Ungeniert repariert.
Schön, dass wir auch darüber endlich mal wieder reden! Schon während der späten 1950er Jahre war das Phänomen “Künstliche Obsoleszenz“ durchaus in der Öffentlichkeit bekannt. Der Publizist Vance Packard hat bereits 1960 in seinem Bestseller „The Waste Makers“ das Phänomen ausführlich beschrieben. Der bewusste Einbau technischer Sollbruchstellen, um verfrühte Reparaturen oder einen Austausch nötig erscheinen zu lassen, ist typisch dafür. Bei einer Betriebsbesichtigung des R.U.S.Z. am 24. Mai 2013 durch die Grüne Bildungswerkstatt war vom Gründer Sepp Eisenriegler Genaueres darüber zu erfahren.
Verfehlter Autoritätsglaube.
Nach 20 Jahren Umweltberatung im Dienste der Wiener Volkshochschulen hatte Eisenriegler in den 1990er Jahren nach eigenen Angaben ein entscheidendes Erlebnis. Sein Geschirrspüler ging kaputt, und er staunte nicht schlecht über die angebotene Vorgehensweise des Technikers, der schon aus der Entfernung feststellte: „Ich seh´ schon … das wird sich nicht mehr auszahlen“. Sein Besuch hätte 100 Euro gekostet, nun bot er aber einen kulanten Deal an: Bei Kauf einer neuen Maschine würden die 100 Euro erlassen. Eisenriegler verweigerte den Deal, aber auch den geforderten Hunderter. Sie kamen ins Gespräch und bei näherer Betrachtung wurde ein verstopfter Schlauch als Problemursache offenkundig. Kurz durchgeblasen, und der Schaden war behoben. Der Mann vom Kundendienst verriet nun auch, er habe den Auftrag, zehn Hausbesuche pro Tag zu erledigen, und entsprechende Umsätze zu erreichen. Zumindest bei jenen Kunden, bei denen das „einegeht“. Bei Eisenriegler und dessen Protest „ging's“ aber nicht.
Bei weiterer Recherche erhärtete sich sein Verdacht, dass die Hersteller mit ihren Kundendiensten inzwischen de facto über ein Monopol verfügten. Zudem agierten die Kundendienste vor allem als verlängerter Arm der Verkaufsabteilungen.
Dies verstößt eigentlich gegen geltendes Recht, denn es gibt gesetzliche Regelungen, die der Wiederverwendung von Geräten Vorrang einräumen: die Elektroaltgeräte-Richtlinie und die Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union und in Österreich die Elektroaltgeräte-Verordnung und das Abfallwirtschaftsgesetz. Eisenriegler gründete also 1998 in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) das R.U.S.Z. als sozialökonomischen Betrieb unter Beschäftigung von Transitarbeitskräften. Sein Angebot: Altgeräte gewissenhaft zu reparieren, vorbei an den unwillig gewordenen Herstellerangeboten. Das AMS löste sich zwar 2007 von der Partnerschaft, der Betrieb mit 22 Mitarbeitern konnte aber aufgrund des Erfolgs seither als GmbH weitergeführt werden, als Teil der Gemeinwohlökonomie. Eine seit Juni 2010 laufende Kooperation mit der Kronen Zeitung führte zu weiter steigender Bekanntheit.
Vorsätzliche Täterschaft.
Eisenriegler kann beeindruckende Beispiele für die mutwillig herbeigeführte Lebensverkürzung von Geräten vorweisen. Da gebe es beispielsweise die Notebook-Grafikkarten, die so montiert seien, dass sie zu wenig gekühlt würden und zudem nur mit Spezialwerkzeug greifbar seien, welches 20.000 Euro in der Anschaffung kosten würde. In Druckern befänden sich Zählwerke, die bereits nach nur einem Drittel verbrauchtem Toner eine fast leere Kartusche meldeten. In den Netzteilen neuer Fernseher sei unter den Elektrolytkondensatoren bewusst stets jeweils einer platziert, der wenig hitzebeständig sei. Damit ist gesichert, dass der Bildschirm in relativ naher Zukunft schwarz bleibt. Solche Teile haben einen Wert von 0,2 Eurocents und sind leicht durch bessere ersetzbar – im normalen Handel komme aber für gewöhnlich die Meldung:„Reparatur lohnt sich nicht“. Bei Waschmaschinen steckt der erwartbare Schaden in Gestalt des Materials der großen, runden Bottiche. Jene aus Plastik könnten kaum drei Jahre Betrieb überstehen, solche aus Edelstahl halten hingegen etliche Jahre mehr.
Ganz anders die Ergebnisse der R.U.S.Z. Reparaturen: Etwa 20 Prozent der Geräte sind nicht zu retten, aus ungefähr 40 Prozent sind Einzelteile wieder verwertbar, und gut 30 Prozent erweisen sich als vollständig reparierbar. Nicht nur das: Ein Mitarbeiter Eisenrieglers hat eine innovative Lösung entwickelt, die durch entsprechendes „Tuning“ die Energieeffizienz alter Waschmaschinen erhöht.
Unterm Strich bewahrheitet sich die alte Redensart: Wer billig kauft, kauft teuer. Denn teurere Geräte rechtfertigen ihren Preis meist durch gewissenhafteren Materialeinsatz und sichern somit Langlebigkeit sowie Reparierbarkeit. Zudem hat sich herausgestellt, dass Qualitätsgeräte günstiger reparierbar sind als Billigprodukte. Laut Eisenriegler gebe es sogar Billigmarken, zu denen vorsätzlich gar keine Ersatzteile lieferbar seien. Jedenfalls: eine um 300 Euro gut reparierte Waschmaschine halte weitere zehn Jahre. Sonst gebe es für denselben Zeitraum nur die Alternative, denselben Betrag dreimal für „nichtreparierbare“ Neumaschinen auszugeben.
Alan Severa ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams und Politikwissenschafter.