????????Sport hat kein Geschlecht – Frauen, Fußball, Diskriminierung.
Anlässlich des Viertelfinales der Frauen Fußball WM 2015 luden Veronika Reininger und Renate Vodnek vom Verein Wiener Sportalternative in die Wiener Hauptbücherei. Bei der Podiumsdiskussion „Frauenfußball und ihre Fans“ diskutierten am 26. Juni 2015 Heidi Thaler von der Koordinationsstelle FANprojekte der Deutschen Sportjugend (dsj) in Frankfurt und Theresa Dölzel, Kapitänin und Vorständin des Mädchen- und Frauenfußballvereins 23. Sie lieferten eine dynamische Diskussion, weshalb es trotz Absage zweier weiterer Diskutantinnen sehr unterhaltsam blieb. Monika Vana, Grüne Europa-Abgeordnete und Mitglied im Frauenausschuss, leitete das im Frauenfußball sattelfeste Publikum lebhaft durch den Abend.
Weibliche Fankultur.
Den Auftakt macht die Frage nach weiblicher Fankultur im Fußball. Die Politologin Thaler arbeitet derzeit an ihrer Doktorarbeit zu weiblichen Ultras und attestiert Unterschiede in der Fankultur. Diese äußern sich jedoch nicht geschlechterspezifisch, sondern eher regional. Was weibliche Fans jedoch von männlichen unterscheidet, ist die Außenwahrnehmung. Frauen wird nicht zugetraut Fußballfan sein zu können. Dies beginnt bei banalen Aussagen, wie „Frauen verstehen keine Abseitsregeln“, und endet beim Ausschluss aus wichtigen Positionen in der Fankultur. Das liege vor allem daran, dass die Vorstellung von im Stadion Bier trinkenden und fluchenden Fans nicht mit dem noch immer gängigen Frauenbild vereinbar ist. „Sie sind eine Provokation des Systems“, so Thaler. De facto sei die Lage aber anders: Frauen sind zahlreich in Vereinen vertreten, es gab sie vielmehr schon immer in den Stadien.
Fußball und der männliche Mythos.
Doch nicht nur als Fans, sondern auch als Spielerinnen sind Frauen immer noch Diskriminierung ausgesetzt. So wird in Deutschland und Österreich Fußball immer noch als ein reiner „Männersport“ inszeniert. „Fußballbundesliga“ und „Fußball-Weltmeisterschaft“ meinen automatisch Männer-, nicht Frauen-Fußball. Anders sieht es in den USA aus, dort haben die Spiele der Frauen hohe Einschaltquoten und der Sport ist für beide Geschlechter anerkannt. Thaler erklärt das unter anderem damit, dass es in den USA bereits andere Massensportarten gibt, die den männlichen Mythos bedienen, etwa American Football oder Basketball. Der Fußball braucht in den USA diese Funktion daher nicht mehr zu übernehmen.
Die alltägliche Diskriminierung auf dem Rasen beschreibt Dölzel anhand der Einstellung der Schiedsrichter. Diese nehmen die Spielerinnen selten ernst. Anstatt Fouls zu pfeifen, geht vieles durch. Während bei Spielen der Männer längst eine Karte gezeigt würde, bedenken sie die Spielerinnen mit Kommentaren wie „Mädels, reißt´s euch halt zusammen“.
Wo bleibt die Live Übertragung? Diskriminierung in den Medien.
Die Geringschätzung des Frauen-Fußballs äußert sich auch in der geringen Medienpräsenz, beklagen die Diskutantinnen.
In Deutschland sieht die Situation etwas besser als in Österreich aus, auch wenn dort ebenfalls nicht alles rosig ist. Immerhin überträgt der ZDF einige Spiele der Fußball-WM. Bei einem Bundesligaspiel der Frauen kommen dort im Durchschnitt 890 Besucher*innen, in Österreich nur 30 bis 100. Das liege laut Dölzel auch an den ungünstig festgelegten Spielzeiten der Frauen. Ein Spiel am Freitagnachmittag lässt sich von Berufstätigen nur schwer besuchen.
Finanzielle Engpässe.
Ein mehrfach angesprochenes Problem stellt die schlechte finanzielle Unterstützung für Frauenfußball dar. Dabei beiße sich die Katze in den Schwanz: Durch das geringe Medieninteresse ist Frauenfußball auch für Sponsor*innen nicht interessant. Die finanzielle Unterstützung für den Spitzensport komme meist aus der Familie und dem Freundeskreis.
So steht der Entscheidung für eine Karriere als Spitzenfußballerin oftmals die Aussicht entgegen, nicht davon leben zu können, sind sich Thaler und Dötzel einig. Selbst die österreichischen Bundesligistinnen haben – anders als ihre männlichen Kollegen – alle noch einen Brotjob neben ihrer Fußballkarriere. Das gilt sogar für die Spielerinnen des österreichischen Serienmeisters SV Neulengbach, der seit 2003 ununterbrochen in der UEFA Champions League vertreten ist – wovon Österreichs Männerfußball nicht einmal träumen kann.
Wandel im Fußball.
Das Resümee des Abends: Es muss noch viel getan werden, damit Frauen im Fußball als gleichwertig anerkannt werden. Zwei große Forderungen der beiden Diskutantinnen bleiben im Raum: zum einen die bessere öffentliche Finanzierung und Förderung des Frauenfußballs – besonders im Nachwuchs und bei der Infrastruktur. Zum anderen fordern sie mehr Medienpräsenz. Solange sich jedoch in den Köpfen – sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch auf Funktionärsebene – nichts ändert, wird Fußball weiterhin ein Geschlecht haben. Die Autorin, Linnéa Richter, hat Internationale Entwicklung studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.
Links.
Wiener Sportalternative (WSA)