Wer das Gold hat, macht die Regeln.

GBW
Armut – als Gegenpol zu Reichtum – ist ein viel behandeltes Thema. Es gibt klare Definitionen, genaue Zahlen und zahlreiche Studien. Unser Wissen über Reichtum ist hingegen oft verklärt oder gar falsch. Die 3. Reichtumskonferenz stellt daher einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung dar.
Die Rechtfertigung von Macht.
Ausgangspunkt war die Frage, wie Reiche ihren Wohlstand und ihre Macht rechtfertigen. Der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann fand dafür drei Antworten. Erstens würde über Reichtum gerne geschwiegen. Denn solange nicht über Reichtum diskutiert würde, bliebe alles wie es ist. Zweitens würde Reichtum durch Leistung legitimiert. Ungleichheit gälte dabei als Leistungsanreiz und als solcher gesellschaftlich gerechtfertigt. Abschließend würde Reichtum mit der Wohltätigkeit der Wohlhabenden legitimiert. Denn die Firmen der Reichen würden Arbeitsplätze schaffen und ihre Stiftungen soziale Leistungen erbringen.
Legitimation und Spaltung.
Mit dem Thema „Legitimation und Spaltung“ knüpfte die folgende Podiumsdiskussion direkt an den Vortrag von Michael Hartmann an. Die Soziologin Eva Flicker, die sich an der Uni Wien vor allem mit Medien- und Genderthemen auseinandersetzt, stellte in ihrem Beitrag dar, wie Hollywoodfilme Elitenbilder und Bilder der Lebensstile von Reichen vermitteln. Der Habitus der Vermögenden erhielte dadurch emotionale Anziehungskraft. Glamour würde vom Lebensstil zum Lebensziel.
Der Psychologe Martin Schenk erkannte vier Erzählungen, die dazu beitragen würden, den Status Quo als natürliche Ordnung erscheinen zu lassen. Erstens gäbe es eine starke Ökonomisierung sozialer Beziehungen. Als zweite Erzählung nennt er die Umdeutung von realen sozioökonomischen Unterschieden in individuelle Differenzen. Ganzen Teilen der Gesellschaft würden dabei kulturelle Eigenschaften zugeschrieben, etwa, dass Mitglieder der Unterschicht faul seien. Die dritte Erzählung ist der Trickle Down Effekt, der behauptet, dass alles, was den Reichen helfe, irgendwann auch den Armen helfen würde. Als letzte Erzählung sieht er die „Tendenz zur Mitte“, laut der sich weite Teile der Bevölkerung fälschlicherweise zur Mittelschicht zählen würden.
Die Soziologin und Sozioökonomin Lisa Mittendrein stellte abschließend die Legitimation der aktuellen Krisenpolitik der EU dar. Ein wichtiges Argument dabei sei die Darstellung, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt hätten und jetzt die Konsequenzen tragen müssten. Auch rassistische Zuschreibungen – etwa von den faulen Griech*innen – spielen eine wichtige Rolle und spalten die europäische Bevölkerung. Arbeitslosigkeit und die Krise an sich seien als Schreckgespenster Legitimation für einen massiven Abbau von Sozialleistungen. Immerhin ginge es um die Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Gefahren der Verharmlosung.
Der Ökonom Martin Schürz ist als Verantwortlicher der EU-weiten Erhebung zur finanziellen Lage von Haushalten (HFCS) ein anerkannter Reichtumsexperte. In seinem Vortrag „Vermögensreichtum in Österreich, Gefahren der Verharmlosung“ stellte er dar, wie Verharmlosungen dazu dienen würden, die aktuelle Verteilungssituation abzusichern, aber auch von grundlegenden Fragen der Gerechtigkeit abzulenken. Diese Verharmlosungen beginnen laut Schürz bei der Definition von Reichtum. Denn anders als bei Armut könne hier nicht mit einer bestimmten Relation zur Mitte oder einer numerischen Grenze gearbeitet werden. Viel eher wäre es nötig normativ die Frage zu klären „ab wann viel zu viel“ sei und somit grundlegende Überlegungen zur erwünschten Gesellschaft zu stellen. Dies sei politisch nicht willkommen.
Eine weitere Verharmlosung erfolge durch die Abwertung der Vermögensdaten, da sie auf einer freiwilligen Befragung beruhen. Obgleich die Erhebung in allen Bereichen dem State of the Art entsprechen würde, wäre die logische Konsequenz der Kritik eine verpflichtende Erhebungsteilnahme aller mit Sanktionen auf Falschangaben einzufordern. Ebenso wie eine Aufhebung des Bankgeheimnisses, eine Aufdeckung der Stiftungsvermögen, ein automatischer Austausch mit Finanzinstitutionen im Ausland und eine Neufestlegung der Immobilienwerte. In all diesen Bereichen sei kaum politischer Wille zu erkennen.
Generell sei es wichtig, die Frage nach Gerechtigkeit ernsthaft zu diskutieren. „Das Ziel all jener, die ernsthaft soziale Gerechtigkeit anstreben, müsste eine Verkleinerung der sozialen Ungleichheit sein und nicht ein Beitrag der Reichen gegen zu hohe Staatsverschuldung oder für mehr Finanzstabilität.“ Die Politik müsste dafür „Empathie für das Leid der Armen und den Mut für einen vernünftigen Blick auf den Exzess der Vermögenden“ entwickeln.
Soziale Ungleichheit: Gefährdung der Demokratie.
Nach vertiefenden Workshops beschäftigte sich das abschließende Panel mit der Gefährdung der Demokratie. Alexandra Strickner von Attac, Michaela Moser von der Armutskonferenz, Julia Hofmann von BEIGEWUM und Markus Marterbauer von der AK Wien waren sich einig, dass die Demokratie durch die aktuellen ökonomischen Entwicklungen stark gefährdet sei. Neben dem Gefühl vor allem unterer Schichten, dass ihre Interessen von politischen Parteien immer weniger vertreten würden, würde der Einfluss von wirtschaftlichen Akteuren auf politische Entscheidungen immer stärker zunehmen. Durch die zahlreichen Widersprüche, die das aktuelle System erzeuge, könne das Pendel aber leicht wieder in die andere Richtung gehen. Dafür sei aber der Einsatz aller gefordert.
Links.
Weiterführende Informationen (mit Videos der Vorträge) finden sich hier.
Der Autor, Manuel Melzer, hat Internationale Entwicklung und Volkswirtschaft studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.