß für politisches Handeln sein, indem sie positive und konstruktive Kräfte in der Bevölkerung auslöst. Anstatt immer nur die negativen Seiten der Politik hervorzuheben, lenkt sie die Konzentration auf positive Themen und animiert so BürgerInnen wieder zur Partizipation und politischen Mitgestaltung (vgl. ebd.: 70f). 

An dieser Stelle soll sowohl an Meyers als auch Dörners Überlegungen angeknüpft und die Frage gestellt werden, ob und wie man dem Politainment positive Effekte abgewinnen kann. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass Politik Werbe- und Kommunikationsstrategien folgen soll. PolitikerInnen und Parteien als Marke verkaufen zu wollen kann nicht die Lösung für die Krise der Demokratie sein, sondern ist vielmehr als ein verzweifelter Versuch zu betrachten, die Politik aus ihrer Krise zu führen. Gewisse Probleme scheinen sich aber unter dieser Vorgehensweise nur zur verstärken. Denn etwas zu simulieren das nicht ist, wird nicht genügen, um BürgerInnen zu überzeugen, sondern festigt nur ein schon vorhandenes negatives Bild der Politik. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass große Werbeagenturen die sonst für Supermarktketten und andere Kunden aus der freien Marktwirtschaft arbeiten, Wahlkampagnen planen und PolitikerInnen sowohl aus dem linken als auch dem rechten Spektrum beraten. Mit hippen und vermeintlich aufmerksamkeitswirksamen Kampagnen sollen etwa junge WählerInnen dazu gebracht werden, für die jeweilige Partei zu stimmen. Jedoch kann niemand behaupten, dass damit tatsächlich das Interesse der Jungen an Politik (re)aktiviert wird. Der Wahlkampf verkommt so zusehends zu einem Kampf um Identifikation mit einzelnen ProtagonistInnen, anstatt mit konkreten Handlungen oder Inhalten. Eine Strategie, die langfristig nicht funktionieren kann und zu kurz gegriffen ist. Nicht nur, weil es strukturelle Veränderungen braucht, sondern auch, weil hier Inszenierungen dafür missbraucht werden, um WählerInnen über Inhalte hinwegzutäuschen. Dennoch können einzelne Aspekte des Politainments einen positiven Impact auf die Gestaltung von Politik haben. Auf dies soll im Folgenden weiter eingegangen werden.

Leidenschaftliche Politik

Wie Dörner klarstellt besteht die Gefahr, aber auch das Potenzial, des Politainments in der Mobilisierung von Emotionen bei den WählerInnen – und genau das scheint bei vielen KritikerInnen des Politainments Unbehagen hervorzurufen, galt doch die Politik immer schon als rationale, öffentliche Sphäre, die mit der privaten, emotionalen Sphäre nichts zu tun haben soll. Zum Prozess der Medialisierung der Politik zählt jedoch die wachsende Rolle von Emotionen und Gefühlen in der Politik. Peter Filzmaier meint, dass sich die Informationsgesellschaft immer mehr zu einer „Gefühlsgesellschaft” entwickelt (vgl. Filzmaier 2006: 19). Stimmungslagen werden immer mehr mobilisiert, Emotionen und Affekte nach Logiken des Marketings gezielt gelenkt und gesteuert (vgl. ebd.: 45). Andreas Dörner zufolge führt das Rückgreifen auf die Strategie der Emotionsmobilisierung zur Konstruktion einer politischen Realität, die neue Erfahrungsräume schafft, da sie Politik einem breiten Publikum zugänglich macht (vgl. Dörner 2008: 31-34). Die Frage die hier aufkommt ist, woher diese Entwicklung kommt und wieso Emotionen eine derartige Konjunktur in der Politik erleben. Aber auch ob der Glauben an eine mögliche Trennung von Emotionen und Politik nicht immer schon unrealistisch und umstritten war. So wurde diese etwa immer wieder in feministischen Diskursen kritisiert, da sie nicht nur zur Exklusion von Frauen in der Politik führe, sondern auch gewisse vermeintlich „private“ Themen als „unpolitisch“ markiere, die jedoch sehr wohl politisch seien. Die Trennung von Ratio und öffentlich auf der einen und Emotion und privat auf der anderen Seite hat aber auch zu einem weiteren Problem geführt: Politik wurde als ein Bereich wahrgenommen, der grau, langweilig und auch elitär ist und mit der eigenen Lebensrealität kaum etwas zu tun hat. Politik hat ein Imageproblem und das nicht nur aufgrund von Politikerinnen, die mit regelmäßigen Korruptionsskandalen und Veruntreuungen dafür sorgen, dass niemand mehr ihnen vertraut, sondern auch weil die politische Kommunikation trocken ist. Viele Menschen assoziieren mit Politik eine schwierige, juristische Sprache, die kaum verständlich übersetzt wird. Politische Kommunikation beruht darauf, regelmäßig die Parlamentssitzungen zu filmen und diese im Fernsehen auszustrahlen – dies festigt nur ein elitäres, wenig partizipatives und langweiliges Bild einer Politik des Immergleichen, die oft in die gefährliche Resignation führt.

Dennoch gibt es aber bestimmte politische Themen und Entscheidungen, wo Menschen plötzlich aktiv werden, auf die Straße gehen oder auch aufhören wählen zu gehen. Das sind meist Themen, wo die eigene Lebensrealität spürbar betroffen ist, aber auch die von den Parteien und Medien mit Bedeutung versehen und emotional aufgeladen werden. Aktuell lässt sich das gut bei Flüchtlingsthemen beobachten – Affekte wie Ängste und Wut werden etwa von der FPÖ ganz bewusst mobilisiert und das mit großem Erfolg. Chantal Mouffe hat in ihren Arbeiten immer wieder darauf hingewiesen, dass man Emotionen in der Politik einen Platz bieten muss, damit sie nicht instrumentalisiert werden:

„Theoretiker, die die Leidenschaften aus der Politik verbannen wollen und den Standpunkt vertreten, demokratische Politik sollte nur auf der Ebene von Vernunft, Mäßigung und Konsens diskutiert werden, stellen damit nur ihr mangelhaftes Verständnis des Politischen und seiner Dynamik unter Beweis. Sie sehen nicht, daß demokratische Politik eine reale Hebelkraft auf die Wünsche und Phantasien der Menschen ausüben muss, daß sie Formen von Identifikation anbieten sollte, die demokratische Verfahrensweisen zugute kommen, statt Gefühlen mit Interessen und Leidenschaften mit Vernunft zu begegnen.“(Mouffe 2007: 40)

Emotionen spielen eine große Rolle in Politik und Gesellschaft, diese wurde zu lange geleugnet. Anstatt zu versuchen, die Politik elitär und rational zu halten, sollte endlich anerkannt werden, wie sich Emotionen auf das Wahlverhalten auswirken und wie Parteien dieses durch gezielte Emotionssteuerung beeinflussen können. Die emotionale Wirkung des Politainments kann dazu genützt werden, um einen Kanal für diese Emotionen zu finden und Politik wieder interessant zu machen. Dazu müssen aber nicht nur PolitikerInnen, sondern auch Medien zur Verantwortung gezogen und zur Partizipation gebracht werden: Wie Schaaler und Heidenreich schreiben, muss politisches Emotionsmanagement „die eigenen Verfahrensweisen transparent machen, öffentlich reflektieren und zur Diskussion stellen, um dem Vorwurf entgegenzutreten, es betreibe nur eine Manipulation der Bürgerinnen und Bürger.“  (Schaal/Heidenreich 2015)  Komplexe politische Prozesse müssen so dargestellt werden, dass jedeR sie verstehen kann. Anstatt aber Politik zu simulieren, muss Politainment tatsächlich am Status Quo der Politik anknüpfen und diese repräsentieren. Wenn Politainment die Distanz zur „entfernten Politik“ vermindern soll, muss diese auch tatsächlich demokratischer und partizipativer werden. Sonst bleibt es bei inhaltsleeren Inszenierungen, Politainment kann jedenfalls ein Weg sein, Politik partizipativer zu gestalten. Es müssen zudem neue Kommunikationsformen gefunden werden um BürgerInnen zu informieren. Derzeit herrscht ein großes Abhängigkeitsverhältnis der Politik zu den Medien. PolitikerInnen sind gezwungen, sich deren Spielregeln zu beugen um überhaupt wahrgenommen zu werden, natürlich machen sie sich diese auch zu Nutze. Hier könnte eine Lösung sein, eigene unabhängige Kommunikationskanäle und Kontrollinstanzen im Social Media Bereich zu schaffen. Ein weiterer, wichtiger Punkt wäre außerdem die stärkere Konzentration auf positive Themen, vor allem auch in den Medien. Natürlich muss über Korruption und Missstände berichtete werden, jedoch decken die wenigsten Medien tatsächlich Skandale auf, sondern schlachten diese Themen lediglich aus, um Aufmerksamkeit zu generieren.

Abschließend soll noch einmal betont werden, dass eine unterhaltsame, emotionale Politik kein Problem darstellt, solange sie Politik nicht verfälscht und Inhalte darin keinen Platz finden. Wir müssen Inszenierungen in der Politik stets kritisch beäugen und uns fragen, ob es sich dabei um Spektakel oder Argumente handelt. Die Lösung kann hier jedoch nicht sein, zu einer rein rationalen Politik und politischen Kommunikation zurückzufinden, wie es viele fordern. Es bedarf einer klaren Sprache der Politik und politischen Kommunikation, als auch der Anerkennung dafür, dass Politik stets unsere Leben betrifft und dem Politischen so immer etwas Leidenschaftliches zugrunde liegt. Diese Emotionen müssen ihren Platz in der Vermittlung von Politik finden und sie müssen den Menschen bewusst werden, damit sie einerseits nicht in Lethargie und Resignation versinken und andererseits weniger empfänglich für politische Manipulation sind.

Arnold, Sabine R./Fuhrmeister, Christian/Schiller, Dietmar (1998): Hüllen und Masken der Politik. Ein Aufriß. In: dies. (Hg.): Politiche Inszenierung im 20. Jahrhundert. Zur Sinnlichkeit der Macht. Wien/Köln/Weimar: Böhler Wien, 9–22.

Crouch, Colin (2008): Postdemokratie. Frankfurt/M: Suhrkamp.

Dörner, Andreas (2001): Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Filzmaier, Peter (2006): Wag the Dog? Amerikanisierung der Fernsehlogik und mediale Inzenierungen in Österreich. In: Filzmaier, Peter/Karmasin, Matthias/Klepp, Cornelia: Politik und Medien, Wien: Facultas, 9–50.

Mayer, Thomas (2001): Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Mouffe, Chantal (2007): Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Internet: 

Meyer, Thomas (2002): Mediokratie – Auf dem Weg in eine andere Demokratie? [ o n l i n e ] www.bpb.de/apuz/26977/mediokratie-auf-dem-weg-in-eine-andere- demokratie?p=all [13.11.2014].

Schaal, Gary S./Heidenreich, Felix (2013): Politik der Gefühle. Zur Rolle von Emotionen in der Demokratie [ o n l i n e ]   [01.08.2015]