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Unverträgliche Verträge.

Damit urbanes Wachstum nicht zum Wildwuchs wird, braucht es Regeln. Städtebauliche Verträge könnten dazu beitragen, dass nicht nur Private verdienen und der Gemeinde die Kosten bleiben. Warum die Situation in Wien noch recht unbefriedigend ist, erörterten unter der Moderation von Elisabeth Kittl die Planerin Gabu Heindl und die Immobilienexpertin Evelyn Ernst bei einer Veranstaltung der Grünen Bildungswerkstatt Wien.

 

Wien ist eine Stadt der Kräne. Seit einigen Jahren schon. Menschen wandern zu, jährlich zwischen 20.000  und 30.000. Die brauchen Wohnraum. Also wird gebaut. Mit Wohnungen lässt sich aktuell gutes Geld verdienen in der Donaumetropole. Wohnbau und Zuzug brauchen aber auch Infrastruktur. Dafür soll die Stadt sorgen. Die Gewinne den Investoren und Baufirmen, die Kosten der Stadt. Dieses Modell ist nicht ausgewogen und bringt die öffentlichen Kassen unter Druck. Das gilt nicht nur für Wien.

Städtebauliche Verträge sollen hier Abhilfe schaffen. In Deutschland, in der Schweiz gibt es das schon seit geraumer Zeit. In Wien erst seit kurzem. Worum geht es. Für die Möglichkeit bauen zu können, also bei Umwidmungen, in Stadterweiterungsgebieten, sollen die Immobiliengesellschaften, die hier bauen lassen, sich verpflichten, auch für die Infrastruktur sorgen. Keine neue U-Bahn, das nicht. Aber Kindergärten zum Beispiel, Grünanlagen, die Gestaltung des öffentlichen Raums.

Evelyn Ernst berät Entwicklungsunternehmen im Immobilienbereich. Sie würde sich über klare Regelungen freuen. Dann ließen sich Projekte besser kalkulieren. Derzeit allerdings, so sagt sie, sei in Wien noch vieles vage, vieles Verhandlungssache. Je nach Vorhaben. Erst ein einziger Objektvertrag wurde bis dato abgeschlossen und auch veröffentlicht. „Orientierungshilfe ist das leider keine“, so Ernst. Sie hätte gerne einen Katalog, wie ihn Berlin hat. Dort ist die Zahl der Kindergarten- und Volksschulplätze je Projektumfang definiert und dreißig Perzent der Flächen sind für soziale Bodennutzung (welch schöner Begriff) vorgesehen. In Wien indes fehlen solche klaren Vorgaben. Es gibt noch nicht einmal eine Durchführungsverordnung.

Für Gabu Heindl, kritische Architektin und Stadtplanerin, ist es nicht so verwunderlich, dass es noch holpert bei der Installierung klarer Richtlinien für städtebauliche Verträge. In Österreich und speziell in Wien ist eine Vielzahl von Immobiliengesellschaften am Werk, die im semiöffentlichen Bereich anzusiedeln sind. Allen voran die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), nach eigenen Angaben elf Milliarden Euro schwer und im Besitz von 2.100 Liegenschaften in ganz Österreich. Aber auch die diversen Wohnbaugenossenschaften, die oftmals Vorfeldorganisationen von Parteien, Gewerkschaften, Gebietskörperschaften oder Sozialversicherungen sind, spielen eifrig mit im DKT ums neue Betongold.

Aber die VermieterInnen haben Angst, die ZwischennutzerInnen halten die vereinbarte Nutzungsdauer zu günstigeren Konditionen nicht ein und ziehen nicht mehr aus. Da werden die Geschäftsflächen lieber leer gelassen. Ein weiterer wichtiger Faktor, Leben in die Altstadt zu bringen, ist die leistbare Verfügbarkeit von Mietwohnungen. Ulreich erzählt aus seinen Erfahrungen: Einen Altbau sowie die Wohnungen darin zu sanieren und kostendeckend zu vermieten, ist derzeit aufgrund des dort geltenden Richtwertmietzinses nicht möglich. Jedenfalls nicht für Private.

In Wien darf derzeit etwa EUR 6/m² für unbefristete Altbauwohnungen verlangt werden. Neuer, öffentlich geförderter Wohnraum bewegt sich um die EUR 9/m² und neue Genossenschaftswohnungen gar bei EUR 12/m². Aufgrund der Möglichkeit der freien Mietzinsvereinbarung bei Neubauwohnungen liegt die Überlegung der privaten Investorin oder des Investors nahe, das Althaus abzureißen und neuzubauen oder die Wohnungen im sanierten Altbau zu verkaufen. Steuererleichterungen oder freier Mietzins für sanierte Altbauwohnungen, noch dazu solche, die z.B. den Wärmebedarf senken, würde hier lenkend eingreifen.

Laut Gabu Heindl passiert aktuell Vermögenssicherung vornehmlich über Immobilieninvestments. Das Interesse daran ist enorm. Da gilt es seitens der Stadt, rechtzeitig Maßnahmen zu treffen, bevor der letzte freie Platz in privaten Händen ist. Städtebauliche Verträge stellen in ihrer Wesensart zwar einen Eingriff ins Eigentumsrecht dar, doch auch der Wertzuwachs, den Immobiliengesellschaften durch Umwidmungen erzielen, ist im weitesten Sinne ein solcher Eingriff. Die Verträge sollen dazu dienen, den Zuwachs der Öffentlichkeit zurückzugeben und nicht bei den Privaten zu belassen. 

Jede Widmungsänderung ist ein hoheitlicher Akt und zugleich ein Ausdruck politischen Wollens. Heindl stellt in diesem Zusammenhang zwei Forderungen. Bei Widmungen soll stets das Wohl der Allgemeinheit ausschlaggebend sein und es darf nicht möglich sein, Wunschwidmungen zu kaufen. Sehr kritisch sieht sie daher das aktuelle Wiener Hochhauskonzept. Das ist für sie ein schwammiges Papier, das viele Interpretationsspielräume und Hintertürchen offenlässt. 

Größere Transparenz bei Umwidmungen ist daher dringend geboten. Doch selbst mit umfassender Teilhabe und Information der Öffentlichkeit werden sich manche der grundlegenden Probleme, die die aktuelle Hausse auf dem Wiener Immobilienmarkt mit sich bringt, nicht beheben lassen.

Als Beispiel: Selbst wenn sich eine Immobiliengesellschaft verpflichtet, für eine solide Infrastruktur im Rahmen ihres Bauvorhabens zu sorgen, so ist dennoch schwer zu verhindern, dass diese Kosten letztlich wieder auf die Wohnungspreise umgelegt werden. Das treibt die Wohnkosten weiter in die Höhe.

Doch so weit sind wir in Wien noch gar nicht. Denn zuallererst, darin sind sich die beiden Expertinnen Gabu Heindl und Evelyn Ernst einig, ist es dringend notwendig, klare und für alle zugängliche Richtlinien zu definieren, auf Basis derer städtebauliche Verträge geschlossen werden können. Solange es diese nicht gibt, ist jedes neue Großbauvorhaben eine Frage des Verhandlungsgeschicks der jeweiligen Vertragspartner und Vertragspartnerinnen. Das sind die Gemeinde Wien auf der einen und Immobilienentwicklungsfirmen auf der anderen Seite. Und dass die Gemeinde Wien mitunter eine recht lasche Toleranz gegenüber Investoren (ja, Männer) an den Tag legt, hat sich in der jüngeren Vergangenheit, speziell bei Umwidmungen des öfteren gezeigt. Da gilt es nun schnell zu handeln.

Text: Michael Schmid (GBW Wien) | Bilder: Franziska Klauser (GBW Wien)