Wer hat was?

GBW
Unter der Leitung von Pia Kranawetter, Ökonomin und Referentin für Budgetpolitik im Grünen Parlamentsklub, diskutierten am 26. Juni 2015 die Teilnehmenden rege über die Verteilung privater Vermögen in Österreich.
Datenlage zur Vermögensverteilung.
Pia Kranawetter geht zunächst auf die Verfügbarkeit vermögensbezogener Daten und Probleme bei deren Erhebung ein. Während die Datenlage bei Einkommen sehr gut sei, habe es lange kaum vertrauenswürdige Daten zur Vermögensverteilung privater Haushalte gegeben. Dies änderte sich erst, als die Europäische Zentralbank (EZB) vor dem Hintergrund der Finanzkrise eine Erhebung in Auftrag gab, um den Zusammenhang zwischen Vermögensungleichheit und Finanzmarktstabilität zu ergründen. 2010 erhob die EZB in 15 Ländern der Eurozone, darunter Österreich, im Rahmen des Household Finance and Consumption Surveys (HFCS) private Vermögensdaten. Die Ergebnisse zeigen, dass unter diesen Ländern die Vermögen in Österreich am ungleichmäßigsten verteilt sind.
Um sich besser vorstellen zu können, wie diese Ergebnisse zustande gekommen sind, erfassen die Workshop-Teilnehmenden per Fragebogen das Vermögen im eigenen Haushalt. Um zum Nettovermögen zu gelangen, werden von der Summe aus Sach- und Finanzkapital die Schulden abgezogen. Anschließend schätzen die Teilnehmer*innen auf einer Skala von eins bis zehn, in welchem Bereich der Verteilung sie sich befinden. Dieser Aspekt wurde auch im Rahmen des HFCS erhoben, wo ein Großteil der Befragten die eigene Vermögenssituation falsch eingestuft hatte. Während Haushalte mit sehr niedrigem Vermögen sich meist etwas höher einschätzen, glaubt der Großteil der reichsten 20 Prozent zur Mittelschicht zu gehören. Diese häufigen Fehleinschätzungen führt Kranawetter darauf zurück, dass es in der Vergangenheit zu wenig Diskussion über die Verteilung der Vermögen in Österreich gegeben hätte.
Mythen zu Vermögenssteuern.
Im Anschluss sammeln Kleingruppen Argumente für und gegen vermögensbezogene Steuern. Im Rahmen der anschließenden Diskussion geht die Referentin darauf ein, welche in den Medien häufig genannten Argumente nur auf fadenscheinigen Annahmen beruhen und welche tatsächlich fundiert sind.
Zu den häufigsten Einwänden gegen vermögensbezogene Steuern zählt, dass diese auch kleine Häuselbauer*innen und das Sparbuch der Oma treffen würden. Tatsächlich sehen derzeitige Vorschläge großzügige Freibeträge vor. Dadurch könnten beträchtliche Steuereinnahmen erzielt werden, ohne die Mittelschicht zu belasten.
„Kapital ist ein scheues Reh“ – mit dieser Aussage warnte Maria Fekter während ihrer Amtszeit als Finanzministerin wiederholt vor vermögensbezogenen Steuern. Laut Kranawetter stelle sich jedoch die Frage, wohin dieses Kapital fliehen sollte Der Anteil vermögensbezogener Steuern liegt in Österreich weit unter dem OECD-Schnitt. Es sei daher kaum zu erwarten, dass es zu massiver Abwanderung von Kapital ins Ausland käme. Zudem müsse stets berücksichtigt werden, um welche Art von Kapital es sich handle. Finanzkapital lasse sich zwar leicht ins Ausland verlagern, bei Wohneigentum oder Unternehmen, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, sei dies aber nicht zu befürchten.
Österreichs Steuersystem wirkt kaum umverteilend.
Ein weiteres Argument gegen vermögensbezogene Steuern lautet, dass Reiche dadurch unverhältnismäßig stark zur Kasse gebeten werden. Dies stimmt jedoch nur vordergründig; betrachtet man die derzeitige Gesamtsteuerbelastung verschiedener Einkommensgruppen, wird deutlich, dass die bestverdienenden zehn Prozent einen kaum höheren Anteil ihres Einkommens für Abgaben aufwenden als die zehn Prozent mit den geringsten Einkommen. Dieses überraschende Ergebnis bewirken hauptsächlich indirekte Steuern wie die Umsatzsteuer, die einkommensschwache Haushalte deutlich stärker belasten. Daher wirkt das derzeitige Abgabensystem insgesamt kaum progressiv; das heißt, dass dadurch kaum eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet. Die umverteilende Wirkung des österreichischen Sozialsystems geht hauptsächlich von den staatlichen Sozialausgaben und Dienstleistungen aus. Die Einführung vermögensbezogener Steuern könnte also dazu beitragen, das Abgabensystem sozialverträglicher zu gestalten. Im Gegenzug dazu könnte auch der Faktor Arbeit entlastet werden, sodass die oftmals als zu hoch angesehene Abgabenquote nicht noch weiter ansteigen würde.
Die Autorin, Stefanie Gerold, hat in Wien Socio-Ecological Economics and Policy studiert und ist Mitglied des GBW-Redaktionsteams.
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