Acht Jahre nach der schwersten Welt-Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren hat sich die österreichische Wirtschaft noch immer nicht erholt. Das Wirtschaftswachstum bleibt niedrig, die Binnennachfrage schwach und die Investitionsquote sinkt trotz niedriger Zinsen. Die Folgen sind steigende Arbeitslosigkeit, breiter werdende soziale Gräben und eine hohe Armutsgefährdung.
Was also tun? Aus Sicht der marktliberalen Wirtschaftswissenschaftler/innen ist die Antwort einfach: Deregulierung, Flexibilisierung und Abbau von Sozialleistungen. Die Therapie zeigt jedoch nicht die erwünschte Wirkung. Expert/innen, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften sehen im eingeschlagenen Weg vielmehr die eigentliche Ursache der Krise.
Doch welche Alternativen gibt es? Was kann sozial- und wirtschaftspolitisch unternommen werden, um die Krise zu überwinden und um die Wirtschaft insgesamt krisenfester zu machen?
Diese Fragen stehen im Zentrum der Tagung. Besprochen werden dabei nicht nur die volkswirtschaftlichen Rahmendbedingungen, sondern auch Einzelaspekte sozialpolitischen Handelns.
Freitag, 22.4.2016, 17:30 Uhr
Heiner Flassbeck: Schon die Diagnose ist falsch!
Eine Analyse der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich vor dem Hintergrund der Eurokrise
Wirtschaftliches Wachstum ohne Schulden gibt es nicht, die Löhne in Österreich sind eher zu niedrig als zu hoch, Österreich lebt genauso wie Deutschland unter seinen Verhältnissen und ist deshalb mitverantwortlich für die Eurokrise.
Mit solchen Aussagen steht Heiner Flassbeck in völligem Kontrast zum Mainstream. In seinem Vortrag analysiert er die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich vor dem Hintergrund der Eurokrise und steckt dabei auch die Rahmenbedingungen für sozialpolitisches Handeln ab.
Markus Marterbauer: Der Sozialstaat als Wohlstandsmotor
Die weltweit zunehmende Ungleichheit der Verteilung von Vermögen und Einkommen ist für Markus Marterbauer ein Hauptauslöser der Wirtschaftskrise. Diese Einsicht gründet er auf die präzise Analyse statistischer Daten. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass ein Ausbau des Wohlfahrtsstaat keineswegs parallel zum Wachsen öffentlicher Schulden verläuft - im Gegenteil. Er fordert deshalb den Primat der Politik ein, um eine nachhaltige Änderung des Systems zu erreichen und um zu verhindern, dass wir noch lange für die Krise zahlen.
Gabriele Michalitsch: Kapituliert die Politik?
Bei vielen politischen Führungspersönlichkeiten hätte sich die Frage nach der Mitverantwortung für die Krise gestellt. Doch traten diese als tatkräftige Retter/innen in der Not auf. Die staatlichen Banken-Rettungspakete wurden als Demonstration politischer Handlungsfähigkeit inszeniert und eine Neudefinition des Kapitalismus in Aussicht gestellt. Die G20, das erstarkte internationale wirtschaftspolitische Koordinationsgremium der 20 größten Volkswirtschaften der Welt, verabschiedete einen Plan zur internationalen Re-Regulierung der Finanzmärkte. Doch was ist daraus geworden? Warum hat die EU diese Aufgabe nicht erledigt?
Diskussion, Umtrunk
Samstag, 23.4.2016, 9:00 – 11:00 Uhr
Drei Arbeitskreise parallel:
Heiner Flassbeck: Lohnpolitik und Arbeitsmarkt unter den Bedingungen der Exportorientierung
Lohn- und Arbeitsmarktpolitik sind Kernelemente für das Funktionieren einer Marktwirtschaft, insbesondere unter den Vorzeichen einer Währungsunion wie der Eurozone. Flassbeck hinterfragt die Vorstellungen der neoklassischen Ökonomie über den Arbeitsmarkt und kritisiert die Forderungen nach Lohnzurückhaltung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in Ländern wie Deutschland und Österreich. Im Arbeitskreis werden die im Vortrag aufgestellten Thesen vertieft.
Anton Amann: Der Generationenvertrag und sein wirtschaftspolitisches Konzept
Behandelt wird das Thema Pensionen im Zusammenhang mit dem Generationenvertrag als konstituierendem Teil der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Während im öffentlichen Diskurs oft davon die Rede ist, dass die junge Generation mit Pensionszahlungen überbelastet ist, ohne selbst eine Garantie auf Pension zu haben, schildert Amann die Unterstützungssysteme zwischen den Generationen.
Gabriele Michalitsch: Erwerbsarbeit von Frauen
Wie kann die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöht werden (abgesehen von besserer Kinderbetreuung), wie sieht es mit der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit aus, welche Budgetmittel kommen Frauen zugute, ist eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung eine Möglichkeit, die Situation am Arbeitsmarkt zu verbessern?
Samstag, 23.4.2016, 11:15 – 12:00 Uhr
Mittagsrunde mit Soziallandesrät/innen
Berichte aus der sozialpolitischen Praxis
Die Soziallandesrät/innen Katharina Wiesflecker (Vorarlberg), Christine Baur (Tirol) und Heinrich Schellhorn (Salzburg) im Gespräch über Ziele und Grenzen der Sozialpolitik auf der Landesebene.
Samstag, 23.4.2016, 13:30 – 15:30 Uhr
Drei Arbeitskreise parallel:
Bernhard Achitz: Lohn- und Sozialdumping schadet allen
Falsche Einstufungen, Scheinselbständigkeit und nicht bezahlte Überstunden, Zulagen und Sonderzahlungen führen dazu, dass die Beschäftigten jährlich um Entgeltansprüche in Millionenhöhe betrogen werden. Die durch Lohndumping verursachte Wettbewerbsverzerrung geht auch zu Lasten ehrlicher Unternehmen und erzeugt eine Lohnspirale nach unten. Bernhard Achitz wird die Ursachen und Hintergründe des Lohn- und Sozialdumpings beleuchten und Gegenmaßnahmen aufzeigen.
Romana Brait: Gemeinden als wichtige Säulen des Wohlfahrtsstaates
Romana Brait skizziert die Schwierigkeiten der öffentlichen Aufgabenerfüllung zwischen Ehrenamt, kommunalen TrägerInnen und privaten Unternehmen. Anforderungen an die Budgeterstellung von Gemeinden samt der notwendigen Transparenz und BürgerInnenbeteiligung in Zeiten knapper Ressourcen werden dargestellt, ebenso interkommunale Kooperationen: deren Herausforderungen, Chancen und Erfahrungen.
Christa Kerschbaummayr, Michael Diettrich: Referenzbudgets als Orientierung für existenzsichernde soziale Unterstützungsleistungen und Sozialplanung
In der derzeit dominierenden Armutsforschung werden Armut und Armutsgefährdung in erster Linie über das verfügbare Einkommen definiert. Die Frage, ob dieses Einkommen auch zum Auskommen reicht, steht dabei nicht im Mittelpunkt des Interesses. Deshalb sind auch die Kriterien für staatliche Unterstützungsleistungen zur Existenzsicherung kaum nachvollziehbar und eher willkürlich.
Anders die von der Dachorganisation der staatlich anerkannten österreichischen Schuldenberatungen (ASB) entwickelten Referenzbudgets: Sie erheben auf Basis von definierten Warenkörben die Ausgaben, die ein Haushalt decken können muss, um ein auf einem Mindestniveau abgesichertes Leben inklusive sozialer Teilhabe führen zu können. Damit fließen nicht nur finanzielle Kriterien, sondern auch Werte geleitete Erwägungen in die Berechnung mit ein.
Abschlussrunde